Platen, August von: Die verhängnißvolle Gabel. Stuttgart u. a., 1826.
Als Einen, der die Nase nicht in Alles steckt, Verschlossen, still, zartfühlend bis zum Eigensinn, Und in sich eine größre Welt als außer ihm. Ist das gegründet, würd' ich, wär' ich Präsident Von einer wissenschaftlichen Akademie Aufstellen als Preisfrage diesen kurzen Satz: Wo nehmen denn die Dichter die Gedanken her? Viel weiß man, wenn man das nur weiß. Man schickte dann Compilatoren, Schwätzer und Pedanten hin, Die voll von Mitleid auf Poeten niedersehn, Und sich so viel auf ihre Sitzgelehrsamkeit Einbilden, um zu lernen, daß es außer dem Buchstaben noch was Andres gibt in Gottes Welt. Allein, was fall' ich aus der Rolle? Sehn wir erst Nach unserm Schmuhl, o hieß' es doch nach unserm Schatz! (Er geht ins Haus, Sirmio kommt von der andern Seite.) Sirmio (singend). O wonnigliche Reiselust, An dich gedenk' ich früh und spat! Der Sommer naht, der Sommer naht, Mai, Juni, Juli und August, Da quillt empor, Da schwillt empor Das Herz in jeder Brust. Ein Thor, wer immer stille steht, Drum Lebewohl und reisen wir! Ich lobe mir, ich lobe mir Die Liebe, die auf Reisen geht! Drum säume nicht, Und träume nicht Wer meinen Wink versteht!
Als Einen, der die Naſe nicht in Alles ſteckt, Verſchloſſen, ſtill, zartfuͤhlend bis zum Eigenſinn, Und in ſich eine groͤßre Welt als außer ihm. Iſt das gegruͤndet, wuͤrd' ich, waͤr' ich Praͤſident Von einer wiſſenſchaftlichen Akademie Aufſtellen als Preisfrage dieſen kurzen Satz: Wo nehmen denn die Dichter die Gedanken her? Viel weiß man, wenn man das nur weiß. Man ſchickte dann Compilatoren, Schwaͤtzer und Pedanten hin, Die voll von Mitleid auf Poeten niederſehn, Und ſich ſo viel auf ihre Sitzgelehrſamkeit Einbilden, um zu lernen, daß es außer dem Buchſtaben noch was Andres gibt in Gottes Welt. Allein, was fall' ich aus der Rolle? Sehn wir erſt Nach unſerm Schmuhl, o hieß' es doch nach unſerm Schatz! (Er geht ins Haus, Sirmio kommt von der andern Seite.) Sirmio (ſingend). O wonnigliche Reiſeluſt, An dich gedenk' ich fruͤh und ſpat! Der Sommer naht, der Sommer naht, Mai, Juni, Juli und Auguſt, Da quillt empor, Da ſchwillt empor Das Herz in jeder Bruſt. Ein Thor, wer immer ſtille ſteht, Drum Lebewohl und reiſen wir! Ich lobe mir, ich lobe mir Die Liebe, die auf Reiſen geht! Drum ſaͤume nicht, Und traͤume nicht Wer meinen Wink verſteht! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#DAM"> <p><pb facs="#f0068" n="62"/> Als Einen, der die Naſe nicht in Alles ſteckt,<lb/> Verſchloſſen, ſtill, zartfuͤhlend bis zum Eigenſinn,<lb/> Und in ſich eine groͤßre Welt als außer ihm.<lb/> Iſt das gegruͤndet, wuͤrd' ich, waͤr' ich Praͤſident<lb/> Von einer wiſſenſchaftlichen Akademie<lb/> Aufſtellen als Preisfrage dieſen kurzen Satz:<lb/> Wo nehmen denn die Dichter die Gedanken her?<lb/> Viel weiß man, wenn man das nur weiß. Man ſchickte dann<lb/> Compilatoren, Schwaͤtzer und Pedanten hin,<lb/> Die voll von Mitleid auf Poeten niederſehn,<lb/> Und ſich ſo viel auf ihre Sitzgelehrſamkeit<lb/> Einbilden, um zu lernen, daß es außer dem<lb/> Buchſtaben noch was Andres gibt in Gottes Welt.<lb/> Allein, was fall' ich aus der Rolle? Sehn wir erſt<lb/> Nach unſerm Schmuhl, o hieß' es doch nach unſerm Schatz!</p><lb/> <stage> <hi rendition="#c">(Er geht ins Haus, <hi rendition="#g">Sirmio</hi> kommt von der andern Seite.)</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#SIR"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Sirmio</hi> </hi> </speaker> <stage> <hi rendition="#c">(ſingend).</hi> </stage><lb/> <p>O wonnigliche Reiſeluſt,<lb/> An dich gedenk' ich fruͤh und ſpat!<lb/> Der Sommer naht, der Sommer naht,<lb/> Mai, Juni, Juli und Auguſt,<lb/> Da quillt empor,<lb/> Da ſchwillt empor<lb/> Das Herz in jeder Bruſt.</p><lb/> <p>Ein Thor, wer immer ſtille ſteht,<lb/> Drum Lebewohl und reiſen wir!<lb/> Ich lobe mir, ich lobe mir<lb/> Die Liebe, die auf Reiſen geht!<lb/> Drum ſaͤume nicht,<lb/> Und traͤume nicht<lb/> Wer meinen Wink verſteht!</p><lb/> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [62/0068]
Als Einen, der die Naſe nicht in Alles ſteckt,
Verſchloſſen, ſtill, zartfuͤhlend bis zum Eigenſinn,
Und in ſich eine groͤßre Welt als außer ihm.
Iſt das gegruͤndet, wuͤrd' ich, waͤr' ich Praͤſident
Von einer wiſſenſchaftlichen Akademie
Aufſtellen als Preisfrage dieſen kurzen Satz:
Wo nehmen denn die Dichter die Gedanken her?
Viel weiß man, wenn man das nur weiß. Man ſchickte dann
Compilatoren, Schwaͤtzer und Pedanten hin,
Die voll von Mitleid auf Poeten niederſehn,
Und ſich ſo viel auf ihre Sitzgelehrſamkeit
Einbilden, um zu lernen, daß es außer dem
Buchſtaben noch was Andres gibt in Gottes Welt.
Allein, was fall' ich aus der Rolle? Sehn wir erſt
Nach unſerm Schmuhl, o hieß' es doch nach unſerm Schatz!
(Er geht ins Haus, Sirmio kommt von der andern Seite.)
Sirmio (ſingend).
O wonnigliche Reiſeluſt,
An dich gedenk' ich fruͤh und ſpat!
Der Sommer naht, der Sommer naht,
Mai, Juni, Juli und Auguſt,
Da quillt empor,
Da ſchwillt empor
Das Herz in jeder Bruſt.
Ein Thor, wer immer ſtille ſteht,
Drum Lebewohl und reiſen wir!
Ich lobe mir, ich lobe mir
Die Liebe, die auf Reiſen geht!
Drum ſaͤume nicht,
Und traͤume nicht
Wer meinen Wink verſteht!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gabel_1826 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gabel_1826/68 |
Zitationshilfe: | Platen, August von: Die verhängnißvolle Gabel. Stuttgart u. a., 1826, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gabel_1826/68>, abgerufen am 16.02.2025. |