Platen, August von: Die verhängnißvolle Gabel. Stuttgart u. a., 1826. Damon. Ich ziehe vor, zu schlafen auf dem Kanapee. Wirth. Wie's euch beliebt. Doch bitt' ich, schnarcht mir nicht zu laut! Hierneben schläft die reichste Lady von der Welt. Seht hier die Kiste, welche voll von Louisd'ors, Doch ist das nichts, verglichen mit dem Uebrigen! Zwar ganz geheuer ist sie nicht, den Schleier legt Sie nie von sich, und ihre Mutter hat vielleicht Sich in Berlin, wie's häufig dort geschieht, versehn. Doch geht man leicht darüber weg, ein Billionär Darf bis auf einen gewissen Grad unleidlich seyn. -- Doch seyd ihr müde, wie mir scheint, gehabt euch wohl, Und macht euch hier, so gut ihr könnt, im Saal zurecht; Bis morgen räumt die Lady dort das Kabinet. (ab.) Damon. Hier wär' ich nun wohl vom Galgen befreit; doch hungrig und ärmer als Hiob! Wie werd' ich die Nacht, und den kommenden Tag, und die kommenden Tage verbringen? Nichts konnt' ich mit mir fortnehmen, ja nicht einmal die gelehrten Excerpten, Die in Deutschland kein Buchhändler verschmäht und verab- säumt hätte, das weiß ich: Was recht schwerfällig und ledern erscheint, das halten die Deutschen für gründlich, Denn diese Nation saalbadert so gern, saalbadert herab von der Kanzel, Saalbadert zu Haus, saalbadert sodann vor Gericht, saal- badert im Schauspiel; Damon. Ich ziehe vor, zu ſchlafen auf dem Kanapee. Wirth. Wie's euch beliebt. Doch bitt' ich, ſchnarcht mir nicht zu laut! Hierneben ſchlaͤft die reichſte Lady von der Welt. Seht hier die Kiſte, welche voll von Louisd'ors, Doch iſt das nichts, verglichen mit dem Uebrigen! Zwar ganz geheuer iſt ſie nicht, den Schleier legt Sie nie von ſich, und ihre Mutter hat vielleicht Sich in Berlin, wie's haͤufig dort geſchieht, verſehn. Doch geht man leicht daruͤber weg, ein Billionaͤr Darf bis auf einen gewiſſen Grad unleidlich ſeyn. — Doch ſeyd ihr muͤde, wie mir ſcheint, gehabt euch wohl, Und macht euch hier, ſo gut ihr koͤnnt, im Saal zurecht; Bis morgen raͤumt die Lady dort das Kabinet. (ab.) Damon. Hier waͤr' ich nun wohl vom Galgen befreit; doch hungrig und aͤrmer als Hiob! Wie werd' ich die Nacht, und den kommenden Tag, und die kommenden Tage verbringen? Nichts konnt' ich mit mir fortnehmen, ja nicht einmal die gelehrten Excerpten, Die in Deutſchland kein Buchhaͤndler verſchmaͤht und verab- ſaͤumt haͤtte, das weiß ich: Was recht ſchwerfaͤllig und ledern erſcheint, das halten die Deutſchen fuͤr gruͤndlich, Denn dieſe Nation ſaalbadert ſo gern, ſaalbadert herab von der Kanzel, Saalbadert zu Haus, ſaalbadert ſodann vor Gericht, ſaal- badert im Schauſpiel; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0084" n="78"/> <sp who="#DAM"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Damon</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Ich ziehe vor, zu ſchlafen auf dem Kanapee.</p> </sp><lb/> <sp who="#WIRTH"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Wirth</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Wie's euch beliebt. Doch bitt' ich, ſchnarcht mir nicht zu laut!<lb/> Hierneben ſchlaͤft die reichſte Lady von der Welt.<lb/> Seht hier die Kiſte, welche voll von Louisd'ors,<lb/> Doch iſt das nichts, verglichen mit dem Uebrigen!<lb/> Zwar ganz geheuer iſt ſie nicht, den Schleier legt<lb/> Sie nie von ſich, und ihre Mutter hat vielleicht<lb/> Sich in Berlin, wie's haͤufig dort geſchieht, verſehn.<lb/> Doch geht man leicht daruͤber weg, ein Billionaͤr<lb/> Darf bis auf einen gewiſſen Grad unleidlich ſeyn. —<lb/> Doch ſeyd ihr muͤde, wie mir ſcheint, gehabt euch wohl,<lb/> Und macht euch hier, ſo gut ihr koͤnnt, im Saal zurecht;<lb/> Bis morgen raͤumt die Lady dort das Kabinet.</p><lb/> <stage> <hi rendition="#right">(ab.)</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#DAM"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Damon</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Hier waͤr' ich nun wohl vom Galgen befreit; doch hungrig<lb/> und aͤrmer als Hiob!<lb/> Wie werd' ich die Nacht, und den kommenden Tag, und die<lb/> kommenden Tage verbringen?<lb/> Nichts konnt' ich mit mir fortnehmen, ja nicht einmal die<lb/> gelehrten Excerpten,<lb/> Die in Deutſchland kein Buchhaͤndler verſchmaͤht und verab-<lb/> ſaͤumt haͤtte, das weiß ich:<lb/> Was recht ſchwerfaͤllig und ledern erſcheint, das halten die<lb/> Deutſchen fuͤr gruͤndlich,<lb/> Denn dieſe Nation ſaalbadert ſo gern, ſaalbadert herab<lb/> von der Kanzel,<lb/> Saalbadert zu Haus, ſaalbadert ſodann vor Gericht, ſaal-<lb/> badert im Schauſpiel;<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0084]
Damon.
Ich ziehe vor, zu ſchlafen auf dem Kanapee.
Wirth.
Wie's euch beliebt. Doch bitt' ich, ſchnarcht mir nicht zu laut!
Hierneben ſchlaͤft die reichſte Lady von der Welt.
Seht hier die Kiſte, welche voll von Louisd'ors,
Doch iſt das nichts, verglichen mit dem Uebrigen!
Zwar ganz geheuer iſt ſie nicht, den Schleier legt
Sie nie von ſich, und ihre Mutter hat vielleicht
Sich in Berlin, wie's haͤufig dort geſchieht, verſehn.
Doch geht man leicht daruͤber weg, ein Billionaͤr
Darf bis auf einen gewiſſen Grad unleidlich ſeyn. —
Doch ſeyd ihr muͤde, wie mir ſcheint, gehabt euch wohl,
Und macht euch hier, ſo gut ihr koͤnnt, im Saal zurecht;
Bis morgen raͤumt die Lady dort das Kabinet.
(ab.)
Damon.
Hier waͤr' ich nun wohl vom Galgen befreit; doch hungrig
und aͤrmer als Hiob!
Wie werd' ich die Nacht, und den kommenden Tag, und die
kommenden Tage verbringen?
Nichts konnt' ich mit mir fortnehmen, ja nicht einmal die
gelehrten Excerpten,
Die in Deutſchland kein Buchhaͤndler verſchmaͤht und verab-
ſaͤumt haͤtte, das weiß ich:
Was recht ſchwerfaͤllig und ledern erſcheint, das halten die
Deutſchen fuͤr gruͤndlich,
Denn dieſe Nation ſaalbadert ſo gern, ſaalbadert herab
von der Kanzel,
Saalbadert zu Haus, ſaalbadert ſodann vor Gericht, ſaal-
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