Platen, August von: Die verhängnißvolle Gabel. Stuttgart u. a., 1826. Mopsus. Mitternacht ist nah, da hört man Ammenmährchen gern berichten. Damon. In Arkadien war ein Kuhhirt, welcher hieß Anaximander, Er und seine Gattin schliefen eines Abends bei einander; Aber neben ihr, so war es ihr Gebrauch, auf einem Tischchen Lag ihr Ehering und eine Predigt, oder sonst ein Wischchen. Offen standen alle Fenster, da es Sommer war, und freier Lüftete des Zephyrs Athem der Gardinen grüne Schleier; Aber mit dem Zephyr kam ein Elsterchen herbeigeflogen, Dieses wurde durch des Ringes gelben Schimmer angezogen, Flog ans Tischchen, sah die Predigt, nahm jedoch den Ring alleine, Trug ihn fort und ließ ihn wieder fallen -- auf dem Ra- bensteine. Weil's vom Schicksal war beschlossen, daß es so geschehen sollte, Sieht ihn dort der Knecht des Henkers, welcher eben rä- dern wollte, Steckt ihn an die Hand; doch achtet er nicht weiter dieses Dinges. Des Anaximanders Gattin merkte den Verlust des Ringes Schon am andern Tag, verschweigt es aber weislich ihrem Gatten, Weil sie hofft, der Zufall werd' ihr ihn gewiß zurücker- statten. Doch im Stall Anaximanders, dieses dürft ihr nicht ver- gessen, Da's die Quintessenz von Allem, war ein Ochs krepirt in- dessen: Mopſus. Mitternacht iſt nah, da hoͤrt man Ammenmaͤhrchen gern berichten. Damon. In Arkadien war ein Kuhhirt, welcher hieß Anaximander, Er und ſeine Gattin ſchliefen eines Abends bei einander; Aber neben ihr, ſo war es ihr Gebrauch, auf einem Tiſchchen Lag ihr Ehering und eine Predigt, oder ſonſt ein Wiſchchen. Offen ſtanden alle Fenſter, da es Sommer war, und freier Luͤftete des Zephyrs Athem der Gardinen gruͤne Schleier; Aber mit dem Zephyr kam ein Elſterchen herbeigeflogen, Dieſes wurde durch des Ringes gelben Schimmer angezogen, Flog ans Tiſchchen, ſah die Predigt, nahm jedoch den Ring alleine, Trug ihn fort und ließ ihn wieder fallen — auf dem Ra- benſteine. Weil's vom Schickſal war beſchloſſen, daß es ſo geſchehen ſollte, Sieht ihn dort der Knecht des Henkers, welcher eben raͤ- dern wollte, Steckt ihn an die Hand; doch achtet er nicht weiter dieſes Dinges. Des Anaximanders Gattin merkte den Verluſt des Ringes Schon am andern Tag, verſchweigt es aber weislich ihrem Gatten, Weil ſie hofft, der Zufall werd' ihr ihn gewiß zuruͤcker- ſtatten. Doch im Stall Anaximanders, dieſes duͤrft ihr nicht ver- geſſen, Da's die Quinteſſenz von Allem, war ein Ochs krepirt in- deſſen: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0049" n="43"/> <sp who="#MOP"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Mopſus</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Mitternacht iſt nah, da hoͤrt man Ammenmaͤhrchen gern<lb/> berichten.</p> </sp><lb/> <sp who="#DAM"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Damon</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>In Arkadien war ein Kuhhirt, welcher hieß Anaximander,<lb/> Er und ſeine Gattin ſchliefen eines Abends bei einander;<lb/> Aber neben ihr, ſo war es ihr Gebrauch, auf einem Tiſchchen<lb/> Lag ihr Ehering und eine Predigt, oder ſonſt ein Wiſchchen.<lb/> Offen ſtanden alle Fenſter, da es Sommer war, und freier<lb/> Luͤftete des Zephyrs Athem der Gardinen gruͤne Schleier;<lb/> Aber mit dem Zephyr kam ein Elſterchen herbeigeflogen,<lb/> Dieſes wurde durch des Ringes gelben Schimmer angezogen,<lb/> Flog ans Tiſchchen, ſah die Predigt, nahm jedoch den<lb/> Ring alleine,<lb/> Trug ihn fort und ließ ihn wieder fallen — auf dem Ra-<lb/> benſteine.<lb/> Weil's vom Schickſal war beſchloſſen, daß es ſo geſchehen<lb/> ſollte,<lb/> Sieht ihn dort der Knecht des Henkers, welcher eben raͤ-<lb/> dern wollte,<lb/> Steckt ihn an die Hand; doch achtet er nicht weiter dieſes<lb/> Dinges.<lb/> Des Anaximanders Gattin merkte den Verluſt des Ringes<lb/> Schon am andern Tag, verſchweigt es aber weislich ihrem<lb/> Gatten,<lb/> Weil ſie hofft, der Zufall werd' ihr ihn gewiß zuruͤcker-<lb/> ſtatten.<lb/> Doch im Stall Anaximanders, dieſes duͤrft ihr nicht ver-<lb/> geſſen,<lb/> Da's die Quinteſſenz von Allem, war ein Ochs krepirt in-<lb/> deſſen:<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [43/0049]
Mopſus.
Mitternacht iſt nah, da hoͤrt man Ammenmaͤhrchen gern
berichten.
Damon.
In Arkadien war ein Kuhhirt, welcher hieß Anaximander,
Er und ſeine Gattin ſchliefen eines Abends bei einander;
Aber neben ihr, ſo war es ihr Gebrauch, auf einem Tiſchchen
Lag ihr Ehering und eine Predigt, oder ſonſt ein Wiſchchen.
Offen ſtanden alle Fenſter, da es Sommer war, und freier
Luͤftete des Zephyrs Athem der Gardinen gruͤne Schleier;
Aber mit dem Zephyr kam ein Elſterchen herbeigeflogen,
Dieſes wurde durch des Ringes gelben Schimmer angezogen,
Flog ans Tiſchchen, ſah die Predigt, nahm jedoch den
Ring alleine,
Trug ihn fort und ließ ihn wieder fallen — auf dem Ra-
benſteine.
Weil's vom Schickſal war beſchloſſen, daß es ſo geſchehen
ſollte,
Sieht ihn dort der Knecht des Henkers, welcher eben raͤ-
dern wollte,
Steckt ihn an die Hand; doch achtet er nicht weiter dieſes
Dinges.
Des Anaximanders Gattin merkte den Verluſt des Ringes
Schon am andern Tag, verſchweigt es aber weislich ihrem
Gatten,
Weil ſie hofft, der Zufall werd' ihr ihn gewiß zuruͤcker-
ſtatten.
Doch im Stall Anaximanders, dieſes duͤrft ihr nicht ver-
geſſen,
Da's die Quinteſſenz von Allem, war ein Ochs krepirt in-
deſſen:
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