Planck, Karl: Fusslümmelei. Über Stauchballspiel und englische Krankheit. Stuttgart, 1898.Es ist eine eigene Sache mit diesem "Sport". Es ist nicht zu Der Begriff des " Sportes" ist freilich schwer zu fassen, und da- Es ist eine eigene Sache mit diesem „Sport“. Es ist nicht zu Der Begriff des „ Sportes“ ist freilich schwer zu fassen, und da- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0021" n="15"/> <p>Es ist eine eigene Sache mit diesem „Sport“. Es ist nicht zu<lb/> leugnen: er hat dem Bisherigen gegenüber ein gewisses Recht. Ins-<lb/> besondere hat er thatsächlich die Laufgymnastik wieder mehr zu Ehren<lb/> gebracht. Das war freilich nichts Neues. Jäger hatte schon Jahr-<lb/> zehnte vorher dasselbe gefordert, aber man wollte ja auf ihn nicht<lb/> hören. Wäre unser deutsches Turnen nicht in so heillose Bahnen<lb/> verfahren gewesen, so hätte der Sport den Platz schon besetzt ge-<lb/> funden. Schändlich genug, daß wir nach Ablauf eines Jahrhunderts<lb/> gerade so weit sind, daß man, um nicht bloß mißverstanden zu<lb/> werden, neben dem Begriff des „Turnens“ immer auch noch das<lb/> griechische Wort „Gymnastik“ zu Hilfe nehmen muß. „Sport“ ist nun<lb/> aber gar ein englischer Begriff, und wir haben an unserem Begriff des<lb/> „Turnens“ noch gerade genug zu putzen und zu säubern, um ihn als<lb/> leuchtendes Vorbild allem Volke aufzustellen. Nun hat man uns zwar<lb/> als das Kennzeichen alles echten Sports die „Ritterlichkeit“ gepriesen.<lb/> Mag sein, da es dem Engländer so vorkommt, obwohl uns das am<lb/> Ende des 19. Jahrhunderts doch ein ziemlich überholtes Ideal zu sein<lb/> scheint. Jedenfalls aber können wir es ihm überlassen, diesen Begriff,<lb/> der sein eigenes Gewächs ist, weiter auszubilden und zum Ideal zu<lb/> steigern. Wir wünschen ihm Glück dazu. Uns ist er nun einmal ur-<lb/> sprünglich fremd, und obwohl der „Sport“ angeblich nur auf Erhaltung<lb/> und Stärkung der Gesundheit ausgehen soll, bezeichnet das Wort that-<lb/> sächlich bei uns etwas Überreiztes, Unnatürliches, Ungesundes. Die<lb/> einfachen, natürlichen und bekömmlichsten Speisen schmecken uns nicht<lb/> mehr, wenn sie nicht etwas von dem Hautgout unserer Civilisation an<lb/> sich haben.</p><lb/> <p>Der Begriff des „ Sportes“ ist freilich schwer zu fassen, und da-<lb/> her kommt es denn auch, daß unsere Sportsleute auf diesen oder jenen<lb/> Angriff uns mit liebenswürdig überlegenem Lächeln versichern, das sei<lb/> ja gar nicht „Sport“. Begreiflich, denn sie sind in der glücklichen<lb/> Lage, eine richtige Fickmühle zu besitzen. Doch es soll sie nichts nützen.<lb/> Der Name ist uns völlig gleichgültig, wir halten uns rein nur an die<lb/> Thatsachen und die thatsächlich bei uns am meisten vertretenen Sport-<lb/> arten. Auf Grund dieser Thatsachen machen wir uns aber auch an-<lb/> heischig, den Satz zu verfechten: Der richtige Sportsmann kümmert sich<lb/> weder um Natürlichkeit der Bewegung, noch um Schönheit und Würde<lb/> der Erscheinung. Den herrlichen Rechten, in dem das satte Kinn sich<lb/> gegen die feingeschwungene Linie des Halses absetzt, zum gemeinen Gans-<lb/> kragen ausgestreift, den Oberleib zum Igel gerollt, die Beine krampf-<lb/> haft den Triebel tretend, so saust er dahin, der „Gott auf der Maschine“.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [15/0021]
Es ist eine eigene Sache mit diesem „Sport“. Es ist nicht zu
leugnen: er hat dem Bisherigen gegenüber ein gewisses Recht. Ins-
besondere hat er thatsächlich die Laufgymnastik wieder mehr zu Ehren
gebracht. Das war freilich nichts Neues. Jäger hatte schon Jahr-
zehnte vorher dasselbe gefordert, aber man wollte ja auf ihn nicht
hören. Wäre unser deutsches Turnen nicht in so heillose Bahnen
verfahren gewesen, so hätte der Sport den Platz schon besetzt ge-
funden. Schändlich genug, daß wir nach Ablauf eines Jahrhunderts
gerade so weit sind, daß man, um nicht bloß mißverstanden zu
werden, neben dem Begriff des „Turnens“ immer auch noch das
griechische Wort „Gymnastik“ zu Hilfe nehmen muß. „Sport“ ist nun
aber gar ein englischer Begriff, und wir haben an unserem Begriff des
„Turnens“ noch gerade genug zu putzen und zu säubern, um ihn als
leuchtendes Vorbild allem Volke aufzustellen. Nun hat man uns zwar
als das Kennzeichen alles echten Sports die „Ritterlichkeit“ gepriesen.
Mag sein, da es dem Engländer so vorkommt, obwohl uns das am
Ende des 19. Jahrhunderts doch ein ziemlich überholtes Ideal zu sein
scheint. Jedenfalls aber können wir es ihm überlassen, diesen Begriff,
der sein eigenes Gewächs ist, weiter auszubilden und zum Ideal zu
steigern. Wir wünschen ihm Glück dazu. Uns ist er nun einmal ur-
sprünglich fremd, und obwohl der „Sport“ angeblich nur auf Erhaltung
und Stärkung der Gesundheit ausgehen soll, bezeichnet das Wort that-
sächlich bei uns etwas Überreiztes, Unnatürliches, Ungesundes. Die
einfachen, natürlichen und bekömmlichsten Speisen schmecken uns nicht
mehr, wenn sie nicht etwas von dem Hautgout unserer Civilisation an
sich haben.
Der Begriff des „ Sportes“ ist freilich schwer zu fassen, und da-
her kommt es denn auch, daß unsere Sportsleute auf diesen oder jenen
Angriff uns mit liebenswürdig überlegenem Lächeln versichern, das sei
ja gar nicht „Sport“. Begreiflich, denn sie sind in der glücklichen
Lage, eine richtige Fickmühle zu besitzen. Doch es soll sie nichts nützen.
Der Name ist uns völlig gleichgültig, wir halten uns rein nur an die
Thatsachen und die thatsächlich bei uns am meisten vertretenen Sport-
arten. Auf Grund dieser Thatsachen machen wir uns aber auch an-
heischig, den Satz zu verfechten: Der richtige Sportsmann kümmert sich
weder um Natürlichkeit der Bewegung, noch um Schönheit und Würde
der Erscheinung. Den herrlichen Rechten, in dem das satte Kinn sich
gegen die feingeschwungene Linie des Halses absetzt, zum gemeinen Gans-
kragen ausgestreift, den Oberleib zum Igel gerollt, die Beine krampf-
haft den Triebel tretend, so saust er dahin, der „Gott auf der Maschine“.
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