Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.Dem Stein des Rechts, den edelgesinnt und treu Dein Vater legte, bläsest du Athem ein, Du siehst im Marmor keinen Marmor, Aber ein künftiges Jovisantlitz. Allein wie sehr du Wünsche des Tags verstehst, Nicht horchst du blindlings jedem Geräusch, du nimmst Den Zepter, jenem Joseph ungleich, Nicht in die weltliche Faust der Neu'rung. Ehrfurcht erweckt, was Väter gethan, in dir, Du fühlst verjährter Zeiten Bedeutsamkeit, In's Wappenschild uralter Sitte Fügst du die Rosen der jüngsten Freiheit. Heil dir und Heil der Lieblichen neben dir, Heil jedem Sprößling, welchen sie dir gebar! Wenn Kinder dich und Volk umjubeln, Leerst du, als Becher, des Segens Füllhorn! Wie eine Rebe, schattig und traubenschwer, Die schon den Keim des werdenden Rausches nährt, Umschlängelt deinen angeerbten, Blühenden Zepter der gold'ne Friede. Rückwärts erblickst du Flammen und Krieg und Mord
Doch mild am Gürtel trägst du das reine Schwert; Du stehst, wie jener fromme Dietrich, Ueber den Leichen der Nibelungen. v. Platen's Gedichte. 16
Dem Stein des Rechts, den edelgeſinnt und treu Dein Vater legte, blaͤſeſt du Athem ein, Du ſiehſt im Marmor keinen Marmor, Aber ein kuͤnftiges Jovisantlitz. Allein wie ſehr du Wuͤnſche des Tags verſtehſt, Nicht horchſt du blindlings jedem Geraͤuſch, du nimmſt Den Zepter, jenem Joſeph ungleich, Nicht in die weltliche Fauſt der Neu'rung. Ehrfurcht erweckt, was Vaͤter gethan, in dir, Du fuͤhlſt verjaͤhrter Zeiten Bedeutſamkeit, In's Wappenſchild uralter Sitte Fuͤgſt du die Roſen der juͤngſten Freiheit. Heil dir und Heil der Lieblichen neben dir, Heil jedem Sproͤßling, welchen ſie dir gebar! Wenn Kinder dich und Volk umjubeln, Leerſt du, als Becher, des Segens Fuͤllhorn! Wie eine Rebe, ſchattig und traubenſchwer, Die ſchon den Keim des werdenden Rauſches naͤhrt, Umſchlaͤngelt deinen angeerbten, Bluͤhenden Zepter der gold'ne Friede. Ruͤckwaͤrts erblickſt du Flammen und Krieg und Mord
Doch mild am Guͤrtel traͤgſt du das reine Schwert; Du ſtehſt, wie jener fromme Dietrich, Ueber den Leichen der Nibelungen. v. Platen's Gedichte. 16
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Dem Stein des Rechts, den edelgeſinnt und treu
Dein Vater legte, blaͤſeſt du Athem ein,
Du ſiehſt im Marmor keinen Marmor,
Aber ein kuͤnftiges Jovisantlitz.
Allein wie ſehr du Wuͤnſche des Tags verſtehſt,
Nicht horchſt du blindlings jedem Geraͤuſch, du nimmſt
Den Zepter, jenem Joſeph ungleich,
Nicht in die weltliche Fauſt der Neu'rung.
Ehrfurcht erweckt, was Vaͤter gethan, in dir,
Du fuͤhlſt verjaͤhrter Zeiten Bedeutſamkeit,
In's Wappenſchild uralter Sitte
Fuͤgſt du die Roſen der juͤngſten Freiheit.
Heil dir und Heil der Lieblichen neben dir,
Heil jedem Sproͤßling, welchen ſie dir gebar!
Wenn Kinder dich und Volk umjubeln,
Leerſt du, als Becher, des Segens Fuͤllhorn!
Wie eine Rebe, ſchattig und traubenſchwer,
Die ſchon den Keim des werdenden Rauſches naͤhrt,
Umſchlaͤngelt deinen angeerbten,
Bluͤhenden Zepter der gold'ne Friede.
Ruͤckwaͤrts erblickſt du Flammen und Krieg und Mord
Doch mild am Guͤrtel traͤgſt du das reine Schwert;
Du ſtehſt, wie jener fromme Dietrich,
Ueber den Leichen der Nibelungen.
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Zitationshilfe: | Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828/251>, abgerufen am 16.07.2024. |