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Pinter von der Au, Johann Christoph: Neuer, vollkommener, verbesserter und ergänzter Pferd-Schatz. Frankfurt (Main), 1688.

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Neuer vollkommener
[Spaltenumbruch] auff einer Linie passire und rapassire/ und nicht aus
dem Wege oder Fußstapffen trette/ und vor sich und
in die Runde in seiner Wendung so richtig gehe/ daß
es/ nachdem es diese drey tempo in Acht genommen/
und seine Passaden auff eben der Linie gemacht/ durch
welche es zu gehen angefangen/ dergestalt/ daß die
Schultern den Hancken und die Hancken den
Schulter entgegen gesetzet werden/ und solche mit glei-
cher Stärcke/ Cadentz/ Krafft/ und Gleichheit der
tempo und Höhe/ und willigem Maule/ mit War-
nehmung/ daß alle tempo gleich und von einerley
Höhe/ und nebenst seiner Schule zwo oder drey cour-
bett
en mache und zu rechter Zeit aufhalte. Und dieses
ist auch nicht genug/ sondern es ist auch allerdings
nöhtig/ daß ein Reuter so viel Grund in seiner Kunst
und genugsame Wissenschafft/ Verstand und richti-
ge Maaß habe/ daß er solche sein Pferd könne lassen
ins Werck setzen. Welches mich denn verbindet
euch zu erinnern/ diese lection wol zu lernen/ und die-
selbige offt zu üben/ und den Pferden beyzubringen/
derer ihr euch im Kriege oder besonderer Schlägerey
zu gebrauchen willens/ damit ihr solcher im Fall der
Noth euch bedienen könnet.

Das 31. Capitel.

ES ist noch eine andere passade oder Gattung die
Pferde zu wenden/ welche man die halbe Volte
nennet/ oder die passade von vier tempo, welche mei-
nes Erachtens ein Reuter lernen soll/ ob sie schon
nicht so gar nöhtig im Kriege ist/ noch in besonderer
Schlägerey/ ich befinde aber diese Art sehr fürtrefflich
zu Erleichterung der Mittel den Pferden die warhaff-
ten passaden von drey tempo zu lehren/ sintemal die
Pferde/ wenn sie sich beschweret befinden/ indem sie
nur drey tempo machen sollen/ ungedultig werden
wegen des Schmertzens/ denn sie in den Hancken
empfinden/ und durch diese Furcht/ weil sie sowol
hierinnen noch nicht geübet sind/ als die/ welche die-
sen Mangel an ihren Pferden erkennen/ so auß Man-
gel der Stärcke/ der Hurtigkeit/ Geschicklichkeit oder
Gewonheit herrühret; so rathe ich ihnen/ daß sie die-
selben biß zu vier oder fünff tempo im Wenden thun
lassen/ damit sie solche gewöhnen/ auff daß sie sich
nicht streben/ und der Faust deß Zaums und der Hand
zu gehorchen wegern/ wenn sie nur darmit ihre passa-
den/
oder vielmehr halbe Volten schliessen und das
Creutz nicht außweichet/ sondern allemal auff dersel-
ben Linie wieder umkehren/ wie ich in den passaden von
dreyen tempo gemeldet/ damit sie auff eben der Linie
wieder fortgehen/ und sich so recht gerade zu dem En-
de derselbigen wenden/ als ich hier oben gelehret ha-
be: Und sie also durch das Abwechseln von einer Hand
zur andern/ und daß man ihnen vermittelst des Platzes
und Raums Erleichterung gibt/ gewöhne/ wol zu
wenden und der Faust mit dem Zaum zu gehorchen/
um also endlich zu den justen passaden zu gelangen.

Das 32. Capitel.
Von den Passaden von einer Hand
zu der andern.
[Spaltenumbruch]

WEr das meiste recht kan/ der kan auch das gerin-
gere/ welches mich denn veranlasset zu setzen
und zu handlen von der Art der letzten passade ohne
zweyen/ ob sie schon die allerleichteste ist zu verrichten/
so ist sie doch sehr nothwendig im Kriege/ und sehr
nützlich die Pferde im Felde zu erlustigen; und sie so-
wol in der Schule/ als in der Ubung und bey dem A-
them zu erhalten/ und einen schönen Gallopp machen
zu lassen.

Man nennet sie| passade von einer Hand zur an-
dern/ weil nichts als die Hand bey dieser Art Schule
das ihre thun muß; man muß nur Acht darauff ha-
ben/ daß das Pferd sich wol unire/ und allezeit auf gu-
tem Fuß sey/ und nur eine Hancke hineinwarts habe/
damit es nicht in Gefahr sey nieder zu sincken/ wenn
der Reuter die Hand wechseln/ wenden/ oder ca-
racolle
machen wil. Solches nennet man die Pferde
wenden mit dem Maul und Sporen/ welche niemals
auff der Reitschule zu geritten worden/ und geschicht
nur bloß mit ihrem guten Willen/ worzu man sich kei-
ner andern Hülffe/ als der Hand/ gebrauchet/ und
sie drehet oder tummelt nach eigenem Gefallen dessen/
der darauff sitzet. Sie wird auch genennet passade von
einer Hand zur andern/ dieweil das Pferd allezeit
von einer Hand zur andern geführet/ und geleitet
wird/ es sey im wenden oder im tummlen.

Das 33. Capitel.
Von den Pirouetten oder Umdre-
hungen.

DIe pirouetten oder halben passaden von einem
tempo ist eine lection oder Schule von grosser
Hurtigkeit/ Behendigkeit und Geschickligkeit/
worzu die stete Gewonheit sehr nöhtig ist/ nebenst
der Geschicklichkeit des Bereuters/ welcher durch
diese Art der Schule sehen lässet/ sowol die gute Lehr-
Art als seine Wissenschafft. Und muß über dem al-
len/ was ich bereits gesagt/ ein Pferd ein gut Maul/
grosse Willfährtigkeit/ viel Hurtigkeit und Geschwin-
digkeit nebenst der Geschicklichkeit haben.

Mit einem Wort/ es sind die halben Wendungen
von einem Tempo umb das Creutz zu gewinnen: das
Wort Pirouette kommt her von dem Wort/ Pivot,
oder Angel/ also wenn das Pferd sich auff diese Wei-
se wendet/ solte man glauben/ daß all sein hinteres
Theil ein warhafftiger Angel sey/ auff welchen es sich
drehet mit sothaner Hurtigkeit und so wenigem Platz/
daß es fast unglaublich ist. Es sind zwo Gattun-
gen der Pirouetten, eine geschicht mit dem Kopff und
Schultern/ mit dem Kopffe zu dem Schweiff und
die Hancken auswerts; Aber die schöne und war-
hafftige Pirouette ist/ welche mit einem Tempo wen-
det/ und das Creutz allemahl binnen den Schultern
bleibet/ indem es eine mittelmässige Tour machet und
die Hancken der Tour in einem kleinen Punctfolgen.
Diese Schule ist schön und fürtrefflich/ es werden aber
wenig Pferde gefunden/ die sie recht machen/
wegen der (darzu gehörigen) Eigenschafften/ die nur
gar selten angetroffen werden.

Sie sind sehr dienlich denen/ die sich auff ihre Ge-

schick-

Neuer vollkommener
[Spaltenumbruch] auff einer Linie paſſire und rapaſſire/ und nicht aus
dem Wege oder Fußſtapffen trette/ und vor ſich und
in die Runde in ſeiner Wendung ſo richtig gehe/ daß
es/ nachdem es dieſe drey tempo in Acht genommen/
und ſeine Paſſaden auff eben der Linie gemacht/ durch
welche es zu gehen angefangen/ dergeſtalt/ daß die
Schultern den Hancken und die Hancken den
Schulter entgegen geſetzet werden/ uñ ſolche mit glei-
cher Staͤrcke/ Cadentz/ Krafft/ und Gleichheit der
tempo und Hoͤhe/ und willigem Maule/ mit War-
nehmung/ daß alle tempo gleich und von einerley
Hoͤhe/ und nebenſt ſeiner Schule zwo oder drey cour-
bett
en mache und zu rechter Zeit aufhalte. Und dieſes
iſt auch nicht genug/ ſondern es iſt auch allerdings
noͤhtig/ daß ein Reuter ſo viel Grund in ſeiner Kunſt
und genugſame Wiſſenſchafft/ Verſtand und richti-
ge Maaß habe/ daß er ſolche ſein Pferd koͤnne laſſen
ins Werck ſetzen. Welches mich denn verbindet
euch zu erinnern/ dieſe lection wol zu lernen/ und die-
ſelbige offt zu uͤben/ und den Pferden beyzubringen/
derer ihr euch im Kriege oder beſonderer Schlaͤgerey
zu gebrauchen willens/ damit ihr ſolcher im Fall der
Noth euch bedienen koͤnnet.

Das 31. Capitel.

ES iſt noch eine andere paſſade oder Gattung die
Pferde zu wenden/ welche man die halbe Volte
nennet/ oder die paſſade von vier tempo, welche mei-
nes Erachtens ein Reuter lernen ſoll/ ob ſie ſchon
nicht ſo gar noͤhtig im Kriege iſt/ noch in beſonderer
Schlaͤgerey/ ich befinde aber dieſe Art ſehr fuͤrtrefflich
zu Erleichterung der Mittel den Pferden die warhaff-
ten paſſaden von drey tempo zu lehren/ ſintemal die
Pferde/ wenn ſie ſich beſchweret befinden/ indem ſie
nur drey tempo machen ſollen/ ungedultig werden
wegen des Schmertzens/ denn ſie in den Hancken
empfinden/ und durch dieſe Furcht/ weil ſie ſowol
hierinnen noch nicht geuͤbet ſind/ als die/ welche die-
ſen Mangel an ihren Pferden erkennen/ ſo auß Man-
gel der Staͤrcke/ der Hurtigkeit/ Geſchicklichkeit oder
Gewonheit herruͤhret; ſo rathe ich ihnen/ daß ſie die-
ſelben biß zu vier oder fuͤnff tempo im Wenden thun
laſſen/ damit ſie ſolche gewoͤhnen/ auff daß ſie ſich
nicht ſtreben/ und der Fauſt deß Zaums und der Hand
zu gehorchen wegern/ wenn ſie nur darmit ihre paſſa-
den/
oder vielmehr halbe Volten ſchlieſſen und das
Creutz nicht außweichet/ ſondern allemal auff derſel-
ben Linie wieder umkehren/ wie ich in den paſſaden von
dreyen tempo gemeldet/ damit ſie auff eben der Linie
wieder fortgehen/ und ſich ſo recht gerade zu dem En-
de derſelbigen wenden/ als ich hier oben gelehret ha-
be: Und ſie alſo durch das Abwechſeln von einer Hand
zur andern/ und daß man ihnen vermittelſt des Platzes
und Raums Erleichterung gibt/ gewoͤhne/ wol zu
wenden und der Fauſt mit dem Zaum zu gehorchen/
um alſo endlich zu den juſten paſſaden zu gelangen.

Das 32. Capitel.
Von den Paſſaden von einer Hand
zu der andern.
[Spaltenumbruch]

WEr das meiſte recht kan/ der kan auch das gerin-
gere/ welches mich denn veranlaſſet zu ſetzen
und zu handlen von der Art der letzten paſſade ohne
zweyen/ ob ſie ſchon die allerleichteſte iſt zu verrichten/
ſo iſt ſie doch ſehr nothwendig im Kriege/ und ſehr
nuͤtzlich die Pferde im Felde zu erluſtigen; und ſie ſo-
wol in der Schule/ als in der Ubung und bey dem A-
them zu erhalten/ und einen ſchoͤnen Gallopp machen
zu laſſen.

Man nennet ſie| paſſade von einer Hand zur an-
dern/ weil nichts als die Hand bey dieſer Art Schule
das ihre thun muß; man muß nur Acht darauff ha-
ben/ daß das Pferd ſich wol unire/ und allezeit auf gu-
tem Fuß ſey/ und nur eine Hancke hineinwarts habe/
damit es nicht in Gefahr ſey nieder zu ſincken/ wenn
der Reuter die Hand wechſeln/ wenden/ oder ca-
racolle
machen wil. Solches nennet man die Pferde
wenden mit dem Maul und Sporen/ welche niemals
auff der Reitſchule zu geritten worden/ und geſchicht
nur bloß mit ihrem guten Willen/ worzu man ſich kei-
ner andern Huͤlffe/ als der Hand/ gebrauchet/ und
ſie drehet oder tummelt nach eigenem Gefallen deſſen/
der darauff ſitzet. Sie wird auch genennet paſſade von
einer Hand zur andern/ dieweil das Pferd allezeit
von einer Hand zur andern gefuͤhret/ und geleitet
wird/ es ſey im wenden oder im tummlen.

Das 33. Capitel.
Von den Pirouetten oder Umdre-
hungen.

DIe pirouetten oder halben paſſaden von einem
tempo iſt eine lection oder Schule von groſſer
Hurtigkeit/ Behendigkeit und Geſchickligkeit/
worzu die ſtete Gewonheit ſehr noͤhtig iſt/ nebenſt
der Geſchicklichkeit des Bereuters/ welcher durch
dieſe Art der Schule ſehen laͤſſet/ ſowol die gute Lehr-
Art als ſeine Wiſſenſchafft. Und muß uͤber dem al-
len/ was ich bereits geſagt/ ein Pferd ein gut Maul/
groſſe Willfaͤhrtigkeit/ viel Hurtigkeit und Geſchwin-
digkeit nebenſt der Geſchicklichkeit haben.

Mit einem Wort/ es ſind die halben Wendungen
von einem Tempo umb das Creutz zu gewinnen: das
Wort Pirouette kommt her von dem Wort/ Pivot,
oder Angel/ alſo wenn das Pferd ſich auff dieſe Wei-
ſe wendet/ ſolte man glauben/ daß all ſein hinteres
Theil ein warhafftiger Angel ſey/ auff welchen es ſich
drehet mit ſothaner Hurtigkeit und ſo wenigem Platz/
daß es faſt unglaublich iſt. Es ſind zwo Gattun-
gen der Pirouetten, eine geſchicht mit dem Kopff und
Schultern/ mit dem Kopffe zu dem Schweiff und
die Hancken auswerts; Aber die ſchoͤne und war-
hafftige Pirouette iſt/ welche mit einem Tempo wen-
det/ und das Creutz allemahl binnen den Schultern
bleibet/ indem es eine mittelmaͤſſige Tour machet und
die Hancken der Tour in einem kleinen Punctfolgen.
Dieſe Schule iſt ſchoͤn und fuͤrtrefflich/ es werden aber
wenig Pferde gefunden/ die ſie recht machen/
wegen der (darzu gehoͤrigen) Eigenſchafften/ die nur
gar ſelten angetroffen werden.

Sie ſind ſehr dienlich denen/ die ſich auff ihre Ge-

ſchick-
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[358/0410] Neuer vollkommener auff einer Linie paſſire und rapaſſire/ und nicht aus dem Wege oder Fußſtapffen trette/ und vor ſich und in die Runde in ſeiner Wendung ſo richtig gehe/ daß es/ nachdem es dieſe drey tempo in Acht genommen/ und ſeine Paſſaden auff eben der Linie gemacht/ durch welche es zu gehen angefangen/ dergeſtalt/ daß die Schultern den Hancken und die Hancken den Schulter entgegen geſetzet werden/ uñ ſolche mit glei- cher Staͤrcke/ Cadentz/ Krafft/ und Gleichheit der tempo und Hoͤhe/ und willigem Maule/ mit War- nehmung/ daß alle tempo gleich und von einerley Hoͤhe/ und nebenſt ſeiner Schule zwo oder drey cour- betten mache und zu rechter Zeit aufhalte. Und dieſes iſt auch nicht genug/ ſondern es iſt auch allerdings noͤhtig/ daß ein Reuter ſo viel Grund in ſeiner Kunſt und genugſame Wiſſenſchafft/ Verſtand und richti- ge Maaß habe/ daß er ſolche ſein Pferd koͤnne laſſen ins Werck ſetzen. Welches mich denn verbindet euch zu erinnern/ dieſe lection wol zu lernen/ und die- ſelbige offt zu uͤben/ und den Pferden beyzubringen/ derer ihr euch im Kriege oder beſonderer Schlaͤgerey zu gebrauchen willens/ damit ihr ſolcher im Fall der Noth euch bedienen koͤnnet. Das 31. Capitel. ES iſt noch eine andere paſſade oder Gattung die Pferde zu wenden/ welche man die halbe Volte nennet/ oder die paſſade von vier tempo, welche mei- nes Erachtens ein Reuter lernen ſoll/ ob ſie ſchon nicht ſo gar noͤhtig im Kriege iſt/ noch in beſonderer Schlaͤgerey/ ich befinde aber dieſe Art ſehr fuͤrtrefflich zu Erleichterung der Mittel den Pferden die warhaff- ten paſſaden von drey tempo zu lehren/ ſintemal die Pferde/ wenn ſie ſich beſchweret befinden/ indem ſie nur drey tempo machen ſollen/ ungedultig werden wegen des Schmertzens/ denn ſie in den Hancken empfinden/ und durch dieſe Furcht/ weil ſie ſowol hierinnen noch nicht geuͤbet ſind/ als die/ welche die- ſen Mangel an ihren Pferden erkennen/ ſo auß Man- gel der Staͤrcke/ der Hurtigkeit/ Geſchicklichkeit oder Gewonheit herruͤhret; ſo rathe ich ihnen/ daß ſie die- ſelben biß zu vier oder fuͤnff tempo im Wenden thun laſſen/ damit ſie ſolche gewoͤhnen/ auff daß ſie ſich nicht ſtreben/ und der Fauſt deß Zaums und der Hand zu gehorchen wegern/ wenn ſie nur darmit ihre paſſa- den/ oder vielmehr halbe Volten ſchlieſſen und das Creutz nicht außweichet/ ſondern allemal auff derſel- ben Linie wieder umkehren/ wie ich in den paſſaden von dreyen tempo gemeldet/ damit ſie auff eben der Linie wieder fortgehen/ und ſich ſo recht gerade zu dem En- de derſelbigen wenden/ als ich hier oben gelehret ha- be: Und ſie alſo durch das Abwechſeln von einer Hand zur andern/ und daß man ihnen vermittelſt des Platzes und Raums Erleichterung gibt/ gewoͤhne/ wol zu wenden und der Fauſt mit dem Zaum zu gehorchen/ um alſo endlich zu den juſten paſſaden zu gelangen. Das 32. Capitel. Von den Paſſaden von einer Hand zu der andern. WEr das meiſte recht kan/ der kan auch das gerin- gere/ welches mich denn veranlaſſet zu ſetzen und zu handlen von der Art der letzten paſſade ohne zweyen/ ob ſie ſchon die allerleichteſte iſt zu verrichten/ ſo iſt ſie doch ſehr nothwendig im Kriege/ und ſehr nuͤtzlich die Pferde im Felde zu erluſtigen; und ſie ſo- wol in der Schule/ als in der Ubung und bey dem A- them zu erhalten/ und einen ſchoͤnen Gallopp machen zu laſſen. Man nennet ſie| paſſade von einer Hand zur an- dern/ weil nichts als die Hand bey dieſer Art Schule das ihre thun muß; man muß nur Acht darauff ha- ben/ daß das Pferd ſich wol unire/ und allezeit auf gu- tem Fuß ſey/ und nur eine Hancke hineinwarts habe/ damit es nicht in Gefahr ſey nieder zu ſincken/ wenn der Reuter die Hand wechſeln/ wenden/ oder ca- racolle machen wil. Solches nennet man die Pferde wenden mit dem Maul und Sporen/ welche niemals auff der Reitſchule zu geritten worden/ und geſchicht nur bloß mit ihrem guten Willen/ worzu man ſich kei- ner andern Huͤlffe/ als der Hand/ gebrauchet/ und ſie drehet oder tummelt nach eigenem Gefallen deſſen/ der darauff ſitzet. Sie wird auch genennet paſſade von einer Hand zur andern/ dieweil das Pferd allezeit von einer Hand zur andern gefuͤhret/ und geleitet wird/ es ſey im wenden oder im tummlen. Das 33. Capitel. Von den Pirouetten oder Umdre- hungen. DIe pirouetten oder halben paſſaden von einem tempo iſt eine lection oder Schule von groſſer Hurtigkeit/ Behendigkeit und Geſchickligkeit/ worzu die ſtete Gewonheit ſehr noͤhtig iſt/ nebenſt der Geſchicklichkeit des Bereuters/ welcher durch dieſe Art der Schule ſehen laͤſſet/ ſowol die gute Lehr- Art als ſeine Wiſſenſchafft. Und muß uͤber dem al- len/ was ich bereits geſagt/ ein Pferd ein gut Maul/ groſſe Willfaͤhrtigkeit/ viel Hurtigkeit und Geſchwin- digkeit nebenſt der Geſchicklichkeit haben. Mit einem Wort/ es ſind die halben Wendungen von einem Tempo umb das Creutz zu gewinnen: das Wort Pirouette kommt her von dem Wort/ Pivot, oder Angel/ alſo wenn das Pferd ſich auff dieſe Wei- ſe wendet/ ſolte man glauben/ daß all ſein hinteres Theil ein warhafftiger Angel ſey/ auff welchen es ſich drehet mit ſothaner Hurtigkeit und ſo wenigem Platz/ daß es faſt unglaublich iſt. Es ſind zwo Gattun- gen der Pirouetten, eine geſchicht mit dem Kopff und Schultern/ mit dem Kopffe zu dem Schweiff und die Hancken auswerts; Aber die ſchoͤne und war- hafftige Pirouette iſt/ welche mit einem Tempo wen- det/ und das Creutz allemahl binnen den Schultern bleibet/ indem es eine mittelmaͤſſige Tour machet und die Hancken der Tour in einem kleinen Punctfolgen. Dieſe Schule iſt ſchoͤn und fuͤrtrefflich/ es werden aber wenig Pferde gefunden/ die ſie recht machen/ wegen der (darzu gehoͤrigen) Eigenſchafften/ die nur gar ſelten angetroffen werden. Sie ſind ſehr dienlich denen/ die ſich auff ihre Ge- ſchick-

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Zitationshilfe: Pinter von der Au, Johann Christoph: Neuer, vollkommener, verbesserter und ergänzter Pferd-Schatz. Frankfurt (Main), 1688, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pinter_pferdschatz_1688/410>, abgerufen am 24.11.2024.