Platen, August von: Die verhängnißvolle Gabel. Stuttgart u. a., 1826.
Von der Wurzel des Baums zum Gipfel empor steigt's auf als Gift der Zerstörung, Und es schleicht als Tod ins thierische Herz, und vermählt sich menschlichem Odem; Drum lebt auch länger der Vogel als ihr, der weniger klebt an der Erde, Der seltener auch den entsetzlichen Dunst aus höherer Luft- region zieht. O könntest du jetzt in der Mitte der Nacht durchschweben Gefild und Gebirge! Aus Schluchten empor widerhallt das Gestein vom Zähnege- klapper der Hölle, Und vernehmlich krächzt aus Wipfel und Dach halbmensch- liche Worte der Uhu, Denn es irrt die Natur, und vermischt gräulvoll Labyrin- thisches untereinander! Jetzt heben empor aus Quellen und Seen Meernixen ihr schilfiges Antlitz Und den schuppigen Leib, und stören den Traum des Ermü- deten, welcher am Bach schläft; Und das Mühlrad peitscht aufzischenden Schaum in verdop- pelter Schnelle wie rasend. Und der Mühlknecht stürzt in den Trichter hinab, wenn er just aufgießet das Korn jetzt. Auf dem Kirchhof stäubt die Gebeine herum lautsausend ein wüthender Windstoß, Und es knarren der Gruft Thürangeln, es flammt, wie von Blitzen erleuchtet, die Grabschrift, Und die Todten im Sarg, aufwachen sie halb, und behorchen mit Schauder den Holzwurm. Hu, hu! Weh, weh! O Mitte der Nacht, du grausige Stunde, huhu, hu!
Von der Wurzel des Baums zum Gipfel empor ſteigt's auf als Gift der Zerſtoͤrung, Und es ſchleicht als Tod ins thieriſche Herz, und vermaͤhlt ſich menſchlichem Odem; Drum lebt auch laͤnger der Vogel als ihr, der weniger klebt an der Erde, Der ſeltener auch den entſetzlichen Dunſt aus hoͤherer Luft- region zieht. O koͤnnteſt du jetzt in der Mitte der Nacht durchſchweben Gefild und Gebirge! Aus Schluchten empor widerhallt das Geſtein vom Zaͤhnege- klapper der Hoͤlle, Und vernehmlich kraͤchzt aus Wipfel und Dach halbmenſch- liche Worte der Uhu, Denn es irrt die Natur, und vermiſcht graͤulvoll Labyrin- thiſches untereinander! Jetzt heben empor aus Quellen und Seen Meernixen ihr ſchilfiges Antlitz Und den ſchuppigen Leib, und ſtoͤren den Traum des Ermuͤ- deten, welcher am Bach ſchlaͤft; Und das Muͤhlrad peitſcht aufziſchenden Schaum in verdop- pelter Schnelle wie raſend. Und der Muͤhlknecht ſtuͤrzt in den Trichter hinab, wenn er juſt aufgießet das Korn jetzt. Auf dem Kirchhof ſtaͤubt die Gebeine herum lautſauſend ein wuͤthender Windſtoß, Und es knarren der Gruft Thuͤrangeln, es flammt, wie von Blitzen erleuchtet, die Grabſchrift, Und die Todten im Sarg, aufwachen ſie halb, und behorchen mit Schauder den Holzwurm. Hu, hu! Weh, weh! O Mitte der Nacht, du grauſige Stunde, huhu, hu! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#SAL"> <p><pb facs="#f0056" n="50"/> Von der Wurzel des Baums zum Gipfel empor ſteigt's auf<lb/> als Gift der Zerſtoͤrung,<lb/> Und es ſchleicht als Tod ins thieriſche Herz, und vermaͤhlt<lb/> ſich menſchlichem Odem;<lb/> Drum lebt auch laͤnger der Vogel als ihr, der weniger<lb/> klebt an der Erde,<lb/> Der ſeltener auch den entſetzlichen Dunſt aus hoͤherer Luft-<lb/> region zieht.<lb/> O koͤnnteſt du jetzt in der Mitte der Nacht durchſchweben<lb/> Gefild und Gebirge!<lb/> Aus Schluchten empor widerhallt das Geſtein vom Zaͤhnege-<lb/> klapper der Hoͤlle,<lb/> Und vernehmlich kraͤchzt aus Wipfel und Dach halbmenſch-<lb/> liche Worte der Uhu,<lb/> Denn es irrt die Natur, und vermiſcht graͤulvoll Labyrin-<lb/> thiſches untereinander!<lb/> Jetzt heben empor aus Quellen und Seen Meernixen ihr<lb/> ſchilfiges Antlitz<lb/> Und den ſchuppigen Leib, und ſtoͤren den Traum des Ermuͤ-<lb/> deten, welcher am Bach ſchlaͤft;<lb/> Und das Muͤhlrad peitſcht aufziſchenden Schaum in verdop-<lb/> pelter Schnelle wie raſend.<lb/> Und der Muͤhlknecht ſtuͤrzt in den Trichter hinab, wenn er<lb/> juſt aufgießet das Korn jetzt.<lb/> Auf dem Kirchhof ſtaͤubt die Gebeine herum lautſauſend ein<lb/> wuͤthender Windſtoß,<lb/> Und es knarren der Gruft Thuͤrangeln, es flammt, wie von<lb/> Blitzen erleuchtet, die Grabſchrift,<lb/> Und die Todten im Sarg, aufwachen ſie halb, und behorchen<lb/> mit Schauder den Holzwurm.<lb/> Hu, hu! Weh, weh! O Mitte der Nacht, du grauſige<lb/> Stunde, huhu, hu!</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [50/0056]
Von der Wurzel des Baums zum Gipfel empor ſteigt's auf
als Gift der Zerſtoͤrung,
Und es ſchleicht als Tod ins thieriſche Herz, und vermaͤhlt
ſich menſchlichem Odem;
Drum lebt auch laͤnger der Vogel als ihr, der weniger
klebt an der Erde,
Der ſeltener auch den entſetzlichen Dunſt aus hoͤherer Luft-
region zieht.
O koͤnnteſt du jetzt in der Mitte der Nacht durchſchweben
Gefild und Gebirge!
Aus Schluchten empor widerhallt das Geſtein vom Zaͤhnege-
klapper der Hoͤlle,
Und vernehmlich kraͤchzt aus Wipfel und Dach halbmenſch-
liche Worte der Uhu,
Denn es irrt die Natur, und vermiſcht graͤulvoll Labyrin-
thiſches untereinander!
Jetzt heben empor aus Quellen und Seen Meernixen ihr
ſchilfiges Antlitz
Und den ſchuppigen Leib, und ſtoͤren den Traum des Ermuͤ-
deten, welcher am Bach ſchlaͤft;
Und das Muͤhlrad peitſcht aufziſchenden Schaum in verdop-
pelter Schnelle wie raſend.
Und der Muͤhlknecht ſtuͤrzt in den Trichter hinab, wenn er
juſt aufgießet das Korn jetzt.
Auf dem Kirchhof ſtaͤubt die Gebeine herum lautſauſend ein
wuͤthender Windſtoß,
Und es knarren der Gruft Thuͤrangeln, es flammt, wie von
Blitzen erleuchtet, die Grabſchrift,
Und die Todten im Sarg, aufwachen ſie halb, und behorchen
mit Schauder den Holzwurm.
Hu, hu! Weh, weh! O Mitte der Nacht, du grauſige
Stunde, huhu, hu!
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