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Planck, Karl: Fusslümmelei. Über Stauchballspiel und englische Krankheit. Stuttgart, 1898.

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in jeglicher Leibesübung. Die alten Deutschen wußten nichts vom Fuß-
ball und blieben doch hinter keinem in Lauf und Sprung zurück. Das
ist freilich kein Beweis gegen den Fußball, aber doch ein Beweis dafür,
daß man ihn entbehren kann, wenn gewichtige Gründe gegen ihn sprechen.
Oder ist der Grundsatz bereits veraltet, daß für unsere Jugend das
Beste gerade gut genug sei? Darum überlassen wir es den Rhodes,
Stauchballplätze einzuweihen, und den Jameson, die klaren Rechte und
Freiheiten anderer mit Füßen zu treten! Wir dürsten nicht nach solcher
Heldenerziehung.

Die "Tumbheit", unserer Kinderjahre ist für immer verschwunden.
Wir haben das Schwert führen gelernt, und wie wir die staatliche
Einheit errungen haben, so sind wir jetzt in heißem Kampf begriffen, die
Klassengegensätze zu überwinden, damit auf freiem Grund ein freies Volk
erstehe. Das steigende Interesse für die leibliche Volkserziehung liegt
in derselben Richtung. Aber wahrscheinlich überflüssig ist die Mahnung,
daß alle diese Errungenschaften und Ziele nichts taugen, wenn Sie nicht
die unverrückbare Grundlage bilden für einen Bau der Geister, dessen
Grundlinien unsere Dichter und Denker gezogen haben, noch ehe wir
"praktisch" wurden. Dem geschärften Blick des Staatsmannes und Er-
ziehers darf nichts, was dieser Aufgabe dienen kann, zu geringfügig,
zu untergeordnet erscheinen, am allerwenigsten die Spiele der Jugend.

Darum, du deutsches Volk, das du heute mit dem Schweiß deines
Angesichtes den Boden düngst, aus dem dir eine Saat des Rechtes und
der menschlich hohen Gesittung ersprießen soll, die Augen auf, damit
dir nicht irgend ein liebreicher Nachbar oder die eigene ungeschickte Hand
das Unkraut unter den Weizen mische! Wer sich aber durch das üppigere
Wachstum des einen, die Unscheinbarkeit und langsame Entwicklung des
andern täuschen läßt, der mache die Erfahrung, die er vermeiden konnte:
daß es nämlich Nesseln giebt, die wie spanischer Pfeffer brennen.



in jeglicher Leibesübung. Die alten Deutschen wußten nichts vom Fuß-
ball und blieben doch hinter keinem in Lauf und Sprung zurück. Das
ist freilich kein Beweis gegen den Fußball, aber doch ein Beweis dafür,
daß man ihn entbehren kann, wenn gewichtige Gründe gegen ihn sprechen.
Oder ist der Grundsatz bereits veraltet, daß für unsere Jugend das
Beste gerade gut genug sei? Darum überlassen wir es den Rhodes,
Stauchballplätze einzuweihen, und den Jameson, die klaren Rechte und
Freiheiten anderer mit Füßen zu treten! Wir dürsten nicht nach solcher
Heldenerziehung.

Die „Tumbheit“, unserer Kinderjahre ist für immer verschwunden.
Wir haben das Schwert führen gelernt, und wie wir die staatliche
Einheit errungen haben, so sind wir jetzt in heißem Kampf begriffen, die
Klassengegensätze zu überwinden, damit auf freiem Grund ein freies Volk
erstehe. Das steigende Interesse für die leibliche Volkserziehung liegt
in derselben Richtung. Aber wahrscheinlich überflüssig ist die Mahnung,
daß alle diese Errungenschaften und Ziele nichts taugen, wenn Sie nicht
die unverrückbare Grundlage bilden für einen Bau der Geister, dessen
Grundlinien unsere Dichter und Denker gezogen haben, noch ehe wir
„praktisch“ wurden. Dem geschärften Blick des Staatsmannes und Er-
ziehers darf nichts, was dieser Aufgabe dienen kann, zu geringfügig,
zu untergeordnet erscheinen, am allerwenigsten die Spiele der Jugend.

Darum, du deutsches Volk, das du heute mit dem Schweiß deines
Angesichtes den Boden düngst, aus dem dir eine Saat des Rechtes und
der menschlich hohen Gesittung ersprießen soll, die Augen auf, damit
dir nicht irgend ein liebreicher Nachbar oder die eigene ungeschickte Hand
das Unkraut unter den Weizen mische! Wer sich aber durch das üppigere
Wachstum des einen, die Unscheinbarkeit und langsame Entwicklung des
andern täuschen läßt, der mache die Erfahrung, die er vermeiden konnte:
daß es nämlich Nesseln giebt, die wie spanischer Pfeffer brennen.



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[21/0027] in jeglicher Leibesübung. Die alten Deutschen wußten nichts vom Fuß- ball und blieben doch hinter keinem in Lauf und Sprung zurück. Das ist freilich kein Beweis gegen den Fußball, aber doch ein Beweis dafür, daß man ihn entbehren kann, wenn gewichtige Gründe gegen ihn sprechen. Oder ist der Grundsatz bereits veraltet, daß für unsere Jugend das Beste gerade gut genug sei? Darum überlassen wir es den Rhodes, Stauchballplätze einzuweihen, und den Jameson, die klaren Rechte und Freiheiten anderer mit Füßen zu treten! Wir dürsten nicht nach solcher Heldenerziehung. Die „Tumbheit“, unserer Kinderjahre ist für immer verschwunden. Wir haben das Schwert führen gelernt, und wie wir die staatliche Einheit errungen haben, so sind wir jetzt in heißem Kampf begriffen, die Klassengegensätze zu überwinden, damit auf freiem Grund ein freies Volk erstehe. Das steigende Interesse für die leibliche Volkserziehung liegt in derselben Richtung. Aber wahrscheinlich überflüssig ist die Mahnung, daß alle diese Errungenschaften und Ziele nichts taugen, wenn Sie nicht die unverrückbare Grundlage bilden für einen Bau der Geister, dessen Grundlinien unsere Dichter und Denker gezogen haben, noch ehe wir „praktisch“ wurden. Dem geschärften Blick des Staatsmannes und Er- ziehers darf nichts, was dieser Aufgabe dienen kann, zu geringfügig, zu untergeordnet erscheinen, am allerwenigsten die Spiele der Jugend. Darum, du deutsches Volk, das du heute mit dem Schweiß deines Angesichtes den Boden düngst, aus dem dir eine Saat des Rechtes und der menschlich hohen Gesittung ersprießen soll, die Augen auf, damit dir nicht irgend ein liebreicher Nachbar oder die eigene ungeschickte Hand das Unkraut unter den Weizen mische! Wer sich aber durch das üppigere Wachstum des einen, die Unscheinbarkeit und langsame Entwicklung des andern täuschen läßt, der mache die Erfahrung, die er vermeiden konnte: daß es nämlich Nesseln giebt, die wie spanischer Pfeffer brennen.

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Zitationshilfe: Planck, Karl: Fusslümmelei. Über Stauchballspiel und englische Krankheit. Stuttgart, 1898, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_fussluemmelei_1898/27>, abgerufen am 03.12.2024.