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Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897.

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Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie.
II. Capitel. Beweis.

§ 116. Da der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie, ebenso
wie der erste, ein Erfahrungssatz ist, so kann man von seinem
Beweise nur insofern reden, als sein gesammter Inhalt sich aus
einem einzigen einfachen Erfahrungssatz von einleuchtender
Gewissheit deduciren lässt. Daher stellen wir folgenden Satz
als durch die Erfahrung unmittelbar gegeben an die Spitze: "Es
ist unmöglich, eine periodisch funktionirende Maschine zu con-
struiren, die weiter nichts bewirkt als Hebung einer Last und
Abkühlung eines Wärmereservoirs." Eine solche Maschine könnte
zu gleicher Zeit als Motor und als Kältemaschine benutzt werden,
ohne jeden anderweitigen dauernden Aufwand an Energie und
Materialien, sie wäre also jedenfalls die vortheilhafteste von der
Welt. Zwar käme sie dem perpetuum mobile nicht gleich; denn
sie erzeugt Arbeit keineswegs aus Nichts, sondern aus der Wärme,
die sie dem Reservoir entzieht. Deshalb steht sie auch nicht, wie
das perpetuum mobile, im Widerspruch mit dem Energieprincip.
Aber sie besässe doch den für die Menschheit wesentlichsten
Vorzug des perpetuum mobile: Arbeit kostenlos zu liefern. Denn
die etwa in dem Erdboden, in der Atmosphäre, im Fahrwasser
enthaltene Wärme bietet sich ebenso, wie der Sauerstoff der
Luft, immer in unerschöpflicher Menge einem Jeden zur unmittel-
baren Benutzung dar. Dieser Umstand ist der Grund, weshalb
wir mit dem genannten Satz beginnen. Denn da wir aus ihm den
zweiten Hauptsatz der Wärmetheorie deduciren werden, so sichern
wir uns damit zugleich die Aussicht, bei jeder etwa entdeckten
Abweichung einer Naturerscheinung von dem zweiten Hauptsatz
sogleich eine praktisch höchst bedeutungsvolle Nutzanwendung
aus ihr ziehen zu können. Sobald nämlich irgend ein Phänomen
aufgefunden werden sollte, was einer einzelnen aus dem zweiten
Hauptsatz gezogenen Folgerung widerspricht, so müsste der
Widerspruch in einer Unrichtigkeit der gemachten allerersten
Voraussetzung liegen, und man könnte, an der Hand der Beweis-
führung zurückgehend, das Phänomen zur Combination der ge-
nannten Maschine benutzen. Wir wollen dieselbe im Folgenden
zur Abkürzung nach einem Vorschlag von Ostwald ein perpetuum
mobile zweiter Art nennen, da sie zu dem zweiten Hauptsatz
in derselben Beziehung steht, wie das perpetuum mobile erster

Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie.
II. Capitel. Beweis.

§ 116. Da der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie, ebenso
wie der erste, ein Erfahrungssatz ist, so kann man von seinem
Beweise nur insofern reden, als sein gesammter Inhalt sich aus
einem einzigen einfachen Erfahrungssatz von einleuchtender
Gewissheit deduciren lässt. Daher stellen wir folgenden Satz
als durch die Erfahrung unmittelbar gegeben an die Spitze: „Es
ist unmöglich, eine periodisch funktionirende Maschine zu con-
struiren, die weiter nichts bewirkt als Hebung einer Last und
Abkühlung eines Wärmereservoirs.“ Eine solche Maschine könnte
zu gleicher Zeit als Motor und als Kältemaschine benutzt werden,
ohne jeden anderweitigen dauernden Aufwand an Energie und
Materialien, sie wäre also jedenfalls die vortheilhafteste von der
Welt. Zwar käme sie dem perpetuum mobile nicht gleich; denn
sie erzeugt Arbeit keineswegs aus Nichts, sondern aus der Wärme,
die sie dem Reservoir entzieht. Deshalb steht sie auch nicht, wie
das perpetuum mobile, im Widerspruch mit dem Energieprincip.
Aber sie besässe doch den für die Menschheit wesentlichsten
Vorzug des perpetuum mobile: Arbeit kostenlos zu liefern. Denn
die etwa in dem Erdboden, in der Atmosphäre, im Fahrwasser
enthaltene Wärme bietet sich ebenso, wie der Sauerstoff der
Luft, immer in unerschöpflicher Menge einem Jeden zur unmittel-
baren Benutzung dar. Dieser Umstand ist der Grund, weshalb
wir mit dem genannten Satz beginnen. Denn da wir aus ihm den
zweiten Hauptsatz der Wärmetheorie deduciren werden, so sichern
wir uns damit zugleich die Aussicht, bei jeder etwa entdeckten
Abweichung einer Naturerscheinung von dem zweiten Hauptsatz
sogleich eine praktisch höchst bedeutungsvolle Nutzanwendung
aus ihr ziehen zu können. Sobald nämlich irgend ein Phänomen
aufgefunden werden sollte, was einer einzelnen aus dem zweiten
Hauptsatz gezogenen Folgerung widerspricht, so müsste der
Widerspruch in einer Unrichtigkeit der gemachten allerersten
Voraussetzung liegen, und man könnte, an der Hand der Beweis-
führung zurückgehend, das Phänomen zur Combination der ge-
nannten Maschine benutzen. Wir wollen dieselbe im Folgenden
zur Abkürzung nach einem Vorschlag von Ostwald ein perpetuum
mobile zweiter Art nennen, da sie zu dem zweiten Hauptsatz
in derselben Beziehung steht, wie das perpetuum mobile erster

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[80/0096] Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie. II. Capitel. Beweis. § 116. Da der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie, ebenso wie der erste, ein Erfahrungssatz ist, so kann man von seinem Beweise nur insofern reden, als sein gesammter Inhalt sich aus einem einzigen einfachen Erfahrungssatz von einleuchtender Gewissheit deduciren lässt. Daher stellen wir folgenden Satz als durch die Erfahrung unmittelbar gegeben an die Spitze: „Es ist unmöglich, eine periodisch funktionirende Maschine zu con- struiren, die weiter nichts bewirkt als Hebung einer Last und Abkühlung eines Wärmereservoirs.“ Eine solche Maschine könnte zu gleicher Zeit als Motor und als Kältemaschine benutzt werden, ohne jeden anderweitigen dauernden Aufwand an Energie und Materialien, sie wäre also jedenfalls die vortheilhafteste von der Welt. Zwar käme sie dem perpetuum mobile nicht gleich; denn sie erzeugt Arbeit keineswegs aus Nichts, sondern aus der Wärme, die sie dem Reservoir entzieht. Deshalb steht sie auch nicht, wie das perpetuum mobile, im Widerspruch mit dem Energieprincip. Aber sie besässe doch den für die Menschheit wesentlichsten Vorzug des perpetuum mobile: Arbeit kostenlos zu liefern. Denn die etwa in dem Erdboden, in der Atmosphäre, im Fahrwasser enthaltene Wärme bietet sich ebenso, wie der Sauerstoff der Luft, immer in unerschöpflicher Menge einem Jeden zur unmittel- baren Benutzung dar. Dieser Umstand ist der Grund, weshalb wir mit dem genannten Satz beginnen. Denn da wir aus ihm den zweiten Hauptsatz der Wärmetheorie deduciren werden, so sichern wir uns damit zugleich die Aussicht, bei jeder etwa entdeckten Abweichung einer Naturerscheinung von dem zweiten Hauptsatz sogleich eine praktisch höchst bedeutungsvolle Nutzanwendung aus ihr ziehen zu können. Sobald nämlich irgend ein Phänomen aufgefunden werden sollte, was einer einzelnen aus dem zweiten Hauptsatz gezogenen Folgerung widerspricht, so müsste der Widerspruch in einer Unrichtigkeit der gemachten allerersten Voraussetzung liegen, und man könnte, an der Hand der Beweis- führung zurückgehend, das Phänomen zur Combination der ge- nannten Maschine benutzen. Wir wollen dieselbe im Folgenden zur Abkürzung nach einem Vorschlag von Ostwald ein perpetuum mobile zweiter Art nennen, da sie zu dem zweiten Hauptsatz in derselben Beziehung steht, wie das perpetuum mobile erster

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Zitationshilfe: Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/96>, abgerufen am 24.11.2024.