Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Planck, Karl: Fusslümmelei. Über Stauchballspiel und englische Krankheit. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Aber da kömmt er schön an. Zweimal fünfzehn racheschnaubende
Füßepaare setzen sich gegen ihn in Bewegung, um ihn nach allen Regeln
dieser hochfeinen "ritterlichen" Kunst über die Malgrenzen hinauszu-
befördern. Vernunft, Geschmack, Natur unterliegen, und das höhere
Trampeltier bleibt Meister der Schlacht und des Feldes. Die angel-
sächsisch normannische Rasse giebt den Ton an, und wer sich dagegen
auflehnt, ist kein guter -- Deutscher *).

Nicht als ob wir von dem Fußball und den englischen Spielen
überhaupt nichts lernen könnten. Gegen "Kricket" und "Tennis" ist an
sich nichts einzuwenden, wenn nur nicht auch hier im Drum und Dran
das Affentum sich so widerlich breit machte. Die feinere Ausbildung
der Regeln und das hingebende Zusammenspiel hatten ja die englischen
Spiele bisher voraus, wenn man auch in ersterer Beziehung des Guten
zuviel thun kann. Bereits sind aber auch unsere deutschen Spiele in
diesem Sinne bearbeitet und ausgefeilt worden, so das Schlagballspiel
ohne Einschenker, der Schleuderball, der Barlauf" u. s. w. Vrgl. die
Spielregeln, herausgegeben vom technischen Ausschuß zur Förderung der
Volks- und Jugendspiele in Deutschland. R. Voigtländers Verlag, Leipzig.
Das griechische "Episkyros" oder "Harpaston" ist von Professor Dr. Koch
in Braunschweig unter dem Namen "Raffball" in verdienstlicher Weise
der Vergessenheit entrissen worden. Wenn aber dieses oder unser Gren-
ball nicht als vollgültiger Ersatz für das anerkannt werden sollte, was
an dem Fußballspiel gut ist, so müßte es doch seltsam zugehen, wenn
sich nicht auf Grund der letztgenannten unter Beiziehung meinethalb
auch gewisser Regeln des Fußballs ein Kampfspiel ersinnen ließe, das
allen Anforderungen genügt. Vielleicht ließe sich dazu ein Ball verwenden,
der ebensowohl geschockt, wie gestoßen, wie mit der Faust geschlagen
werden könnte. Unvergessen aber bleibe ein drittes Wort aus Schillers
Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen: "Die wirklich
vorhandene Schönheit ist des wirklich vorhandenen Spieltriebs wert;
aber durch das Ideal der Schönheit, welches die Vernunft aufstellt, ist
auch ein Ideal des Spieltriebs aufgegeben, das der Mensch in allen
seinen Spielen vor Augen haben soll."

Jedenfalls läßt sich auch ohne Stauchballspiel vortrefflich aus-
kommen. Die Griechen hatten keinen Fußball, und waren doch Meister

*) Wer ein solches Kauderwelsch wie das hier oder weiter oben angezogene in
deutschem Mund für unmöglich hält, der werfe, wenn er nicht einen unserer Sport-
plätze besuchen kann, einen Blick in eine unserer Sportzeitungen! Man glaubt sich in
die Zeit des tiefsten Niedergangs des deutschen Geistes in und nach dem dreißig-
jährigen Krieg versetzt.

Aber da kömmt er schön an. Zweimal fünfzehn racheschnaubende
Füßepaare setzen sich gegen ihn in Bewegung, um ihn nach allen Regeln
dieser hochfeinen „ritterlichen“ Kunst über die Malgrenzen hinauszu-
befördern. Vernunft, Geschmack, Natur unterliegen, und das höhere
Trampeltier bleibt Meister der Schlacht und des Feldes. Die angel-
sächsisch normannische Rasse giebt den Ton an, und wer sich dagegen
auflehnt, ist kein guter — Deutscher *).

Nicht als ob wir von dem Fußball und den englischen Spielen
überhaupt nichts lernen könnten. Gegen „Kricket“ und „Tennis“ ist an
sich nichts einzuwenden, wenn nur nicht auch hier im Drum und Dran
das Affentum sich so widerlich breit machte. Die feinere Ausbildung
der Regeln und das hingebende Zusammenspiel hatten ja die englischen
Spiele bisher voraus, wenn man auch in ersterer Beziehung des Guten
zuviel thun kann. Bereits sind aber auch unsere deutschen Spiele in
diesem Sinne bearbeitet und ausgefeilt worden, so das Schlagballspiel
ohne Einschenker, der Schleuderball, der Barlauf“ u. s. w. Vrgl. die
Spielregeln, herausgegeben vom technischen Ausschuß zur Förderung der
Volks- und Jugendspiele in Deutschland. R. Voigtländers Verlag, Leipzig.
Das griechische „Episkyros“ oder „Harpaston“ ist von Professor Dr. Koch
in Braunschweig unter dem Namen „Raffball“ in verdienstlicher Weise
der Vergessenheit entrissen worden. Wenn aber dieses oder unser Gren-
ball nicht als vollgültiger Ersatz für das anerkannt werden sollte, was
an dem Fußballspiel gut ist, so müßte es doch seltsam zugehen, wenn
sich nicht auf Grund der letztgenannten unter Beiziehung meinethalb
auch gewisser Regeln des Fußballs ein Kampfspiel ersinnen ließe, das
allen Anforderungen genügt. Vielleicht ließe sich dazu ein Ball verwenden,
der ebensowohl geschockt, wie gestoßen, wie mit der Faust geschlagen
werden könnte. Unvergessen aber bleibe ein drittes Wort aus Schillers
Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen: „Die wirklich
vorhandene Schönheit ist des wirklich vorhandenen Spieltriebs wert;
aber durch das Ideal der Schönheit, welches die Vernunft aufstellt, ist
auch ein Ideal des Spieltriebs aufgegeben, das der Mensch in allen
seinen Spielen vor Augen haben soll.“

Jedenfalls läßt sich auch ohne Stauchballspiel vortrefflich aus-
kommen. Die Griechen hatten keinen Fußball, und waren doch Meister

*) Wer ein solches Kauderwelsch wie das hier oder weiter oben angezogene in
deutschem Mund für unmöglich hält, der werfe, wenn er nicht einen unserer Sport-
plätze besuchen kann, einen Blick in eine unserer Sportzeitungen! Man glaubt sich in
die Zeit des tiefsten Niedergangs des deutschen Geistes in und nach dem dreißig-
jährigen Krieg versetzt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0026" n="20"/>
Aber da kömmt er schön an. Zweimal fünfzehn racheschnaubende<lb/>
Füßepaare setzen sich gegen ihn in Bewegung, um ihn nach allen Regeln<lb/>
dieser hochfeinen &#x201E;ritterlichen&#x201C; Kunst über die Malgrenzen
                     hinauszu-<lb/>
befördern. Vernunft, Geschmack, Natur unterliegen, und das
                     höhere<lb/>
Trampeltier bleibt Meister der Schlacht und des Feldes. Die
                     angel-<lb/>
sächsisch normannische Rasse giebt den Ton an, und wer sich
                     dagegen<lb/>
auflehnt, ist kein guter &#x2014; Deutscher <note place="foot" n="*)">Wer
                         ein solches Kauderwelsch wie das hier oder weiter oben angezogene in<lb/>
deutschem Mund für unmöglich hält, der werfe, wenn er nicht einen unserer
                         Sport-<lb/>
plätze besuchen kann, einen Blick in eine unserer Sportzeitungen!
                         Man glaubt sich in<lb/>
die Zeit des tiefsten Niedergangs des deutschen
                         Geistes in und nach dem dreißig-<lb/>
jährigen Krieg versetzt.</note>.</p><lb/>
        <p>Nicht als ob wir von dem Fußball und den englischen Spielen<lb/>
überhaupt nichts
                     lernen könnten. Gegen &#x201E;Kricket&#x201C; und &#x201E;Tennis&#x201C; ist an<lb/>
sich nichts
                     einzuwenden, wenn nur nicht auch hier im Drum und Dran<lb/>
das Affentum sich so
                     widerlich breit machte. Die feinere Ausbildung<lb/>
der Regeln und das
                     hingebende Zusammenspiel hatten ja die englischen<lb/>
Spiele bisher voraus,
                     wenn man auch in ersterer Beziehung des Guten<lb/>
zuviel thun kann. Bereits
                     sind aber auch unsere deutschen Spiele in<lb/>
diesem Sinne bearbeitet und
                     ausgefeilt worden, so das Schlagballspiel<lb/>
ohne Einschenker, der
                     Schleuderball, der Barlauf&#x201C; u. s. w. Vrgl. die<lb/>
Spielregeln, herausgegeben vom
                     technischen Ausschuß zur Förderung der<lb/>
Volks- und Jugendspiele in
                     Deutschland. R. Voigtländers Verlag, Leipzig.<lb/>
Das griechische &#x201E;Episkyros&#x201C;
                     oder &#x201E;Harpaston&#x201C; ist von Professor Dr. Koch<lb/>
in Braunschweig unter dem Namen
                     &#x201E;Raffball&#x201C; in verdienstlicher Weise<lb/>
der Vergessenheit entrissen worden.
                     Wenn aber dieses oder unser Gren-<lb/>
ball nicht als vollgültiger Ersatz für das
                     anerkannt werden sollte, was<lb/>
an dem Fußballspiel gut ist, so müßte es doch
                     seltsam zugehen, wenn<lb/>
sich nicht auf Grund der letztgenannten unter
                     Beiziehung meinethalb<lb/>
auch gewisser Regeln des Fußballs ein Kampfspiel
                     ersinnen ließe, das<lb/>
allen Anforderungen genügt. Vielleicht ließe sich dazu
                     ein Ball verwenden,<lb/>
der ebensowohl geschockt, wie gestoßen, wie mit der
                     Faust geschlagen<lb/>
werden könnte. Unvergessen aber bleibe ein drittes Wort
                     aus Schillers<lb/>
Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen: &#x201E;Die
                     wirklich<lb/>
vorhandene Schönheit ist des wirklich vorhandenen Spieltriebs
                     wert;<lb/>
aber durch das Ideal der Schönheit, welches die Vernunft aufstellt,
                     ist<lb/>
auch ein Ideal des Spieltriebs aufgegeben, das der Mensch in allen<lb/>
seinen Spielen vor Augen haben soll.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Jedenfalls läßt sich auch ohne Stauchballspiel vortrefflich aus-<lb/>
kommen. Die
                     Griechen hatten keinen Fußball, und waren doch Meister<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0026] Aber da kömmt er schön an. Zweimal fünfzehn racheschnaubende Füßepaare setzen sich gegen ihn in Bewegung, um ihn nach allen Regeln dieser hochfeinen „ritterlichen“ Kunst über die Malgrenzen hinauszu- befördern. Vernunft, Geschmack, Natur unterliegen, und das höhere Trampeltier bleibt Meister der Schlacht und des Feldes. Die angel- sächsisch normannische Rasse giebt den Ton an, und wer sich dagegen auflehnt, ist kein guter — Deutscher *). Nicht als ob wir von dem Fußball und den englischen Spielen überhaupt nichts lernen könnten. Gegen „Kricket“ und „Tennis“ ist an sich nichts einzuwenden, wenn nur nicht auch hier im Drum und Dran das Affentum sich so widerlich breit machte. Die feinere Ausbildung der Regeln und das hingebende Zusammenspiel hatten ja die englischen Spiele bisher voraus, wenn man auch in ersterer Beziehung des Guten zuviel thun kann. Bereits sind aber auch unsere deutschen Spiele in diesem Sinne bearbeitet und ausgefeilt worden, so das Schlagballspiel ohne Einschenker, der Schleuderball, der Barlauf“ u. s. w. Vrgl. die Spielregeln, herausgegeben vom technischen Ausschuß zur Förderung der Volks- und Jugendspiele in Deutschland. R. Voigtländers Verlag, Leipzig. Das griechische „Episkyros“ oder „Harpaston“ ist von Professor Dr. Koch in Braunschweig unter dem Namen „Raffball“ in verdienstlicher Weise der Vergessenheit entrissen worden. Wenn aber dieses oder unser Gren- ball nicht als vollgültiger Ersatz für das anerkannt werden sollte, was an dem Fußballspiel gut ist, so müßte es doch seltsam zugehen, wenn sich nicht auf Grund der letztgenannten unter Beiziehung meinethalb auch gewisser Regeln des Fußballs ein Kampfspiel ersinnen ließe, das allen Anforderungen genügt. Vielleicht ließe sich dazu ein Ball verwenden, der ebensowohl geschockt, wie gestoßen, wie mit der Faust geschlagen werden könnte. Unvergessen aber bleibe ein drittes Wort aus Schillers Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen: „Die wirklich vorhandene Schönheit ist des wirklich vorhandenen Spieltriebs wert; aber durch das Ideal der Schönheit, welches die Vernunft aufstellt, ist auch ein Ideal des Spieltriebs aufgegeben, das der Mensch in allen seinen Spielen vor Augen haben soll.“ Jedenfalls läßt sich auch ohne Stauchballspiel vortrefflich aus- kommen. Die Griechen hatten keinen Fußball, und waren doch Meister *) Wer ein solches Kauderwelsch wie das hier oder weiter oben angezogene in deutschem Mund für unmöglich hält, der werfe, wenn er nicht einen unserer Sport- plätze besuchen kann, einen Blick in eine unserer Sportzeitungen! Man glaubt sich in die Zeit des tiefsten Niedergangs des deutschen Geistes in und nach dem dreißig- jährigen Krieg versetzt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Gloning: Texterfassung und Korrekturen (2013-05-07T06:54:31Z)
Hannah Sophia Glaum: Konversion nach XML (2013-05-07T06:54:31Z)
Melanie Henss: Nachkorrekturen (2013-05-07T06:54:31Z)
Universitätsbibliothek Marburg: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-05-07T06:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Seiten- und Zeilenumbrüche markiert.
  • Silbentrennung entsprechend Vorlage.
  • Langes s als rundes s transkribiert.
  • Rundes r als r/et transkribiert.
  • Hervorhebungen ausgezeichnet.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/planck_fussluemmelei_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/planck_fussluemmelei_1898/26
Zitationshilfe: Planck, Karl: Fusslümmelei. Über Stauchballspiel und englische Krankheit. Stuttgart, 1898, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_fussluemmelei_1898/26>, abgerufen am 04.05.2024.