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Planck, Karl: Fusslümmelei. Über Stauchballspiel und englische Krankheit. Stuttgart, 1898.

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Mag auch Bein und Fuß in einer Weise arbeiten, die der natürlichen
gerade entgegengesetzt ist, mögen die in der eng zusammengepreßten
Brust aufs äußerste angestrengten Herz- und Lungenmuskeln schließlich
versagen, schwere Herz- und Lungenleiden veranlassen, wenn nur der
Gegner um 1/5 Sekunde geschlagen wird! Weil um jeden Preis der
Sieg errungen werden muß, wird der Mann zum Maschinenteil, der
am besten taugt, wenn er, ohne links noch rechts zu blicken, in gleich-
förmigem Pendelschwung das Ruder führend, auf seinem Hinterteil hin
und her gampt. Es lebe der "Rekord"! Der Mann ist uns "wurscht"!
"Wurscht" ist uns auch, ob im freien Spiel der Kräfte sich der Adel
reiner Menschheit darstellt, vielleicht sogar gerade recht, wenn hier wie
anderwärts der -- Affe aufblitzt.

Was hat nun aber solche "Wursthaftigkeit" für Folgen? Darüber
kann uns ein zweites Wort aus Schillers Briefen an den Herzog von
Augustenburg belehren. "Verjage die Willkür, heißt es dort, die
Frivolität, die Rohigkeit aus ihrer Vergnügung, so wirst du sie un-
vermerkt auch aus ihren Handlungen, endlich aus ihren Gesinnungen
verbannen." Wenden wir dieses Wort auch auf unser Stauchballspiel
im besonderen an! "Willkürlich" ist es, weil es gegen die natürliche
Ordnung verstößt, "frivol", weil diese Ordnung der Natur heilig ist,
und "roh", weil es nicht nur eine gewisse Rohigkeit des Geschmacks
verrät, sondern leicht auch zur Roheit der Gesinnung führt. Gar auch
noch "frivol" soll also das Fußballspiel sein? In der That, es wird
wohl nicht wenige recht seltsam berühren, wenn hier im Ernst die Frage
aufgeworfen wird: Ist es recht, fortgesetzt ohne Not einen Gebrauch
von einem Gliede zu machen, zu dem es nun einmal nicht angelegt ist?
Mochte eine Zeit, die im Darwinismus die Lösung aller Fragen er-
blickte, es als den Inbegriff aller Weisheit ansehen, den Zweckbegriff
aus der Natur überhaupt zu "eliminieren"! Im deutschen Volksge-
müt wie in der deutschen Wissenschaft hat aber doch wohl auch noch
der Gedanke der natürlichen Zweckthätigkeit sein Recht, mag man nun
deren letzten Grund fassen wie man will. Und dann gilt vielleicht auch
noch der Satz: Der Mensch kann und darf die Schöpfung an seinem
Leib nicht nach Belieben umkrempeln?

Frivolität und Rohheit gehen leicht Hand in Hand. Aber daß
das Fußballspiel in besonderer Weise auch noch die Gefahr der Ver-
rohung mit sich führe, wäre im einzelnen erst nachzuweisen. Es kommt
bei gesunder Jugend zuweilen vor und ist gewiß noch kein Zeichen von
Verderbtheit, wenn bei der Hartnäckigkeit, mit der hier oft den klarsten
Gründen Trotz geboten wird, schließlich beide Teile handgreiflich werden.

Mag auch Bein und Fuß in einer Weise arbeiten, die der natürlichen
gerade entgegengesetzt ist, mögen die in der eng zusammengepreßten
Brust aufs äußerste angestrengten Herz- und Lungenmuskeln schließlich
versagen, schwere Herz- und Lungenleiden veranlassen, wenn nur der
Gegner um 1/5 Sekunde geschlagen wird! Weil um jeden Preis der
Sieg errungen werden muß, wird der Mann zum Maschinenteil, der
am besten taugt, wenn er, ohne links noch rechts zu blicken, in gleich-
förmigem Pendelschwung das Ruder führend, auf seinem Hinterteil hin
und her gampt. Es lebe der „Rekord“! Der Mann ist uns „wurscht“!
„Wurscht“ ist uns auch, ob im freien Spiel der Kräfte sich der Adel
reiner Menschheit darstellt, vielleicht sogar gerade recht, wenn hier wie
anderwärts der — Affe aufblitzt.

Was hat nun aber solche „Wursthaftigkeit“ für Folgen? Darüber
kann uns ein zweites Wort aus Schillers Briefen an den Herzog von
Augustenburg belehren. „Verjage die Willkür, heißt es dort, die
Frivolität, die Rohigkeit aus ihrer Vergnügung, so wirst du sie un-
vermerkt auch aus ihren Handlungen, endlich aus ihren Gesinnungen
verbannen.“ Wenden wir dieses Wort auch auf unser Stauchballspiel
im besonderen an! „Willkürlich“ ist es, weil es gegen die natürliche
Ordnung verstößt, „frivol“, weil diese Ordnung der Natur heilig ist,
und „roh“, weil es nicht nur eine gewisse Rohigkeit des Geschmacks
verrät, sondern leicht auch zur Roheit der Gesinnung führt. Gar auch
noch „frivol“ soll also das Fußballspiel sein? In der That, es wird
wohl nicht wenige recht seltsam berühren, wenn hier im Ernst die Frage
aufgeworfen wird: Ist es recht, fortgesetzt ohne Not einen Gebrauch
von einem Gliede zu machen, zu dem es nun einmal nicht angelegt ist?
Mochte eine Zeit, die im Darwinismus die Lösung aller Fragen er-
blickte, es als den Inbegriff aller Weisheit ansehen, den Zweckbegriff
aus der Natur überhaupt zu „eliminieren“! Im deutschen Volksge-
müt wie in der deutschen Wissenschaft hat aber doch wohl auch noch
der Gedanke der natürlichen Zweckthätigkeit sein Recht, mag man nun
deren letzten Grund fassen wie man will. Und dann gilt vielleicht auch
noch der Satz: Der Mensch kann und darf die Schöpfung an seinem
Leib nicht nach Belieben umkrempeln?

Frivolität und Rohheit gehen leicht Hand in Hand. Aber daß
das Fußballspiel in besonderer Weise auch noch die Gefahr der Ver-
rohung mit sich führe, wäre im einzelnen erst nachzuweisen. Es kommt
bei gesunder Jugend zuweilen vor und ist gewiß noch kein Zeichen von
Verderbtheit, wenn bei der Hartnäckigkeit, mit der hier oft den klarsten
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[16/0022] Mag auch Bein und Fuß in einer Weise arbeiten, die der natürlichen gerade entgegengesetzt ist, mögen die in der eng zusammengepreßten Brust aufs äußerste angestrengten Herz- und Lungenmuskeln schließlich versagen, schwere Herz- und Lungenleiden veranlassen, wenn nur der Gegner um 1/5 Sekunde geschlagen wird! Weil um jeden Preis der Sieg errungen werden muß, wird der Mann zum Maschinenteil, der am besten taugt, wenn er, ohne links noch rechts zu blicken, in gleich- förmigem Pendelschwung das Ruder führend, auf seinem Hinterteil hin und her gampt. Es lebe der „Rekord“! Der Mann ist uns „wurscht“! „Wurscht“ ist uns auch, ob im freien Spiel der Kräfte sich der Adel reiner Menschheit darstellt, vielleicht sogar gerade recht, wenn hier wie anderwärts der — Affe aufblitzt. Was hat nun aber solche „Wursthaftigkeit“ für Folgen? Darüber kann uns ein zweites Wort aus Schillers Briefen an den Herzog von Augustenburg belehren. „Verjage die Willkür, heißt es dort, die Frivolität, die Rohigkeit aus ihrer Vergnügung, so wirst du sie un- vermerkt auch aus ihren Handlungen, endlich aus ihren Gesinnungen verbannen.“ Wenden wir dieses Wort auch auf unser Stauchballspiel im besonderen an! „Willkürlich“ ist es, weil es gegen die natürliche Ordnung verstößt, „frivol“, weil diese Ordnung der Natur heilig ist, und „roh“, weil es nicht nur eine gewisse Rohigkeit des Geschmacks verrät, sondern leicht auch zur Roheit der Gesinnung führt. Gar auch noch „frivol“ soll also das Fußballspiel sein? In der That, es wird wohl nicht wenige recht seltsam berühren, wenn hier im Ernst die Frage aufgeworfen wird: Ist es recht, fortgesetzt ohne Not einen Gebrauch von einem Gliede zu machen, zu dem es nun einmal nicht angelegt ist? Mochte eine Zeit, die im Darwinismus die Lösung aller Fragen er- blickte, es als den Inbegriff aller Weisheit ansehen, den Zweckbegriff aus der Natur überhaupt zu „eliminieren“! Im deutschen Volksge- müt wie in der deutschen Wissenschaft hat aber doch wohl auch noch der Gedanke der natürlichen Zweckthätigkeit sein Recht, mag man nun deren letzten Grund fassen wie man will. Und dann gilt vielleicht auch noch der Satz: Der Mensch kann und darf die Schöpfung an seinem Leib nicht nach Belieben umkrempeln? Frivolität und Rohheit gehen leicht Hand in Hand. Aber daß das Fußballspiel in besonderer Weise auch noch die Gefahr der Ver- rohung mit sich führe, wäre im einzelnen erst nachzuweisen. Es kommt bei gesunder Jugend zuweilen vor und ist gewiß noch kein Zeichen von Verderbtheit, wenn bei der Hartnäckigkeit, mit der hier oft den klarsten Gründen Trotz geboten wird, schließlich beide Teile handgreiflich werden.

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Zitationshilfe: Planck, Karl: Fusslümmelei. Über Stauchballspiel und englische Krankheit. Stuttgart, 1898, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_fussluemmelei_1898/22>, abgerufen am 21.11.2024.