Platen, August von: Die verhängnißvolle Gabel. Stuttgart u. a., 1826. Phyllis. Demnach aber darf das Gute deutsche Bretter nie besteigen? Mopsus. Nie, wofern es reich und kräftig, überlegen, keck und eigen. Phyllis. Wehrt denn diesem Volk zuweilen nicht ein Fürst herab vom Throne? Mopsus. Schmeichler nahn sich ihm als Flecken, trüben den Brillant der Krone: Ein Poet stolzirt in Waffen, ist des Helikons Bestürmer, Aber Manche kriechen aufwärts, wie gekrümmte Regen- würmer, Und das Publikum, das alte Höckerweib, entblößt von Zähnen, Schließt sogleich den Mund zum Bravo, wenn er Miene macht zum Gähnen. Phyllis. Auf die neuern Dramaturgen wäre sonach nichts zu halten? Mopsus. Das vernein' ich. Gutes mag sich, doch mir unbewußt, ge- stalten: Ja, ich könnte selbst citiren ein'ge schöne, neu're Data: Kam nicht Herzog Ernst aus Schwaben? Kam nicht aus Burgund Renata! Phyllis. Kommt nicht eben hier der Schultheiß? Mopsus. Noch so spat, was kann er wollen? Phyllis. Demnach aber darf das Gute deutſche Bretter nie beſteigen? Mopſus. Nie, wofern es reich und kraͤftig, uͤberlegen, keck und eigen. Phyllis. Wehrt denn dieſem Volk zuweilen nicht ein Fuͤrſt herab vom Throne? Mopſus. Schmeichler nahn ſich ihm als Flecken, truͤben den Brillant der Krone: Ein Poet ſtolzirt in Waffen, iſt des Helikons Beſtuͤrmer, Aber Manche kriechen aufwaͤrts, wie gekruͤmmte Regen- wuͤrmer, Und das Publikum, das alte Hoͤckerweib, entbloͤßt von Zaͤhnen, Schließt ſogleich den Mund zum Bravo, wenn er Miene macht zum Gaͤhnen. Phyllis. Auf die neuern Dramaturgen waͤre ſonach nichts zu halten? Mopſus. Das vernein' ich. Gutes mag ſich, doch mir unbewußt, ge- ſtalten: Ja, ich koͤnnte ſelbſt citiren ein'ge ſchoͤne, neu're Data: Kam nicht Herzog Ernſt aus Schwaben? Kam nicht aus Burgund Renata! Phyllis. Kommt nicht eben hier der Schultheiß? Mopſus. Noch ſo ſpat, was kann er wollen? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0047" n="41"/> <sp who="#PHY"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Phyllis</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Demnach aber darf das Gute deutſche Bretter nie beſteigen?</p> </sp><lb/> <sp who="#MOP"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Mopſus</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Nie, wofern es reich und kraͤftig, uͤberlegen, keck und eigen.</p> </sp><lb/> <sp who="#PHY"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Phyllis</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Wehrt denn dieſem Volk zuweilen nicht ein Fuͤrſt herab<lb/> vom Throne?</p> </sp><lb/> <sp who="#MOP"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Mopſus</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Schmeichler nahn ſich ihm als Flecken, truͤben den Brillant<lb/> der Krone:<lb/> Ein Poet ſtolzirt in Waffen, iſt des Helikons Beſtuͤrmer,<lb/> Aber Manche kriechen aufwaͤrts, wie gekruͤmmte Regen-<lb/> wuͤrmer,<lb/> Und das Publikum, das alte Hoͤckerweib, entbloͤßt von Zaͤhnen,<lb/> Schließt ſogleich den Mund zum Bravo, wenn er Miene<lb/> macht zum Gaͤhnen.</p> </sp><lb/> <sp who="#PHY"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Phyllis</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Auf die neuern Dramaturgen waͤre ſonach nichts zu halten?</p> </sp><lb/> <sp who="#MOP"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Mopſus</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Das vernein' ich. Gutes mag ſich, doch mir unbewußt, ge-<lb/> ſtalten:<lb/> Ja, ich koͤnnte ſelbſt citiren ein'ge ſchoͤne, neu're Data:<lb/> Kam nicht Herzog Ernſt aus Schwaben? Kam nicht aus<lb/> Burgund Renata!</p> </sp><lb/> <sp who="#PHY"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Phyllis</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Kommt nicht eben hier der Schultheiß?</p> </sp><lb/> <sp who="#MOP"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Mopſus</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Noch ſo ſpat, was kann er wollen?</p><lb/> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [41/0047]
Phyllis.
Demnach aber darf das Gute deutſche Bretter nie beſteigen?
Mopſus.
Nie, wofern es reich und kraͤftig, uͤberlegen, keck und eigen.
Phyllis.
Wehrt denn dieſem Volk zuweilen nicht ein Fuͤrſt herab
vom Throne?
Mopſus.
Schmeichler nahn ſich ihm als Flecken, truͤben den Brillant
der Krone:
Ein Poet ſtolzirt in Waffen, iſt des Helikons Beſtuͤrmer,
Aber Manche kriechen aufwaͤrts, wie gekruͤmmte Regen-
wuͤrmer,
Und das Publikum, das alte Hoͤckerweib, entbloͤßt von Zaͤhnen,
Schließt ſogleich den Mund zum Bravo, wenn er Miene
macht zum Gaͤhnen.
Phyllis.
Auf die neuern Dramaturgen waͤre ſonach nichts zu halten?
Mopſus.
Das vernein' ich. Gutes mag ſich, doch mir unbewußt, ge-
ſtalten:
Ja, ich koͤnnte ſelbſt citiren ein'ge ſchoͤne, neu're Data:
Kam nicht Herzog Ernſt aus Schwaben? Kam nicht aus
Burgund Renata!
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Kommt nicht eben hier der Schultheiß?
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