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Planck, Karl: Fusslümmelei. Über Stauchballspiel und englische Krankheit. Stuttgart, 1898.

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Da schlag doch gleich das Wetter drein! Müßt ihr denn immer
und überall die gehorsamen Affen des Auslands bleiben, im pas de
deux
tanzen, wenn auch der Franzmann vorgeigt, oder nach dem
schottischen Dudelsack, während euch der schlaue Gentleman in Afrika
und anderwärts den Bärenpelz über die Ohren zieht! Warum bleibt
ihr nicht bei eurem deutschen Stehruder, standrecht im Gleichgewichts-
kampf auf schwankendem Grund, "selbständig", zielscharf auch im Verein
der Genossen wie die hallischen Halloren, die Ulmer Fischer, ja selbst
die Sennerin auf den deutschen Seen es euch noch heute weisen? Habt
ihr denn nicht genug an eurem Schwungball mit und Stoßball ohne
Riemen? Muß er denn wirklich hohl, und wenn hohl, mit dem Fuß
gestaucht, statt mit der Hand geschlagen sein? Aber nein, wir müssen
unsere Rosse erst anglisieren, unseren Feuerwein erst gallisieren lassen,
womit bewiesen wir denn sonst unsere Deutschheit!

Doch der Fußball ist ja ursprünglich deutsch und sogar klassisch!
So versichern uns englische Gelehrte. Und in der That, wer würde nicht
die Waffen strecken, wenn ihm mit dem größten Aufwand von Gelehr-
samkeit nachgewiesen wird, wie jenes Ballspiel, das die Spartaner, die
anerkannten Meister griechischer Gymnastik, unter dem Namen "Epi-
skyros" u. a. mit so großem Eifer trieben, ganz und gar das englische
"football" gewesen sei? Ja, mit dem Unterschied, daß dieses Fußball-
spiel mit der -- Hand gespielt wurde! Man ruft mir zu: "Seneca
epist. 80"!
Aus Anlaß des ungeheuren Lärms, der vom "Ballkampf"
im nahen Zirkus herüberdröhnt, beklagt sich hier dieser "Spartaner"
des ersten Jahrhunderts nach Christus darüber, wie viele ihren Körper
üben und wie wenige ihren Geist. "Wie schwachen Geistes sind die,
deren Arme und Schultern wir bewundern! Am meisten beschäftigt
mich der Gedanke: wenn der Körper es durch Übung zu der Ausdauer
bringen kann, daß er Faustschläge und Fußtritte von mehr als einem
Gegner aushält, wie viel leichter könnte er seinem Geist die Festigkeit
geben, die Schläge des Schicksals ungebeugt zu empfangen oder, zu
Boden geworfen und niedergetreten, sich wieder aufzurichten. Zweifel-
los ist das nun eine Anspielung auf die Faustschläge und Fußtritte,
die es im Ballkampf "sphaeromachia" setzt. Folgt denn aber daraus,
daß auch der Ball getreten wurde, daß dies zum Wesen des Spiels ge-
hörte? Der lateinische Ausdruck "calcibus" wiese zunächst auf Ver-
letzungen hin, wie sie durch .das Hintenaufschlagen der Fersen im Laufe
oder durch zufälliges Auftreten auf die Füße der Spielgenossen ent-
stehen konnten. Allein da die gleichzeitig erwähnten "Faustschläge"
ganz sicher beabsichtigt waren, so waren es wohl auch die Fußtritte,

Da schlag doch gleich das Wetter drein! Müßt ihr denn immer
und überall die gehorsamen Affen des Auslands bleiben, im pas de
deux
tanzen, wenn auch der Franzmann vorgeigt, oder nach dem
schottischen Dudelsack, während euch der schlaue Gentleman in Afrika
und anderwärts den Bärenpelz über die Ohren zieht! Warum bleibt
ihr nicht bei eurem deutschen Stehruder, standrecht im Gleichgewichts-
kampf auf schwankendem Grund, „selbständig“, zielscharf auch im Verein
der Genossen wie die hallischen Halloren, die Ulmer Fischer, ja selbst
die Sennerin auf den deutschen Seen es euch noch heute weisen? Habt
ihr denn nicht genug an eurem Schwungball mit und Stoßball ohne
Riemen? Muß er denn wirklich hohl, und wenn hohl, mit dem Fuß
gestaucht, statt mit der Hand geschlagen sein? Aber nein, wir müssen
unsere Rosse erst anglisieren, unseren Feuerwein erst gallisieren lassen,
womit bewiesen wir denn sonst unsere Deutschheit!

Doch der Fußball ist ja ursprünglich deutsch und sogar klassisch!
So versichern uns englische Gelehrte. Und in der That, wer würde nicht
die Waffen strecken, wenn ihm mit dem größten Aufwand von Gelehr-
samkeit nachgewiesen wird, wie jenes Ballspiel, das die Spartaner, die
anerkannten Meister griechischer Gymnastik, unter dem Namen „Epi-
skyros“ u. a. mit so großem Eifer trieben, ganz und gar das englische
„football“ gewesen sei? Ja, mit dem Unterschied, daß dieses Fußball-
spiel mit der — Hand gespielt wurde! Man ruft mir zu: „Seneca
epist. 80“!
Aus Anlaß des ungeheuren Lärms, der vom „Ballkampf“
im nahen Zirkus herüberdröhnt, beklagt sich hier dieser „Spartaner“
des ersten Jahrhunderts nach Christus darüber, wie viele ihren Körper
üben und wie wenige ihren Geist. „Wie schwachen Geistes sind die,
deren Arme und Schultern wir bewundern! Am meisten beschäftigt
mich der Gedanke: wenn der Körper es durch Übung zu der Ausdauer
bringen kann, daß er Faustschläge und Fußtritte von mehr als einem
Gegner aushält, wie viel leichter könnte er seinem Geist die Festigkeit
geben, die Schläge des Schicksals ungebeugt zu empfangen oder, zu
Boden geworfen und niedergetreten, sich wieder aufzurichten. Zweifel-
los ist das nun eine Anspielung auf die Faustschläge und Fußtritte,
die es im Ballkampf „sphaeromachia“ setzt. Folgt denn aber daraus,
daß auch der Ball getreten wurde, daß dies zum Wesen des Spiels ge-
hörte? Der lateinische Ausdruck „calcibus“ wiese zunächst auf Ver-
letzungen hin, wie sie durch .das Hintenaufschlagen der Fersen im Laufe
oder durch zufälliges Auftreten auf die Füße der Spielgenossen ent-
stehen konnten. Allein da die gleichzeitig erwähnten „Faustschläge“
ganz sicher beabsichtigt waren, so waren es wohl auch die Fußtritte,

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Zitationshilfe: Planck, Karl: Fusslümmelei. Über Stauchballspiel und englische Krankheit. Stuttgart, 1898, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_fussluemmelei_1898/19>, abgerufen am 03.05.2024.