Planck, Karl: Fusslümmelei. Über Stauchballspiel und englische Krankheit. Stuttgart, 1898.samen Spiel! Und dann: Läge es eigentlich nicht ganz
im Zug des Die Unnatur eines solchen Spielgeschmacks bildet nun ein merk- Es scheint schon ein eigener Unstern über unserem Turnwesen zu samen Spiel! Und dann: Läge es eigentlich nicht ganz
im Zug des Die Unnatur eines solchen Spielgeschmacks bildet nun ein merk- Es scheint schon ein eigener Unstern über unserem Turnwesen zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0017" n="11"/> samen Spiel! Und dann: Läge es eigentlich nicht ganz im Zug des<lb/> Spieles, wenn den Teilnehmern auch noch der Kopf abgesprochen würde?<lb/> Der Mensch wäre dann nur noch ein ungeheurer Stiefel. Oder sollte<lb/> etwa mit jener Regel zart angedeutet sein, daß, wer an dem Spiele<lb/> teilnehmen wolle, zwar nicht gerade auf den Kopf gefallen sein, aber<lb/> doch sich etwas auf den Kopf fallen lassen müsse?</p><lb/> <p>Die Unnatur eines solchen Spielgeschmacks bildet nun ein merk-<lb/> würdiges Gegenstück zu einer leider ursprünglich wirklich deutschen Er-<lb/> scheinung, die bei all ihrer Verschiedenheit doch einen gewissen inneren<lb/> Zusammenhang mit jener verrät. Machten nämlich die Herren Britten<lb/> in ihrem Stauchballspiel selbstherrlich grundumschöpferisch den Fuß zur<lb/> Hand, so hatten ja schon umgekehrt unsere Turngrößen den Arm zum<lb/> Bein gemacht. Es fehlte jetzt nur noch, daß beides vereinigt wurde.<lb/> Und wichtig: Diese Tausendkünstler brachten auch das noch fertig.<lb/> Namens der höchsten Menschenbildung liefen sie nun auf deutsch kopf-<lb/> untersich, fußobsich auf den Händen und spielten auf englisch mit den<lb/> Füßen Ball. Nur allerdings annoch bloß nacheinander und nicht gleich-<lb/> zeitig. Man muß dem folgenden Jahrhundert doch auch noch etwas<lb/> übrig lassen.</p><lb/> <p>Es scheint schon ein eigener Unstern über unserem Turnwesen zu<lb/> walten. Die günstigste Auffassung ist dabei noch die, daß wir erst<lb/> alle erdenklichen Verkehrtheiten bis auf den Grund auszukosten bestimmt<lb/> sind, um sie künftig desto besser vermeiden zu können. Wer bei diesem<lb/> Probeessen nicht mitthun will, muß sich dann freilich als Eigenbrötler<lb/> verschreien lassen. Der Ursprung des deutschen Turnens am Anfang<lb/> dieses Jahrhunderts war den damaligen Umständen entsprechend noch<lb/> recht gesund. Die kernhaft gediegene, wenn auch knorrige Natur Jahns<lb/> gab ihm zunächst ihr Gepräge. In seinem rühmlichen Eifer um die<lb/> bedrohte Deutschheit war er nur leider zu schwach gegenüber der Er-<lb/> findungsseligkeit der eigenen Genossen und ließ Dinge als ureigen<lb/> deutsch hingehen, die bis dahin kein deutscher Mann geübt hatte. Doch<lb/> das konnte sich ja mit der Zeit abschleifen. Seine Schöpfung glich so<lb/> anfangs einem munteren Eichhorn, das vorzüglich klettert, zuweilen<lb/> aber doch auch nach Menschenart auf den flachen Erdboden herunter-<lb/> kommt und pfeilgeschwind über die Waldblößen setzt. Das Tierchen<lb/> verkratzte dem bösen Franzosen ordentlich das Gesicht, und das war<lb/> damals ganz recht. Nun sollte aber das Tierchen auch „gebildet“,<lb/> erzogen werden. Was, hieß es da, das läuft ja nur in Wald und<lb/> Feld herum! Das paßt ja gar nicht in unsere Menagerie! Nach<lb/> langer Beratung und vielem Argwohn ward es aber endlich doch ein-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [11/0017]
samen Spiel! Und dann: Läge es eigentlich nicht ganz im Zug des
Spieles, wenn den Teilnehmern auch noch der Kopf abgesprochen würde?
Der Mensch wäre dann nur noch ein ungeheurer Stiefel. Oder sollte
etwa mit jener Regel zart angedeutet sein, daß, wer an dem Spiele
teilnehmen wolle, zwar nicht gerade auf den Kopf gefallen sein, aber
doch sich etwas auf den Kopf fallen lassen müsse?
Die Unnatur eines solchen Spielgeschmacks bildet nun ein merk-
würdiges Gegenstück zu einer leider ursprünglich wirklich deutschen Er-
scheinung, die bei all ihrer Verschiedenheit doch einen gewissen inneren
Zusammenhang mit jener verrät. Machten nämlich die Herren Britten
in ihrem Stauchballspiel selbstherrlich grundumschöpferisch den Fuß zur
Hand, so hatten ja schon umgekehrt unsere Turngrößen den Arm zum
Bein gemacht. Es fehlte jetzt nur noch, daß beides vereinigt wurde.
Und wichtig: Diese Tausendkünstler brachten auch das noch fertig.
Namens der höchsten Menschenbildung liefen sie nun auf deutsch kopf-
untersich, fußobsich auf den Händen und spielten auf englisch mit den
Füßen Ball. Nur allerdings annoch bloß nacheinander und nicht gleich-
zeitig. Man muß dem folgenden Jahrhundert doch auch noch etwas
übrig lassen.
Es scheint schon ein eigener Unstern über unserem Turnwesen zu
walten. Die günstigste Auffassung ist dabei noch die, daß wir erst
alle erdenklichen Verkehrtheiten bis auf den Grund auszukosten bestimmt
sind, um sie künftig desto besser vermeiden zu können. Wer bei diesem
Probeessen nicht mitthun will, muß sich dann freilich als Eigenbrötler
verschreien lassen. Der Ursprung des deutschen Turnens am Anfang
dieses Jahrhunderts war den damaligen Umständen entsprechend noch
recht gesund. Die kernhaft gediegene, wenn auch knorrige Natur Jahns
gab ihm zunächst ihr Gepräge. In seinem rühmlichen Eifer um die
bedrohte Deutschheit war er nur leider zu schwach gegenüber der Er-
findungsseligkeit der eigenen Genossen und ließ Dinge als ureigen
deutsch hingehen, die bis dahin kein deutscher Mann geübt hatte. Doch
das konnte sich ja mit der Zeit abschleifen. Seine Schöpfung glich so
anfangs einem munteren Eichhorn, das vorzüglich klettert, zuweilen
aber doch auch nach Menschenart auf den flachen Erdboden herunter-
kommt und pfeilgeschwind über die Waldblößen setzt. Das Tierchen
verkratzte dem bösen Franzosen ordentlich das Gesicht, und das war
damals ganz recht. Nun sollte aber das Tierchen auch „gebildet“,
erzogen werden. Was, hieß es da, das läuft ja nur in Wald und
Feld herum! Das paßt ja gar nicht in unsere Menagerie! Nach
langer Beratung und vielem Argwohn ward es aber endlich doch ein-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Gloning: Texterfassung und Korrekturen
(2013-05-07T06:54:31Z)
Hannah Sophia Glaum: Konversion nach XML
(2013-05-07T06:54:31Z)
Melanie Henss: Nachkorrekturen
(2013-05-07T06:54:31Z)
Universitätsbibliothek Marburg: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-05-07T06:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |