Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Verdünnte Lösungen.
Gefrierpunktserniedrigung, Dampfspannungserniedrigung, Siede-
punktserhöhung einerseits und der elektrischen Leitfähigkeit
andrerseits; denn die ersteren Grössen hängen von der Gesammt-
zahl aller gelösten, geladenen und ungeladenen, Moleküle ab,
die letztere aber von der Zahl und Art der geladenen Moleküle
(Ionen), welche sich nicht immer von vorneherein aus der vorigen
Zahl berechnen lässt. Umgekehrt darf eine Divergenz zwischen
der aus der Leitfähigkeit berechneten und der direkt gemessenen
Gefrierpunktserniedrigung an sich nicht als ein Einwand gegen
die Gültigkeit der Theorie angesehen werden, sondern nur als
ein Einwand gegen die bei der Berechnung des Gefrierpunktes
aus der Leitfähigkeit gemachten Annahmen über die in der
Lösung vorhandenen Molekülarten.

Der Zusammenhang zwischen der Gefrierpunktserniedrigung
und der Molekülzahl des gelösten Stoffes ist zuerst von Raoult
experimentell mit voller Schärfe nachgewiesen worden, thermo-
dynamisch begründet und erweitert wurde er von van't Hoff
mittelst seiner Theorie des osmotischen Druckes. Die volle
Durchführung auch für Elektrolyte hat Arrhenius ermöglicht
durch seine Theorie der elektrolytischen Dissociation, während
unabhängig davon auch die Thermodynamik gerade auf dem
hier beschriebenen Wege zu der Forderung chemischer Um-
wandlungen gelöster Stoffe in verdünnten Lösungen geführt hat.

§ 274. Jede der beiden Phasen enthält beide Bestandtheile
in merklicher Menge.
Der wichtigste hiehergehörige Fall ist
der der Verdampfung einer flüssigen Lösung, in welcher nicht
nur das Lösungsmittel, sondern auch der gelöste Stoff flüchtig
ist. Da die Anwendbarkeit der allgemeinen Gleichgewichts-
bedingung (218) auf eine Mischung idealer Gase nicht davon
abhängt, ob die Mischung als eine verdünnte Lösung angesehen
werden kann, so gilt jene Gleichung hier in entsprechender An-
näherung ohne Rücksicht auf die Zusammensetzung des Dampfes,
während dagegen die Flüssigkeit als verdünnte Lösung ange-
nommen werden muss.

Im Allgemeinen wird jede überhaupt mögliche Molekülart
sowohl in der Flüssigkeit als auch im Dampf vertreten sein;
man erhält daher nach (216) als allgemeines Symbol des Systems:
n0 m0, n1 m1, n2 m2, .... + n0' m0, n1' m1, n2' m2, ...

Verdünnte Lösungen.
Gefrierpunktserniedrigung, Dampfspannungserniedrigung, Siede-
punktserhöhung einerseits und der elektrischen Leitfähigkeit
andrerseits; denn die ersteren Grössen hängen von der Gesammt-
zahl aller gelösten, geladenen und ungeladenen, Moleküle ab,
die letztere aber von der Zahl und Art der geladenen Moleküle
(Ionen), welche sich nicht immer von vorneherein aus der vorigen
Zahl berechnen lässt. Umgekehrt darf eine Divergenz zwischen
der aus der Leitfähigkeit berechneten und der direkt gemessenen
Gefrierpunktserniedrigung an sich nicht als ein Einwand gegen
die Gültigkeit der Theorie angesehen werden, sondern nur als
ein Einwand gegen die bei der Berechnung des Gefrierpunktes
aus der Leitfähigkeit gemachten Annahmen über die in der
Lösung vorhandenen Molekülarten.

Der Zusammenhang zwischen der Gefrierpunktserniedrigung
und der Molekülzahl des gelösten Stoffes ist zuerst von Raoult
experimentell mit voller Schärfe nachgewiesen worden, thermo-
dynamisch begründet und erweitert wurde er von van’t Hoff
mittelst seiner Theorie des osmotischen Druckes. Die volle
Durchführung auch für Elektrolyte hat Arrhenius ermöglicht
durch seine Theorie der elektrolytischen Dissociation, während
unabhängig davon auch die Thermodynamik gerade auf dem
hier beschriebenen Wege zu der Forderung chemischer Um-
wandlungen gelöster Stoffe in verdünnten Lösungen geführt hat.

§ 274. Jede der beiden Phasen enthält beide Bestandtheile
in merklicher Menge.
Der wichtigste hiehergehörige Fall ist
der der Verdampfung einer flüssigen Lösung, in welcher nicht
nur das Lösungsmittel, sondern auch der gelöste Stoff flüchtig
ist. Da die Anwendbarkeit der allgemeinen Gleichgewichts-
bedingung (218) auf eine Mischung idealer Gase nicht davon
abhängt, ob die Mischung als eine verdünnte Lösung angesehen
werden kann, so gilt jene Gleichung hier in entsprechender An-
näherung ohne Rücksicht auf die Zusammensetzung des Dampfes,
während dagegen die Flüssigkeit als verdünnte Lösung ange-
nommen werden muss.

Im Allgemeinen wird jede überhaupt mögliche Molekülart
sowohl in der Flüssigkeit als auch im Dampf vertreten sein;
man erhält daher nach (216) als allgemeines Symbol des Systems:
n0 m0, n1 m1, n2 m2, .... + n0' m0, n1' m1, n2' m2, …

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0253" n="237"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">Verdünnte Lösungen.</hi></fw><lb/>
Gefrierpunktserniedrigung, Dampfspannungserniedrigung, Siede-<lb/>
punktserhöhung einerseits und der elektrischen Leitfähigkeit<lb/>
andrerseits; denn die ersteren Grössen hängen von der Gesammt-<lb/>
zahl aller gelösten, geladenen und ungeladenen, Moleküle ab,<lb/>
die letztere aber von der Zahl und Art der geladenen Moleküle<lb/>
(Ionen), welche sich nicht immer von vorneherein aus der vorigen<lb/>
Zahl berechnen lässt. Umgekehrt darf eine Divergenz zwischen<lb/>
der aus der Leitfähigkeit berechneten und der direkt gemessenen<lb/>
Gefrierpunktserniedrigung an sich nicht als ein Einwand gegen<lb/>
die Gültigkeit der Theorie angesehen werden, sondern nur als<lb/>
ein Einwand gegen die bei der Berechnung des Gefrierpunktes<lb/>
aus der Leitfähigkeit gemachten Annahmen über die in der<lb/>
Lösung vorhandenen Molekülarten.</p><lb/>
          <p>Der Zusammenhang zwischen der Gefrierpunktserniedrigung<lb/>
und der Molekülzahl des gelösten Stoffes ist zuerst von <hi rendition="#k">Raoult</hi><lb/>
experimentell mit voller Schärfe nachgewiesen worden, thermo-<lb/>
dynamisch begründet und erweitert wurde er von <hi rendition="#k">van&#x2019;t Hoff</hi><lb/>
mittelst seiner Theorie des osmotischen Druckes. Die volle<lb/>
Durchführung auch für Elektrolyte hat <hi rendition="#k">Arrhenius</hi> ermöglicht<lb/>
durch seine Theorie der elektrolytischen Dissociation, während<lb/>
unabhängig davon auch die Thermodynamik gerade auf dem<lb/>
hier beschriebenen Wege zu der Forderung chemischer Um-<lb/>
wandlungen gelöster Stoffe in verdünnten Lösungen geführt hat.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#b">§ 274. Jede der beiden Phasen enthält beide Bestandtheile<lb/>
in merklicher Menge.</hi> Der wichtigste hiehergehörige Fall ist<lb/>
der der Verdampfung einer flüssigen Lösung, in welcher nicht<lb/>
nur das Lösungsmittel, sondern auch der gelöste Stoff flüchtig<lb/>
ist. Da die Anwendbarkeit der allgemeinen Gleichgewichts-<lb/>
bedingung (218) auf eine Mischung idealer Gase nicht davon<lb/>
abhängt, ob die Mischung als eine verdünnte Lösung angesehen<lb/>
werden kann, so gilt jene Gleichung hier in entsprechender An-<lb/>
näherung ohne Rücksicht auf die Zusammensetzung des Dampfes,<lb/>
während dagegen die Flüssigkeit als verdünnte Lösung ange-<lb/>
nommen werden muss.</p><lb/>
          <p>Im Allgemeinen wird jede überhaupt mögliche Molekülart<lb/>
sowohl in der Flüssigkeit als auch im Dampf vertreten sein;<lb/>
man erhält daher nach (216) als allgemeines Symbol des Systems:<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#i">n</hi><hi rendition="#sub">0</hi><hi rendition="#i">m</hi><hi rendition="#sub">0</hi>, <hi rendition="#i">n</hi><hi rendition="#sub">1</hi><hi rendition="#i">m</hi><hi rendition="#sub">1</hi>, <hi rendition="#i">n</hi><hi rendition="#sub">2</hi><hi rendition="#i">m</hi><hi rendition="#sub">2</hi>, .... + <hi rendition="#i">n</hi><hi rendition="#sub">0</hi>' <hi rendition="#i">m</hi><hi rendition="#sub">0</hi>, <hi rendition="#i">n</hi><hi rendition="#sub">1</hi>' <hi rendition="#i">m</hi><hi rendition="#sub">1</hi>, <hi rendition="#i">n</hi><hi rendition="#sub">2</hi>' <hi rendition="#i">m</hi><hi rendition="#sub">2</hi>, &#x2026;</hi><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[237/0253] Verdünnte Lösungen. Gefrierpunktserniedrigung, Dampfspannungserniedrigung, Siede- punktserhöhung einerseits und der elektrischen Leitfähigkeit andrerseits; denn die ersteren Grössen hängen von der Gesammt- zahl aller gelösten, geladenen und ungeladenen, Moleküle ab, die letztere aber von der Zahl und Art der geladenen Moleküle (Ionen), welche sich nicht immer von vorneherein aus der vorigen Zahl berechnen lässt. Umgekehrt darf eine Divergenz zwischen der aus der Leitfähigkeit berechneten und der direkt gemessenen Gefrierpunktserniedrigung an sich nicht als ein Einwand gegen die Gültigkeit der Theorie angesehen werden, sondern nur als ein Einwand gegen die bei der Berechnung des Gefrierpunktes aus der Leitfähigkeit gemachten Annahmen über die in der Lösung vorhandenen Molekülarten. Der Zusammenhang zwischen der Gefrierpunktserniedrigung und der Molekülzahl des gelösten Stoffes ist zuerst von Raoult experimentell mit voller Schärfe nachgewiesen worden, thermo- dynamisch begründet und erweitert wurde er von van’t Hoff mittelst seiner Theorie des osmotischen Druckes. Die volle Durchführung auch für Elektrolyte hat Arrhenius ermöglicht durch seine Theorie der elektrolytischen Dissociation, während unabhängig davon auch die Thermodynamik gerade auf dem hier beschriebenen Wege zu der Forderung chemischer Um- wandlungen gelöster Stoffe in verdünnten Lösungen geführt hat. § 274. Jede der beiden Phasen enthält beide Bestandtheile in merklicher Menge. Der wichtigste hiehergehörige Fall ist der der Verdampfung einer flüssigen Lösung, in welcher nicht nur das Lösungsmittel, sondern auch der gelöste Stoff flüchtig ist. Da die Anwendbarkeit der allgemeinen Gleichgewichts- bedingung (218) auf eine Mischung idealer Gase nicht davon abhängt, ob die Mischung als eine verdünnte Lösung angesehen werden kann, so gilt jene Gleichung hier in entsprechender An- näherung ohne Rücksicht auf die Zusammensetzung des Dampfes, während dagegen die Flüssigkeit als verdünnte Lösung ange- nommen werden muss. Im Allgemeinen wird jede überhaupt mögliche Molekülart sowohl in der Flüssigkeit als auch im Dampf vertreten sein; man erhält daher nach (216) als allgemeines Symbol des Systems: n0 m0, n1 m1, n2 m2, .... + n0' m0, n1' m1, n2' m2, …

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/253
Zitationshilfe: Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/253>, abgerufen am 21.11.2024.