Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pischel, Richard: Gedächtnisrede auf Albrecht Weber. Berlin, 1903.

Bild:
<< vorherige Seite


Die Worte des Gedenkens, die ich nach altem Brauche heute hier Albrecht
Weber nachrufe, gelten nicht bloß meinem Vorgänger in der Akademie
und an der Universität. Fünf und vierzig Jahre lang hat Weber an ein-
flußreicher und verantwortlicher Stelle gestanden und nicht nur sachlich die
Entwicklung der indischen Philologie stark beeinflußt, sondern auch per-
sönlich weit über Deutschlands Grenzen hinaus in den Werdegang aller
jüngeren Sanskritisten eingegriffen, zum großen Teile ihn bestimmt. Mit
den meisten älteren Sanskritisten aller Länder verband ihn innige Freund-
schaft, was auf sein Urteil nicht immer ohne Einfluß geblieben ist. So
bedeutet eine Darstellung seines Lebens zugleich einen Rückblick auf die
Geschichte der von ihm vertretenen Wissenschaft während eines Zeitraumes
von mehr als einem halben Jahrhundert.

Albrecht Weber wurde geboren am 17. Februar 1825 zu Breslau, wo
sein Vater Professor der Nationalökonomie an der Universität war. Seine
Erziehung erhielt er in der Klosterschule Roßleben in Thüringen, die er
1842, erst 17 Jahre alt, verließ, um die Universität seiner Vaterstadt zu
beziehen. Seiner Neigung folgend, widmete er sich dem Studium der orien-
talischen Sprachen, vor allem dem des Sanskrit unter Stenzlers Leitung.
Sein Hang zur Vielseitigkeit, den später seine Arbeiten wiederspiegeln, tritt
gleich bei Beginn seines Studiums hervor. Neben Sanskrit hörte er auch
Vorlesungen über mehrere semitische Sprachen, klassische und neuere Philo-
logie, Geschichte, Philosophie und Naturwissenschaften. In gleichem Um-
fange betrieb er seine Studien in Bonn, wohin er sich 1844 begab. Dort
waren namentlich Lassen, Gildemeister und Ritschl seine Lehrer. Von
Bonn ging er 1845 für ein Semester nach Berlin, wo er besonders Bopp
hörte, und kehrte dann nach Breslau zurück. Hier erwarb er sich am
18. Dezember 1845 die Doktorwürde mit seiner Dissertation: "Yajurvedae

1*


Die Worte des Gedenkens, die ich nach altem Brauche heute hier Albrecht
Weber nachrufe, gelten nicht bloß meinem Vorgänger in der Akademie
und an der Universität. Fünf und vierzig Jahre lang hat Weber an ein-
flußreicher und verantwortlicher Stelle gestanden und nicht nur sachlich die
Entwicklung der indischen Philologie stark beeinflußt, sondern auch per-
sönlich weit über Deutschlands Grenzen hinaus in den Werdegang aller
jüngeren Sanskritisten eingegriffen, zum großen Teile ihn bestimmt. Mit
den meisten älteren Sanskritisten aller Länder verband ihn innige Freund-
schaft, was auf sein Urteil nicht immer ohne Einfluß geblieben ist. So
bedeutet eine Darstellung seines Lebens zugleich einen Rückblick auf die
Geschichte der von ihm vertretenen Wissenschaft während eines Zeitraumes
von mehr als einem halben Jahrhundert.

Albrecht Weber wurde geboren am 17. Februar 1825 zu Breslau, wo
sein Vater Professor der Nationalökonomie an der Universität war. Seine
Erziehung erhielt er in der Klosterschule Roßleben in Thüringen, die er
1842, erst 17 Jahre alt, verließ, um die Universität seiner Vaterstadt zu
beziehen. Seiner Neigung folgend, widmete er sich dem Studium der orien-
talischen Sprachen, vor allem dem des Sanskrit unter Stenzlers Leitung.
Sein Hang zur Vielseitigkeit, den später seine Arbeiten wiederspiegeln, tritt
gleich bei Beginn seines Studiums hervor. Neben Sanskrit hörte er auch
Vorlesungen über mehrere semitische Sprachen, klassische und neuere Philo-
logie, Geschichte, Philosophie und Naturwissenschaften. In gleichem Um-
fange betrieb er seine Studien in Bonn, wohin er sich 1844 begab. Dort
waren namentlich Lassen, Gildemeister und Ritschl seine Lehrer. Von
Bonn ging er 1845 für ein Semester nach Berlin, wo er besonders Bopp
hörte, und kehrte dann nach Breslau zurück. Hier erwarb er sich am
18. Dezember 1845 die Doktorwürde mit seiner Dissertation: »Yajurvedae

1*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0005" n="3"/>
      <div>
        <p><lb/><hi rendition="#in">D</hi>ie Worte des Gedenkens, die ich nach altem Brauche heute hier Albrecht<lb/>
Weber nachrufe, gelten nicht bloß meinem Vorgänger in der Akademie<lb/>
und an der Universität. Fünf und vierzig Jahre lang hat Weber an ein-<lb/>
flußreicher und verantwortlicher Stelle gestanden und nicht nur sachlich die<lb/>
Entwicklung der indischen Philologie stark beeinflußt, sondern auch per-<lb/>
sönlich weit über Deutschlands Grenzen hinaus in den Werdegang aller<lb/>
jüngeren Sanskritisten eingegriffen, zum großen Teile ihn bestimmt. Mit<lb/>
den meisten älteren Sanskritisten aller Länder verband ihn innige Freund-<lb/>
schaft, was auf sein Urteil nicht immer ohne Einfluß geblieben ist. So<lb/>
bedeutet eine Darstellung seines Lebens zugleich einen Rückblick auf die<lb/>
Geschichte der von ihm vertretenen Wissenschaft während eines Zeitraumes<lb/>
von mehr als einem halben Jahrhundert.</p><lb/>
        <p>  Albrecht Weber wurde geboren am 17. Februar 1825 zu Breslau, wo<lb/>
sein Vater Professor der Nationalökonomie an der Universität war. Seine<lb/>
Erziehung erhielt er in der Klosterschule Roßleben in Thüringen, die er<lb/>
1842, erst 17 Jahre alt, verließ, um die Universität seiner Vaterstadt zu<lb/>
beziehen. Seiner Neigung folgend, widmete er sich dem Studium der orien-<lb/>
talischen Sprachen, vor allem dem des Sanskrit unter Stenzlers Leitung.<lb/>
Sein Hang zur Vielseitigkeit, den später seine Arbeiten wiederspiegeln, tritt<lb/>
gleich bei Beginn seines Studiums hervor. Neben Sanskrit hörte er auch<lb/>
Vorlesungen über mehrere semitische Sprachen, klassische und neuere Philo-<lb/>
logie, Geschichte, Philosophie und Naturwissenschaften. In gleichem Um-<lb/>
fange betrieb er seine Studien in Bonn, wohin er sich 1844 begab. Dort<lb/>
waren namentlich Lassen, Gildemeister und Ritschl seine Lehrer. Von<lb/>
Bonn ging er 1845 für ein Semester nach Berlin, wo er besonders Bopp<lb/>
hörte, und kehrte dann nach Breslau zurück. Hier erwarb er sich am<lb/>
18. Dezember 1845 die Doktorwürde mit seiner Dissertation: »Yajurvedae<lb/>
<fw type="sig" place="bottom">1*</fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[3/0005] Die Worte des Gedenkens, die ich nach altem Brauche heute hier Albrecht Weber nachrufe, gelten nicht bloß meinem Vorgänger in der Akademie und an der Universität. Fünf und vierzig Jahre lang hat Weber an ein- flußreicher und verantwortlicher Stelle gestanden und nicht nur sachlich die Entwicklung der indischen Philologie stark beeinflußt, sondern auch per- sönlich weit über Deutschlands Grenzen hinaus in den Werdegang aller jüngeren Sanskritisten eingegriffen, zum großen Teile ihn bestimmt. Mit den meisten älteren Sanskritisten aller Länder verband ihn innige Freund- schaft, was auf sein Urteil nicht immer ohne Einfluß geblieben ist. So bedeutet eine Darstellung seines Lebens zugleich einen Rückblick auf die Geschichte der von ihm vertretenen Wissenschaft während eines Zeitraumes von mehr als einem halben Jahrhundert. Albrecht Weber wurde geboren am 17. Februar 1825 zu Breslau, wo sein Vater Professor der Nationalökonomie an der Universität war. Seine Erziehung erhielt er in der Klosterschule Roßleben in Thüringen, die er 1842, erst 17 Jahre alt, verließ, um die Universität seiner Vaterstadt zu beziehen. Seiner Neigung folgend, widmete er sich dem Studium der orien- talischen Sprachen, vor allem dem des Sanskrit unter Stenzlers Leitung. Sein Hang zur Vielseitigkeit, den später seine Arbeiten wiederspiegeln, tritt gleich bei Beginn seines Studiums hervor. Neben Sanskrit hörte er auch Vorlesungen über mehrere semitische Sprachen, klassische und neuere Philo- logie, Geschichte, Philosophie und Naturwissenschaften. In gleichem Um- fange betrieb er seine Studien in Bonn, wohin er sich 1844 begab. Dort waren namentlich Lassen, Gildemeister und Ritschl seine Lehrer. Von Bonn ging er 1845 für ein Semester nach Berlin, wo er besonders Bopp hörte, und kehrte dann nach Breslau zurück. Hier erwarb er sich am 18. Dezember 1845 die Doktorwürde mit seiner Dissertation: »Yajurvedae 1*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Akademiebibliothek: Bereitstellung der Digitalisate und OCR. (2020-03-03T12:13:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, OCR-D: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-03-04T12:13:05Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: ignoriert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;
  • I/J in Fraktur: wie Vorlage;
  • i/j in Fraktur: wie Vorlage;
  • Kolumnentitel: nicht übernommen;
  • Kustoden: nicht übernommen;
  • langes s (ſ): wie Vorlage;
  • Normalisierungen: keine;
  • rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: wie Vorlage;
  • u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
  • Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
  • Zeilenumbrüche markiert: ja;



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pischel_weber_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pischel_weber_1903/5
Zitationshilfe: Pischel, Richard: Gedächtnisrede auf Albrecht Weber. Berlin, 1903, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pischel_weber_1903/5>, abgerufen am 23.11.2024.