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Pinter von der Au, Johann Christoph: Neuer, vollkommener, verbesserter und ergänzter Pferd-Schatz. Frankfurt (Main), 1688.

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Pferde-Schatz.
[Spaltenumbruch] schickligkeit nicht so gar zu verlassen haben; die kön-
den ihre Widerpart erwarten/ ohne sich von ihrer
Stelle zu bewegen/ und wenn sie sich bedrenget sehen/
ihr Pferd wenden/ das Creutz ihres Feindes zu ge-
winnen. Dieses habe ich/ was die Passaden anbe-
langet/ anzeigen wollen.

Das 34. Capitel.
Das Mittel ein Pferd auf die Vol-
ten zusetzen.

NUn ist noch übrig einem Reuter die Art und Wei-
se/ mit welcher man zu Wercke gehen mus/ ein
Pferd auff die Volten zu setzen und abzurichten/ wel-
ches man nennet von zweyen Umkreisen/ und das
Creutz inwendig. Und ob schon mein Vorhaben im
Anfang nur allein war Regeln zum Kriege vorzustel-
len/ weil aber das Pferd schon so weit avanziret und
fortkommen ist/ so wil ich dem Reuter zeigen/ wie er
könne dasselbige lehren etliche Volten machen. Erstlich
lasset euer Pferd an die gewöhnlichen Ort der Reit-
schule führen/ allda lasset es um einen Umkreiß her-
um gehen; gebt ihm aber keine Anlaß zum wüten oder
Unruhe/ und stellet euch auch keines Weges nicht als
wenn ihr es tummeln wollet. Wenn ihr es nun also
einige Zeit umher geführet/ so setzet ihm den Kopff an
die Seule/ und beweget es von einem Schenckel auff
den andern sich zu heben/ und lasset es vielmals die
verkehrte Volten machen/ hernach es von einer Sei-
ten zu der andern auff den vier Linien der Volte den
Kopff hinein kehren/ hiermit haltet so lange an/ als es
nöthig ist/ das Pferd darinnen gar gewiß zu machen/
und führet es einen Tag auff einen Umbkreiß/ den an-
dern lasset ihn die verkehrte Volte machen/ und ein an-
dermahl lasset es langs den vier Linien oder Winckeln
der Volta die Schenckel heben/ biß daß es gantz und
gar recht gehorchet.

Das 35. Capitel.

WEnn nun das Pferd geschickt/ und zu dem/ was
obgemeldet/ wol abgerichtet ist/ und mit Lust und
recht gleich auff dem Umbkreiß umbher gehet/ und den
Sporen gar gerne gehorchet/ so wol dem einen als
dem andern/ auch den Kopff gegen die Seule/ als
langs den vier Linien der Volta hält/ so lasset es zwi-
schen zwo Seulen mit dem Kappzaum von Seilern
anbinden; wenn dieses nun geschehen/ so thut eure
Schuldigkeit/ daß es sich vornen zu unterschiedlichen
mahlen auffhebe. Und so es euch williglich und oh-
ne Unruhe gehorchet/ so lasset jemanden darauf sitzen/
der es zu unterschiedlichen mahlen von einem Fuß auf
den andern leite/ und treibe es nicht allzu starck an.
Hier auff lasset ihm gar gute Wort geben/ etwas Heu
reichen/ und ein wenig darnach hinter sich ziehen und
vor sich schiessen/ so viel immer die Seiler des Kapp-
zaums zulassen werden. Welches ihr fünff oder
sechsmahl mit grosser Gelindigkeit und Sachtigkeit
der Hand und Gleichheit der beyden Waden der
Schenckeln wiederholen sollet/ biß daß es dieses thue/
und mit Lust und guten Willen gehorche. Wenn
[Spaltenumbruch] dieses also geschicht/ so sprecht ihm freundlich zu/ und
schicket es nach dem Stall/ und thut ihm darbey et-
was zu gut.

Aber am ersten Tage eurer Arbeit thut euren müg-
lichsten Fleiß/ wenn es zwischen den Seulen ist/ daß
es ein wenig über die Hancken nachsetzen möge: wenn
es sich nun darzu bereitet/ und drey oder vier Courbet-
ten
machet/ so gebt ihm treffliche gute Wort/ reichet
ihm Brodt/ und lasset es gar wol verschnauben/ und
gebt ihm zu verstehen/ daß es euch vergnüget habe/ und
lasset es also in dieser guten humeur; Mercket unter-
dessen/ daß diese ersten lectiones zu keinem anderen
Ende zielen/ als es zu gewehnen/ und zu lehren/ daß es
leicht und willig in die Seile des Kappzaums sich ge-
be/ und allda ohne Ungedult und ohne Unruhe gehor-
che; Solcher Gestalt müsset ihr alle Tage eure Ar-
beit thun/ biß es euch so viel Courbetten machet als
ihr begehret. Lernet noch zum andern/ daß alle diese
Art und Weise zu handeln/ anders nicht ist/ als das
Pferd gehorsam/ geschickt/ und willig zu machen/ daß
es leichtlich das tempo der Volten machen könne.

Das 36. Capitel.

WEnn ihr nun obgemeldtes von den guten Wil-
len und Gedächtniß eures Pferdes werdet erhal-
ten/ in so viel Zeit/ die ihr zur Gewißheit der Wissen-
schafft in allen diesen Lectionen haben müsset/ so ziehet
es von den Seulen oder Pfeilern heraus/ und lasset
ihm den kleinen runden Kappzaum anlegen/ und füh-
ret es an den Ort der Reit-Schule/ allda lasset es lan-
ge Zeit hin und her gehen und in einem Umbkreiß/ als
ich schon gesagt habe/ und lasset bey einer jedweden Ek-
ken oder Winckel der Volte es sich sänfftiglich vor-
nen auffheben/ wie ich euch bereits zwischen den Pfei-
lern zu thun gelehret: so es euch gehorchet/ so sprecht
ihm gar freundlich zu/ und alsbald darauff setzet euren
Weg fort/ nachdem ihr es zwey oder dreymahl hinter
sich gezogen/ hernach führet es biß zu dem andern
Winckel oder Ecken der Volte/ allda thut eben wie-
der also/ wie oben/ und fahret mit dieser Lection fort/
biß ihr die vier Ecken oder Winckel der Volta passiret
seyd/ und continuiret diese lectiones eine nach der an-
dern/ bald zur rechten/ und bald zur lincken/ wechselt
also die Hand ab/ ziehet es hinter sich/ hernach vor sich/
und lasset es unauffhörlich an jedem Ende oder Aus-
gang der Linien sich auffheben/ biß es solches gar leichte
thue. Wenn nun das Pferd dahin gebracht wor-
den/ als ihr vernommen habt/ und ihr in der Hand-
lung gar wohl fortkommen/ so müst ihr ihm gar
freundlich zusprechen/ etwas Brodt darreichen/ und
nachdem es wol verschnaubet/ wieder nach dem Stall
bringen lassen.

Am ersten Tage eurer Ubung/ nachdem ihr es lang
auff den vier Linien der Volte herum gehen lassen/
wenn ihr vermercket/ daß es einen Schmack und Lust
darzu gewonnen/ so machet euch ein wenig schwerer
oder stärcker als gewöhnlich/ und setzet euch fester und
steiffer in den Stegereiff/ wendet gantz sänfftiglich die
Faust gegen die rechte Hand/ und führet es auff der
Linie/ welche nach der rechten Seiten gehet/ hernach
gebt ihm sänfftiglich den lincken Schenckel/ also daß

die

Pferde-Schatz.
[Spaltenumbruch] ſchickligkeit nicht ſo gar zu verlaſſen haben; die koͤn-
den ihre Widerpart erwarten/ ohne ſich von ihrer
Stelle zu bewegen/ und wenn ſie ſich bedrenget ſehen/
ihr Pferd wenden/ das Creutz ihres Feindes zu ge-
winnen. Dieſes habe ich/ was die Paſſaden anbe-
langet/ anzeigen wollen.

Das 34. Capitel.
Das Mittel ein Pferd auf die Vol-
ten zuſetzen.

NUn iſt noch uͤbrig einem Reuter die Art und Wei-
ſe/ mit welcher man zu Wercke gehen mus/ ein
Pferd auff die Volten zu ſetzen und abzurichten/ wel-
ches man nennet von zweyen Umkreiſen/ und das
Creutz inwendig. Und ob ſchon mein Vorhaben im
Anfang nur allein war Regeln zum Kriege vorzuſtel-
len/ weil aber das Pferd ſchon ſo weit avanziret und
fortkommen iſt/ ſo wil ich dem Reuter zeigen/ wie er
koͤnne daſſelbige lehrẽ etliche Volten machen. Erſtlich
laſſet euer Pferd an die gewoͤhnlichen Ort der Reit-
ſchule fuͤhren/ allda laſſet es um einen Umkreiß her-
um gehen; gebt ihm aber keine Anlaß zum wuͤten oder
Unruhe/ und ſtellet euch auch keines Weges nicht als
wenn ihr es tummeln wollet. Wenn ihr es nun alſo
einige Zeit umher gefuͤhret/ ſo ſetzet ihm den Kopff an
die Seule/ und beweget es von einem Schenckel auff
den andern ſich zu heben/ und laſſet es vielmals die
verkehrte Volten machen/ hernach es von einer Sei-
ten zu der andern auff den vier Linien der Volte den
Kopff hinein kehren/ hiermit haltet ſo lange an/ als es
noͤthig iſt/ das Pferd darinnen gar gewiß zu machen/
und fuͤhret es einen Tag auff einen Umbkreiß/ den an-
dern laſſet ihn die verkehrte Volte machen/ und ein an-
dermahl laſſet es langs den vier Linien oder Winckeln
der Volta die Schenckel heben/ biß daß es gantz und
gar recht gehorchet.

Das 35. Capitel.

WEnn nun das Pferd geſchickt/ und zu dem/ was
obgemeldet/ wol abgerichtet iſt/ und mit Luſt und
recht gleich auff dem Umbkreiß umbher gehet/ und den
Sporen gar gerne gehorchet/ ſo wol dem einen als
dem andern/ auch den Kopff gegen die Seule/ als
langs den vier Linien der Volta haͤlt/ ſo laſſet es zwi-
ſchen zwo Seulen mit dem Kappzaum von Seilern
anbinden; wenn dieſes nun geſchehen/ ſo thut eure
Schuldigkeit/ daß es ſich vornen zu unterſchiedlichen
mahlen auffhebe. Und ſo es euch williglich und oh-
ne Unruhe gehorchet/ ſo laſſet jemanden darauf ſitzen/
der es zu unterſchiedlichen mahlen von einem Fuß auf
den andern leite/ und treibe es nicht allzu ſtarck an.
Hier auff laſſet ihm gar gute Wort geben/ etwas Heu
reichen/ und ein wenig darnach hinter ſich ziehen und
vor ſich ſchieſſen/ ſo viel immer die Seiler des Kapp-
zaums zulaſſen werden. Welches ihr fuͤnff oder
ſechsmahl mit groſſer Gelindigkeit und Sachtigkeit
der Hand und Gleichheit der beyden Waden der
Schenckeln wiederholen ſollet/ biß daß es dieſes thue/
und mit Luſt und guten Willen gehorche. Wenn
[Spaltenumbruch] dieſes alſo geſchicht/ ſo ſprecht ihm freundlich zu/ und
ſchicket es nach dem Stall/ und thut ihm darbey et-
was zu gut.

Aber am erſten Tage eurer Arbeit thut euren muͤg-
lichſten Fleiß/ wenn es zwiſchen den Seulen iſt/ daß
es ein wenig uͤber die Hancken nachſetzen moͤge: wenn
es ſich nun darzu bereitet/ und drey oder vier Courbet-
ten
machet/ ſo gebt ihm treffliche gute Wort/ reichet
ihm Brodt/ und laſſet es gar wol verſchnauben/ und
gebt ihm zu verſtehen/ daß es euch vergnuͤget habe/ und
laſſet es alſo in dieſer guten humeur; Mercket unter-
deſſen/ daß dieſe erſten lectiones zu keinem anderen
Ende zielen/ als es zu gewehnen/ und zu lehren/ daß es
leicht und willig in die Seile des Kappzaums ſich ge-
be/ und allda ohne Ungedult und ohne Unruhe gehor-
che; Solcher Geſtalt muͤſſet ihr alle Tage eure Ar-
beit thun/ biß es euch ſo viel Courbetten machet als
ihr begehret. Lernet noch zum andern/ daß alle dieſe
Art und Weiſe zu handeln/ anders nicht iſt/ als das
Pferd gehorſam/ geſchickt/ und willig zu machen/ daß
es leichtlich das tempo der Volten machen koͤnne.

Das 36. Capitel.

WEnn ihr nun obgemeldtes von den guten Wil-
len und Gedaͤchtniß eures Pferdes werdet erhal-
ten/ in ſo viel Zeit/ die ihr zur Gewißheit der Wiſſen-
ſchafft in allen dieſen Lectionen haben muͤſſet/ ſo ziehet
es von den Seulen oder Pfeilern heraus/ und laſſet
ihm den kleinen runden Kappzaum anlegen/ und fuͤh-
ret es an den Ort der Reit-Schule/ allda laſſet es lan-
ge Zeit hin und her gehen und in einem Umbkreiß/ als
ich ſchon geſagt habe/ und laſſet bey einer jedweden Ek-
ken oder Winckel der Volte es ſich ſaͤnfftiglich vor-
nen auffheben/ wie ich euch bereits zwiſchen den Pfei-
lern zu thun gelehret: ſo es euch gehorchet/ ſo ſprecht
ihm gar freundlich zu/ und alsbald darauff ſetzet euren
Weg fort/ nachdem ihr es zwey oder dreymahl hinter
ſich gezogen/ hernach fuͤhret es biß zu dem andern
Winckel oder Ecken der Volte/ allda thut eben wie-
der alſo/ wie oben/ und fahret mit dieſer Lection fort/
biß ihr die vier Ecken oder Winckel der Volta paſſiret
ſeyd/ und continuiret dieſe lectiones eine nach der an-
dern/ bald zur rechten/ und bald zur lincken/ wechſelt
alſo die Hand ab/ ziehet es hinter ſich/ hernach vor ſich/
und laſſet es unauffhoͤrlich an jedem Ende oder Aus-
gang der Linien ſich auffhebẽ/ biß es ſolches gar leichte
thue. Wenn nun das Pferd dahin gebracht wor-
den/ als ihr vernommen habt/ und ihr in der Hand-
lung gar wohl fortkommen/ ſo muͤſt ihr ihm gar
freundlich zuſprechen/ etwas Brodt darreichen/ und
nachdem es wol verſchnaubet/ wieder nach dem Stall
bringen laſſen.

Am erſten Tage eurer Ubung/ nachdem ihr es lang
auff den vier Linien der Volte herum gehen laſſen/
wenn ihr vermercket/ daß es einen Schmack und Luſt
darzu gewonnen/ ſo machet euch ein wenig ſchwerer
oder ſtaͤrcker als gewoͤhnlich/ und ſetzet euch feſter und
ſteiffer in den Stegereiff/ wendet gantz ſaͤnfftiglich die
Fauſt gegen die rechte Hand/ und fuͤhret es auff der
Linie/ welche nach der rechten Seiten gehet/ hernach
gebt ihm ſaͤnfftiglich den lincken Schenckel/ alſo daß

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[359/0411] Pferde-Schatz. ſchickligkeit nicht ſo gar zu verlaſſen haben; die koͤn- den ihre Widerpart erwarten/ ohne ſich von ihrer Stelle zu bewegen/ und wenn ſie ſich bedrenget ſehen/ ihr Pferd wenden/ das Creutz ihres Feindes zu ge- winnen. Dieſes habe ich/ was die Paſſaden anbe- langet/ anzeigen wollen. Das 34. Capitel. Das Mittel ein Pferd auf die Vol- ten zuſetzen. NUn iſt noch uͤbrig einem Reuter die Art und Wei- ſe/ mit welcher man zu Wercke gehen mus/ ein Pferd auff die Volten zu ſetzen und abzurichten/ wel- ches man nennet von zweyen Umkreiſen/ und das Creutz inwendig. Und ob ſchon mein Vorhaben im Anfang nur allein war Regeln zum Kriege vorzuſtel- len/ weil aber das Pferd ſchon ſo weit avanziret und fortkommen iſt/ ſo wil ich dem Reuter zeigen/ wie er koͤnne daſſelbige lehrẽ etliche Volten machen. Erſtlich laſſet euer Pferd an die gewoͤhnlichen Ort der Reit- ſchule fuͤhren/ allda laſſet es um einen Umkreiß her- um gehen; gebt ihm aber keine Anlaß zum wuͤten oder Unruhe/ und ſtellet euch auch keines Weges nicht als wenn ihr es tummeln wollet. Wenn ihr es nun alſo einige Zeit umher gefuͤhret/ ſo ſetzet ihm den Kopff an die Seule/ und beweget es von einem Schenckel auff den andern ſich zu heben/ und laſſet es vielmals die verkehrte Volten machen/ hernach es von einer Sei- ten zu der andern auff den vier Linien der Volte den Kopff hinein kehren/ hiermit haltet ſo lange an/ als es noͤthig iſt/ das Pferd darinnen gar gewiß zu machen/ und fuͤhret es einen Tag auff einen Umbkreiß/ den an- dern laſſet ihn die verkehrte Volte machen/ und ein an- dermahl laſſet es langs den vier Linien oder Winckeln der Volta die Schenckel heben/ biß daß es gantz und gar recht gehorchet. Das 35. Capitel. WEnn nun das Pferd geſchickt/ und zu dem/ was obgemeldet/ wol abgerichtet iſt/ und mit Luſt und recht gleich auff dem Umbkreiß umbher gehet/ und den Sporen gar gerne gehorchet/ ſo wol dem einen als dem andern/ auch den Kopff gegen die Seule/ als langs den vier Linien der Volta haͤlt/ ſo laſſet es zwi- ſchen zwo Seulen mit dem Kappzaum von Seilern anbinden; wenn dieſes nun geſchehen/ ſo thut eure Schuldigkeit/ daß es ſich vornen zu unterſchiedlichen mahlen auffhebe. Und ſo es euch williglich und oh- ne Unruhe gehorchet/ ſo laſſet jemanden darauf ſitzen/ der es zu unterſchiedlichen mahlen von einem Fuß auf den andern leite/ und treibe es nicht allzu ſtarck an. Hier auff laſſet ihm gar gute Wort geben/ etwas Heu reichen/ und ein wenig darnach hinter ſich ziehen und vor ſich ſchieſſen/ ſo viel immer die Seiler des Kapp- zaums zulaſſen werden. Welches ihr fuͤnff oder ſechsmahl mit groſſer Gelindigkeit und Sachtigkeit der Hand und Gleichheit der beyden Waden der Schenckeln wiederholen ſollet/ biß daß es dieſes thue/ und mit Luſt und guten Willen gehorche. Wenn dieſes alſo geſchicht/ ſo ſprecht ihm freundlich zu/ und ſchicket es nach dem Stall/ und thut ihm darbey et- was zu gut. Aber am erſten Tage eurer Arbeit thut euren muͤg- lichſten Fleiß/ wenn es zwiſchen den Seulen iſt/ daß es ein wenig uͤber die Hancken nachſetzen moͤge: wenn es ſich nun darzu bereitet/ und drey oder vier Courbet- ten machet/ ſo gebt ihm treffliche gute Wort/ reichet ihm Brodt/ und laſſet es gar wol verſchnauben/ und gebt ihm zu verſtehen/ daß es euch vergnuͤget habe/ und laſſet es alſo in dieſer guten humeur; Mercket unter- deſſen/ daß dieſe erſten lectiones zu keinem anderen Ende zielen/ als es zu gewehnen/ und zu lehren/ daß es leicht und willig in die Seile des Kappzaums ſich ge- be/ und allda ohne Ungedult und ohne Unruhe gehor- che; Solcher Geſtalt muͤſſet ihr alle Tage eure Ar- beit thun/ biß es euch ſo viel Courbetten machet als ihr begehret. Lernet noch zum andern/ daß alle dieſe Art und Weiſe zu handeln/ anders nicht iſt/ als das Pferd gehorſam/ geſchickt/ und willig zu machen/ daß es leichtlich das tempo der Volten machen koͤnne. Das 36. Capitel. WEnn ihr nun obgemeldtes von den guten Wil- len und Gedaͤchtniß eures Pferdes werdet erhal- ten/ in ſo viel Zeit/ die ihr zur Gewißheit der Wiſſen- ſchafft in allen dieſen Lectionen haben muͤſſet/ ſo ziehet es von den Seulen oder Pfeilern heraus/ und laſſet ihm den kleinen runden Kappzaum anlegen/ und fuͤh- ret es an den Ort der Reit-Schule/ allda laſſet es lan- ge Zeit hin und her gehen und in einem Umbkreiß/ als ich ſchon geſagt habe/ und laſſet bey einer jedweden Ek- ken oder Winckel der Volte es ſich ſaͤnfftiglich vor- nen auffheben/ wie ich euch bereits zwiſchen den Pfei- lern zu thun gelehret: ſo es euch gehorchet/ ſo ſprecht ihm gar freundlich zu/ und alsbald darauff ſetzet euren Weg fort/ nachdem ihr es zwey oder dreymahl hinter ſich gezogen/ hernach fuͤhret es biß zu dem andern Winckel oder Ecken der Volte/ allda thut eben wie- der alſo/ wie oben/ und fahret mit dieſer Lection fort/ biß ihr die vier Ecken oder Winckel der Volta paſſiret ſeyd/ und continuiret dieſe lectiones eine nach der an- dern/ bald zur rechten/ und bald zur lincken/ wechſelt alſo die Hand ab/ ziehet es hinter ſich/ hernach vor ſich/ und laſſet es unauffhoͤrlich an jedem Ende oder Aus- gang der Linien ſich auffhebẽ/ biß es ſolches gar leichte thue. Wenn nun das Pferd dahin gebracht wor- den/ als ihr vernommen habt/ und ihr in der Hand- lung gar wohl fortkommen/ ſo muͤſt ihr ihm gar freundlich zuſprechen/ etwas Brodt darreichen/ und nachdem es wol verſchnaubet/ wieder nach dem Stall bringen laſſen. Am erſten Tage eurer Ubung/ nachdem ihr es lang auff den vier Linien der Volte herum gehen laſſen/ wenn ihr vermercket/ daß es einen Schmack und Luſt darzu gewonnen/ ſo machet euch ein wenig ſchwerer oder ſtaͤrcker als gewoͤhnlich/ und ſetzet euch feſter und ſteiffer in den Stegereiff/ wendet gantz ſaͤnfftiglich die Fauſt gegen die rechte Hand/ und fuͤhret es auff der Linie/ welche nach der rechten Seiten gehet/ hernach gebt ihm ſaͤnfftiglich den lincken Schenckel/ alſo daß die

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Zitationshilfe: Pinter von der Au, Johann Christoph: Neuer, vollkommener, verbesserter und ergänzter Pferd-Schatz. Frankfurt (Main), 1688, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pinter_pferdschatz_1688/411>, abgerufen am 24.11.2024.