Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829. Nimmermann. Treuloses Weib! Verräthst du deinen Ehemann, Dem wandelbar'n Franzosenoffizier zulieb? Untreu verläßt auch dieser dich; doch kehrt er ein In deine Hütte wiederum, du aber brennst Ihm über'm Kopf das Haus zusammen, während er Das Schreiben trägt in seiner Ficke Heiligthum! Publicum. Jetzt scheint er mir verrückt zu sein! Nimmermann. O schändliche Depeschenmordbrandehebruchstyrolerinn! Publicum. Wa[h]nsinn umflammt den Zirkel seines Dichteraugs! Chor. Weh! Offen gesteht's des Gesangs Wehmuth: Der berühmte Poet ist übergeschnappt! Nun klage das All, nun werfe Natur Nachtflöre des Tods Auf jede Geburt des Frühlings! Nimmermann. Faßbinder, bindet wieder mir ein Tintenfaß, Meins ist vor Schmerz zersprungen! Meine Thräne fließt! Chor. Schon plätschert herab sein Zährenerguß, Und dem Haidegefild droht Sündfluthschmach! Wo entdeck' ich des Heils noachidischen Kahn? Wo verheißt Trost uns Ein poetischer Regenbogen? Nimmermann. Dieß sing' ich dir, mein Heine, Samen Abrahams! Nimmermann. Treuloſes Weib! Verraͤthſt du deinen Ehemann, Dem wandelbar'n Franzoſenoffizier zulieb? Untreu verlaͤßt auch dieſer dich; doch kehrt er ein In deine Huͤtte wiederum, du aber brennſt Ihm uͤber'm Kopf das Haus zuſammen, waͤhrend er Das Schreiben traͤgt in ſeiner Ficke Heiligthum! Publicum. Jetzt ſcheint er mir verruͤckt zu ſein! Nimmermann. O ſchaͤndliche Depeſchenmordbrandehebruchstyrolerinn! Publicum. Wa[h]nſinn umflammt den Zirkel ſeines Dichteraugs! Chor. Weh! Offen geſteht's des Geſangs Wehmuth: Der beruͤhmte Poet iſt uͤbergeſchnappt! Nun klage das All, nun werfe Natur Nachtfloͤre des Tods Auf jede Geburt des Fruͤhlings! Nimmermann. Faßbinder, bindet wieder mir ein Tintenfaß, Meins iſt vor Schmerz zerſprungen! Meine Thraͤne fließt! Chor. Schon plaͤtſchert herab ſein Zaͤhrenerguß, Und dem Haidegefild droht Suͤndfluthſchmach! Wo entdeck' ich des Heils noachidiſchen Kahn? Wo verheißt Troſt uns Ein poetiſcher Regenbogen? Nimmermann. Dieß ſing' ich dir, mein Heine, Samen Abrahams! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0100" n="94"/> <sp who="#NIM"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Nimmermann</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Treuloſes Weib! Verraͤthſt du deinen Ehemann,<lb/> Dem wandelbar'n Franzoſenoffizier zulieb?<lb/> Untreu verlaͤßt auch dieſer dich; doch kehrt er ein<lb/> In deine Huͤtte wiederum, du aber brennſt<lb/> Ihm uͤber'm Kopf das Haus zuſammen, waͤhrend er<lb/> Das Schreiben traͤgt in ſeiner Ficke Heiligthum!</p> </sp><lb/> <sp who="#PUB"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Publicum</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Jetzt ſcheint er mir verruͤckt zu ſein!</p> </sp><lb/> <sp who="#NIM"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Nimmermann</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>O ſchaͤndliche<lb/> Depeſchenmordbrandehebruchstyrolerinn!</p> </sp><lb/> <sp who="#PUB"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Publicum</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Wa<supplied reason="damage">h</supplied>nſinn umflammt den Zirkel ſeines Dichteraugs!</p> </sp><lb/> <sp who="#CHO"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Chor</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Weh! Offen geſteht's des Geſangs Wehmuth:<lb/> Der beruͤhmte Poet iſt uͤbergeſchnappt!<lb/> Nun klage das All, nun werfe Natur<lb/> Nachtfloͤre des Tods<lb/> Auf jede Geburt des Fruͤhlings!</p> </sp><lb/> <sp who="#NIM"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Nimmermann</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Faßbinder, bindet wieder mir ein Tintenfaß,<lb/> Meins iſt vor Schmerz zerſprungen! Meine Thraͤne fließt!</p> </sp><lb/> <sp who="#CHO"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Chor</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Schon plaͤtſchert herab ſein Zaͤhrenerguß,<lb/> Und dem Haidegefild droht Suͤndfluthſchmach!<lb/> Wo entdeck' ich des Heils noachidiſchen Kahn?<lb/> Wo verheißt Troſt uns<lb/> Ein poetiſcher Regenbogen?</p> </sp><lb/> <sp who="#NIM"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Nimmermann</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Dieß ſing' ich dir, mein Heine, Samen Abrahams!</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0100]
Nimmermann.
Treuloſes Weib! Verraͤthſt du deinen Ehemann,
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Untreu verlaͤßt auch dieſer dich; doch kehrt er ein
In deine Huͤtte wiederum, du aber brennſt
Ihm uͤber'm Kopf das Haus zuſammen, waͤhrend er
Das Schreiben traͤgt in ſeiner Ficke Heiligthum!
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Jetzt ſcheint er mir verruͤckt zu ſein!
Nimmermann.
O ſchaͤndliche
Depeſchenmordbrandehebruchstyrolerinn!
Publicum.
Wahnſinn umflammt den Zirkel ſeines Dichteraugs!
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Weh! Offen geſteht's des Geſangs Wehmuth:
Der beruͤhmte Poet iſt uͤbergeſchnappt!
Nun klage das All, nun werfe Natur
Nachtfloͤre des Tods
Auf jede Geburt des Fruͤhlings!
Nimmermann.
Faßbinder, bindet wieder mir ein Tintenfaß,
Meins iſt vor Schmerz zerſprungen! Meine Thraͤne fließt!
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