Platen, August von: Die verhängnißvolle Gabel. Stuttgart u. a., 1826.
Spann plötzlich, weh! sich ein solches Gethüm von der Decke herab in den Mund mir: Ich schrie, wie am Spieß, das erräthst du, doch nicht, was nun mein Ehegemahl that? Er erschrak und stach sich die Gabel in Schlund, da er just Kartoffelsalat aß. So starb er und mir blieb stets in der Brust ein grausam nagender Vorwurf, Obgleich nach ihm drei Männer ich noch heirathete, mich zu betäuben. Doch hinderlich ging's mir stets und betrübt, seit jenem erbärmlichen Unfall: Wenn ich am Putztisch mich schminkte, vergaß ich gemeinig- lich eine der Backen; Wenn ich emsig und schnell Nähnadeln sodann einfädelte, fand ich das Oeh[r] nicht; Wenn ich mahlte Kaffee, gleich sprangen sofort zur Mühle heraus mir die Bohnen; Wenn ich beim Backwerk aufstreute den Zimmt, so ergriff ich die Büchse mit Streusand; Wenn im Freien ich saß, hob immer den Fuß bei mir ein pissender Mops auf. Kurz, Alles mißlang und das Beste mißrieth, durch sichtliche Rache der Vorsicht; Auch muß ich dafür nun todt umgehn, vielleicht bis meines Geschlechtes, Das viel Unglück in der Gabel ererbt, letzt äußerster Sprosse verschieden. Aber mein Ursohn, weh, weh, weh mir! hat zwölf paus- backige Kinder.
Spann ploͤtzlich, weh! ſich ein ſolches Gethuͤm von der Decke herab in den Mund mir: Ich ſchrie, wie am Spieß, das erraͤthſt du, doch nicht, was nun mein Ehegemahl that? Er erſchrak und ſtach ſich die Gabel in Schlund, da er juſt Kartoffelſalat aß. So ſtarb er und mir blieb ſtets in der Bruſt ein grauſam nagender Vorwurf, Obgleich nach ihm drei Maͤnner ich noch heirathete, mich zu betaͤuben. Doch hinderlich ging's mir ſtets und betruͤbt, ſeit jenem erbaͤrmlichen Unfall: Wenn ich am Putztiſch mich ſchminkte, vergaß ich gemeinig- lich eine der Backen; Wenn ich emſig und ſchnell Naͤhnadeln ſodann einfaͤdelte, fand ich das Oeh[r] nicht; Wenn ich mahlte Kaffee, gleich ſprangen ſofort zur Muͤhle heraus mir die Bohnen; Wenn ich beim Backwerk aufſtreute den Zimmt, ſo ergriff ich die Buͤchſe mit Streuſand; Wenn im Freien ich ſaß, hob immer den Fuß bei mir ein piſſender Mops auf. Kurz, Alles mißlang und das Beſte mißrieth, durch ſichtliche Rache der Vorſicht; Auch muß ich dafuͤr nun todt umgehn, vielleicht bis meines Geſchlechtes, Das viel Ungluͤck in der Gabel ererbt, letzt aͤußerſter Sproſſe verſchieden. Aber mein Urſohn, weh, weh, weh mir! hat zwoͤlf paus- backige Kinder. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#SCHM"> <p><pb facs="#f0021" n="15"/> Spann ploͤtzlich, weh! ſich ein ſolches Gethuͤm von der Decke<lb/> herab in den Mund mir:<lb/> Ich ſchrie, wie am Spieß, das erraͤthſt du, doch nicht,<lb/> was nun mein Ehegemahl that?<lb/> Er erſchrak und ſtach ſich die Gabel in Schlund, da er juſt<lb/> Kartoffelſalat aß.<lb/> So ſtarb er und mir blieb ſtets in der Bruſt ein grauſam<lb/> nagender Vorwurf,<lb/> Obgleich nach ihm drei Maͤnner ich noch heirathete, mich zu<lb/> betaͤuben.<lb/> Doch hinderlich ging's mir ſtets und betruͤbt, ſeit jenem<lb/> erbaͤrmlichen Unfall:<lb/> Wenn ich am Putztiſch mich ſchminkte, <choice><sic>ve gaß</sic><corr>vergaß</corr></choice> ich gemeinig-<lb/> lich eine der Backen;<lb/> Wenn ich emſig und ſchnell Naͤhnadeln ſodann einfaͤdelte,<lb/> fand ich das Oeh<supplied reason="damage">r</supplied> nicht;<lb/> Wenn ich mahlte Kaffee, gleich ſprangen ſofort zur Muͤhle<lb/> heraus mir die Bohnen;<lb/> Wenn ich beim Backwerk aufſtreute den Zimmt, ſo ergriff<lb/> ich die Buͤchſe mit Streuſand;<lb/> Wenn im Freien ich ſaß, hob immer den Fuß bei mir ein<lb/> piſſender Mops auf.<lb/> Kurz, Alles mißlang und das Beſte mißrieth, durch ſichtliche<lb/> Rache der Vorſicht;<lb/> Auch muß ich dafuͤr nun todt umgehn, vielleicht bis meines<lb/> Geſchlechtes,<lb/> Das viel Ungluͤck in der Gabel ererbt, letzt aͤußerſter Sproſſe<lb/> verſchieden.<lb/> Aber mein Urſohn, weh, weh, weh mir! hat zwoͤlf paus-<lb/> backige Kinder.<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0021]
Spann ploͤtzlich, weh! ſich ein ſolches Gethuͤm von der Decke
herab in den Mund mir:
Ich ſchrie, wie am Spieß, das erraͤthſt du, doch nicht,
was nun mein Ehegemahl that?
Er erſchrak und ſtach ſich die Gabel in Schlund, da er juſt
Kartoffelſalat aß.
So ſtarb er und mir blieb ſtets in der Bruſt ein grauſam
nagender Vorwurf,
Obgleich nach ihm drei Maͤnner ich noch heirathete, mich zu
betaͤuben.
Doch hinderlich ging's mir ſtets und betruͤbt, ſeit jenem
erbaͤrmlichen Unfall:
Wenn ich am Putztiſch mich ſchminkte, vergaß ich gemeinig-
lich eine der Backen;
Wenn ich emſig und ſchnell Naͤhnadeln ſodann einfaͤdelte,
fand ich das Oehr nicht;
Wenn ich mahlte Kaffee, gleich ſprangen ſofort zur Muͤhle
heraus mir die Bohnen;
Wenn ich beim Backwerk aufſtreute den Zimmt, ſo ergriff
ich die Buͤchſe mit Streuſand;
Wenn im Freien ich ſaß, hob immer den Fuß bei mir ein
piſſender Mops auf.
Kurz, Alles mißlang und das Beſte mißrieth, durch ſichtliche
Rache der Vorſicht;
Auch muß ich dafuͤr nun todt umgehn, vielleicht bis meines
Geſchlechtes,
Das viel Ungluͤck in der Gabel ererbt, letzt aͤußerſter Sproſſe
verſchieden.
Aber mein Urſohn, weh, weh, weh mir! hat zwoͤlf paus-
backige Kinder.
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| Zitationshilfe: | Platen, August von: Die verhängnißvolle Gabel. Stuttgart u. a., 1826, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gabel_1826/21>, abgerufen am 23.11.2024. |
