Platen, August von: Die verhängnißvolle Gabel. Stuttgart u. a., 1826.
Und kein Sirmio mit einem peinlichen Prozeß mich peinigt; Alle ruf' ich hier zu Zeugen wider eine solche Fabel! Aber im Archiv bewahren werd' ich diese Wundergabel. Jetzo geh' ich nach Arkadien, wo ich meine Schweine mäste, Unterdessen Gott befohlen! (ab mit den Uebrigen, die den Leichnam wegtragen.) Schmuhl. Nun beginnt, ihr Anapäste! (Er tritt vor.) Sein Abschiedswort thut euch durch mich der Comödiendich- ter zu wissen, Der oftmals schon, im Laufe des Stücks, vortrat aus sei- nen Coulissen! Ueberseht huldreich die Gebrechen an ihm, laßt euch durchs Gute bestechen! Man liebt ein Gedicht, wie den Freund man liebt, ihn selbst mit jedem Gebrechen; Denn, wolltet ihr was abziehen von ihm, dann wär' es derselbe ja nicht mehr, Und ein Mensch, der nichts zu verzeihen vermag, nie seh' er ein Menschengesicht mehr! Wohl weiß der Poet, daß dieses Gedicht ihm Tausende werden verketzern, Ja, daß es vielleicht Niemanden gefällt, als etwa den Dru- ckern und Setzern: Es verleidet ihm auch wohl ein Freund sein Werk, und des Kritikers Laune verneint es, Und der Pfuscher vermeint, er könne das auch; doch irrt sich der Gute, so scheint es. Durch Deutschland ist, die Latern' in der Hand, nach Men- schen zu suchen so mißlich;
Und kein Sirmio mit einem peinlichen Prozeß mich peinigt; Alle ruf' ich hier zu Zeugen wider eine ſolche Fabel! Aber im Archiv bewahren werd' ich dieſe Wundergabel. Jetzo geh' ich nach Arkadien, wo ich meine Schweine maͤſte, Unterdeſſen Gott befohlen! (ab mit den Uebrigen, die den Leichnam wegtragen.) Schmuhl. Nun beginnt, ihr Anapaͤſte! (Er tritt vor.) Sein Abſchiedswort thut euch durch mich der Comoͤdiendich- ter zu wiſſen, Der oftmals ſchon, im Laufe des Stuͤcks, vortrat aus ſei- nen Couliſſen! Ueberſeht huldreich die Gebrechen an ihm, laßt euch durchs Gute beſtechen! Man liebt ein Gedicht, wie den Freund man liebt, ihn ſelbſt mit jedem Gebrechen; Denn, wolltet ihr was abziehen von ihm, dann waͤr' es derſelbe ja nicht mehr, Und ein Menſch, der nichts zu verzeihen vermag, nie ſeh' er ein Menſchengeſicht mehr! Wohl weiß der Poet, daß dieſes Gedicht ihm Tauſende werden verketzern, Ja, daß es vielleicht Niemanden gefaͤllt, als etwa den Dru- ckern und Setzern: Es verleidet ihm auch wohl ein Freund ſein Werk, und des Kritikers Laune verneint es, Und der Pfuſcher vermeint, er koͤnne das auch; doch irrt ſich der Gute, ſo ſcheint es. Durch Deutſchland iſt, die Latern' in der Hand, nach Men- ſchen zu ſuchen ſo mißlich; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#DAM"> <p><pb facs="#f0091" n="85"/> Und kein Sirmio mit einem peinlichen Prozeß mich peinigt;<lb/> Alle ruf' ich hier zu Zeugen wider eine ſolche Fabel!<lb/> Aber im Archiv bewahren werd' ich dieſe Wundergabel.<lb/> Jetzo geh' ich nach Arkadien, wo ich meine Schweine maͤſte,<lb/> Unterdeſſen Gott befohlen!</p><lb/> <stage> <hi rendition="#c">(ab mit den Uebrigen, die den Leichnam wegtragen.)</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#SCHM"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Schmuhl</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Nun beginnt, ihr Anapaͤſte!</p><lb/> <stage> <hi rendition="#c">(Er tritt vor.)</hi> </stage><lb/> <p>Sein Abſchiedswort thut euch durch mich der Comoͤdiendich-<lb/> ter zu wiſſen,<lb/> Der oftmals ſchon, im Laufe des Stuͤcks, vortrat aus ſei-<lb/> nen Couliſſen!<lb/> Ueberſeht huldreich die Gebrechen an ihm, laßt euch durchs<lb/> Gute beſtechen!<lb/> Man liebt ein Gedicht, wie den Freund man liebt, ihn<lb/> ſelbſt mit jedem Gebrechen;<lb/> Denn, wolltet ihr was abziehen von ihm, dann waͤr' es<lb/> derſelbe ja nicht mehr,<lb/> Und ein Menſch, der nichts zu verzeihen vermag, nie ſeh'<lb/> er ein Menſchengeſicht mehr!<lb/> Wohl weiß der Poet, daß dieſes Gedicht ihm Tauſende<lb/> werden verketzern,<lb/> Ja, daß es vielleicht Niemanden gefaͤllt, als etwa den Dru-<lb/> ckern und Setzern:<lb/> Es verleidet ihm auch wohl ein Freund ſein Werk, und des<lb/> Kritikers Laune verneint es,<lb/> Und der Pfuſcher vermeint, er koͤnne das auch; doch irrt<lb/> ſich der Gute, ſo ſcheint es.<lb/> Durch Deutſchland iſt, die Latern' in der Hand, nach Men-<lb/> ſchen zu ſuchen ſo mißlich;<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [85/0091]
Und kein Sirmio mit einem peinlichen Prozeß mich peinigt;
Alle ruf' ich hier zu Zeugen wider eine ſolche Fabel!
Aber im Archiv bewahren werd' ich dieſe Wundergabel.
Jetzo geh' ich nach Arkadien, wo ich meine Schweine maͤſte,
Unterdeſſen Gott befohlen!
(ab mit den Uebrigen, die den Leichnam wegtragen.)
Schmuhl.
Nun beginnt, ihr Anapaͤſte!
(Er tritt vor.)
Sein Abſchiedswort thut euch durch mich der Comoͤdiendich-
ter zu wiſſen,
Der oftmals ſchon, im Laufe des Stuͤcks, vortrat aus ſei-
nen Couliſſen!
Ueberſeht huldreich die Gebrechen an ihm, laßt euch durchs
Gute beſtechen!
Man liebt ein Gedicht, wie den Freund man liebt, ihn
ſelbſt mit jedem Gebrechen;
Denn, wolltet ihr was abziehen von ihm, dann waͤr' es
derſelbe ja nicht mehr,
Und ein Menſch, der nichts zu verzeihen vermag, nie ſeh'
er ein Menſchengeſicht mehr!
Wohl weiß der Poet, daß dieſes Gedicht ihm Tauſende
werden verketzern,
Ja, daß es vielleicht Niemanden gefaͤllt, als etwa den Dru-
ckern und Setzern:
Es verleidet ihm auch wohl ein Freund ſein Werk, und des
Kritikers Laune verneint es,
Und der Pfuſcher vermeint, er koͤnne das auch; doch irrt
ſich der Gute, ſo ſcheint es.
Durch Deutſchland iſt, die Latern' in der Hand, nach Men-
ſchen zu ſuchen ſo mißlich;
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Zitationshilfe: | Platen, August von: Die verhängnißvolle Gabel. Stuttgart u. a., 1826, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gabel_1826/91>, abgerufen am 16.02.2025. |