Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Platen, August von: Die verhängnißvolle Gabel. Stuttgart u. a., 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Hand zu reichen. Dieser führt sie zum Altar.
Der Missionär verzweifelt, krampfhaft windet sich
Sein Innerstes, von eifersüchtiger Qual bewegt.
Und horch! Auf einmal jubelt es im Tempel auf:
Halt! Halt! Er hat gegessen das Geheiligte,
Er ist der Sieger seiner selbst, bekrönet ihn!
Doch ach, zu spät! die Beiden waren schon vermählt.
Welch eine Lage! Wehe! Welch ein tragisches
Geschick für unsern Helden! Mit den Zähnen knirscht
Er laut, und schlägt die Stirne sich, und flucht sich selbst,
Umsonst vollbracht' ich, heulet er, das Gräßliche!
O wehe, wehe, wehe, wenn die Pole sich
Berühren, und des einen Pols Produkte durch
Den andern Pol verschlungen werden, wehe dann!
Er spricht's, und nun, in jenen widersinnigen,
Hiatusreichen Halbtrochä'n, die Jeder kennt,
Wo bald ein Reim sich findet, bald auch wieder nicht,
Bricht unser Missionarius den Geist heraus,
Versteht sich, blos den Müllnerischen, doch vermischt
Mit eines Lama's heiligem Ingrediens.

Wirth, Damon.
Damon.
Seyd ihr der Wirth zur Gabel?
Wirth.
Ja, zu dienen, Herr!
Damon.
Kann ich ein Obdach finden hier, für diese Nacht?
Wirth.
Die Stuben zwar sind schon besetzt; doch wollt ihr hier
Im Saale bleiben, schaff' ich eine Streu herein!
Die Hand zu reichen. Dieſer fuͤhrt ſie zum Altar.
Der Miſſionaͤr verzweifelt, krampfhaft windet ſich
Sein Innerſtes, von eiferſuͤchtiger Qual bewegt.
Und horch! Auf einmal jubelt es im Tempel auf:
Halt! Halt! Er hat gegeſſen das Geheiligte,
Er iſt der Sieger ſeiner ſelbſt, bekroͤnet ihn!
Doch ach, zu ſpaͤt! die Beiden waren ſchon vermaͤhlt.
Welch eine Lage! Wehe! Welch ein tragiſches
Geſchick fuͤr unſern Helden! Mit den Zaͤhnen knirſcht
Er laut, und ſchlaͤgt die Stirne ſich, und flucht ſich ſelbſt,
Umſonſt vollbracht' ich, heulet er, das Graͤßliche!
O wehe, wehe, wehe, wenn die Pole ſich
Beruͤhren, und des einen Pols Produkte durch
Den andern Pol verſchlungen werden, wehe dann!
Er ſpricht's, und nun, in jenen widerſinnigen,
Hiatusreichen Halbtrochaͤ'n, die Jeder kennt,
Wo bald ein Reim ſich findet, bald auch wieder nicht,
Bricht unſer Miſſionarius den Geiſt heraus,
Verſteht ſich, blos den Muͤllneriſchen, doch vermiſcht
Mit eines Lama's heiligem Ingrediens.

Wirth, Damon.
Damon.
Seyd ihr der Wirth zur Gabel?
Wirth.
Ja, zu dienen, Herr!
Damon.
Kann ich ein Obdach finden hier, fuͤr dieſe Nacht?
Wirth.
Die Stuben zwar ſind ſchon beſetzt; doch wollt ihr hier
Im Saale bleiben, ſchaff' ich eine Streu herein!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#WIRTH">
            <p><pb facs="#f0083" n="77"/>
Die Hand zu reichen. Die&#x017F;er fu&#x0364;hrt &#x017F;ie zum Altar.<lb/>
Der Mi&#x017F;&#x017F;iona&#x0364;r verzweifelt, krampfhaft windet &#x017F;ich<lb/>
Sein Inner&#x017F;tes, von eifer&#x017F;u&#x0364;chtiger Qual bewegt.<lb/>
Und horch! Auf einmal jubelt es im Tempel auf:<lb/>
Halt! Halt! Er hat gege&#x017F;&#x017F;en das Geheiligte,<lb/>
Er i&#x017F;t der Sieger &#x017F;einer &#x017F;elb&#x017F;t, bekro&#x0364;net ihn!<lb/>
Doch ach, zu &#x017F;pa&#x0364;t! die Beiden waren &#x017F;chon verma&#x0364;hlt.<lb/>
Welch eine Lage! Wehe! Welch ein tragi&#x017F;ches<lb/>
Ge&#x017F;chick fu&#x0364;r un&#x017F;ern Helden! Mit den Za&#x0364;hnen knir&#x017F;cht<lb/>
Er laut, und &#x017F;chla&#x0364;gt die Stirne &#x017F;ich, und flucht &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
Um&#x017F;on&#x017F;t vollbracht' ich, heulet er, das Gra&#x0364;ßliche!<lb/>
O wehe, wehe, wehe, wenn die Pole &#x017F;ich<lb/>
Beru&#x0364;hren, und des einen Pols Produkte durch<lb/>
Den andern Pol ver&#x017F;chlungen werden, wehe dann!<lb/>
Er &#x017F;pricht's, und nun, in jenen wider&#x017F;innigen,<lb/>
Hiatusreichen Halbtrocha&#x0364;'n, die Jeder kennt,<lb/>
Wo bald ein Reim &#x017F;ich findet, bald auch wieder nicht,<lb/>
Bricht un&#x017F;er Mi&#x017F;&#x017F;ionarius den Gei&#x017F;t heraus,<lb/>
Ver&#x017F;teht &#x017F;ich, blos den Mu&#x0364;llneri&#x017F;chen, doch vermi&#x017F;cht<lb/>
Mit eines Lama's heiligem Ingrediens.</p><lb/>
            <stage> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Wirth, Damon</hi>.</hi> </stage>
          </sp><lb/>
          <sp who="#DAM">
            <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Damon</hi>.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Seyd ihr der Wirth zur Gabel?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#WIRTH">
            <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Wirth</hi>.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Ja, zu dienen, Herr!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#DAM">
            <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Damon</hi>.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Kann ich ein Obdach finden hier, fu&#x0364;r die&#x017F;e Nacht?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#WIRTH">
            <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Wirth</hi>.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Die Stuben zwar &#x017F;ind &#x017F;chon be&#x017F;etzt; doch wollt ihr hier<lb/>
Im Saale bleiben, &#x017F;chaff' ich eine Streu herein!</p>
          </sp><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0083] Die Hand zu reichen. Dieſer fuͤhrt ſie zum Altar. Der Miſſionaͤr verzweifelt, krampfhaft windet ſich Sein Innerſtes, von eiferſuͤchtiger Qual bewegt. Und horch! Auf einmal jubelt es im Tempel auf: Halt! Halt! Er hat gegeſſen das Geheiligte, Er iſt der Sieger ſeiner ſelbſt, bekroͤnet ihn! Doch ach, zu ſpaͤt! die Beiden waren ſchon vermaͤhlt. Welch eine Lage! Wehe! Welch ein tragiſches Geſchick fuͤr unſern Helden! Mit den Zaͤhnen knirſcht Er laut, und ſchlaͤgt die Stirne ſich, und flucht ſich ſelbſt, Umſonſt vollbracht' ich, heulet er, das Graͤßliche! O wehe, wehe, wehe, wenn die Pole ſich Beruͤhren, und des einen Pols Produkte durch Den andern Pol verſchlungen werden, wehe dann! Er ſpricht's, und nun, in jenen widerſinnigen, Hiatusreichen Halbtrochaͤ'n, die Jeder kennt, Wo bald ein Reim ſich findet, bald auch wieder nicht, Bricht unſer Miſſionarius den Geiſt heraus, Verſteht ſich, blos den Muͤllneriſchen, doch vermiſcht Mit eines Lama's heiligem Ingrediens. Wirth, Damon. Damon. Seyd ihr der Wirth zur Gabel? Wirth. Ja, zu dienen, Herr! Damon. Kann ich ein Obdach finden hier, fuͤr dieſe Nacht? Wirth. Die Stuben zwar ſind ſchon beſetzt; doch wollt ihr hier Im Saale bleiben, ſchaff' ich eine Streu herein!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gabel_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gabel_1826/83
Zitationshilfe: Platen, August von: Die verhängnißvolle Gabel. Stuttgart u. a., 1826, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gabel_1826/83>, abgerufen am 24.11.2024.