Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829.

Bild:
<< vorherige Seite
Chor.
Er stirbt, und wimmernd fleht er schon Freund Hein herbei!
Publicum.
Du irrst, er ruft Freund Hein ja nicht, den herrlichen
Petrark des Lauberhüttenfests beschwört er blos.
Nimmermann.
Du bist der ersten Dichter einer, sagst du selbst!
Publicum.
Wahr ist's, in einem Liedelein behauptet er's;
Doch keiner glaubt's, wie's immer bei Propheten geht.
Nimmermann.
Welch einen Anlauf nimmst du, Synagogenstolz!
Publicum.
Gewiß, es ist dein Busenfreund des sterblichen
Geschlechts der Menschen Allerunverschämtester.
Nimmermann.
Sein Freund, ich bin's; doch möcht' ich nicht sein Liebchen seyn;
Denn seine Küsse sondern ab Knoblauchsgeruch.
Publicum.
Drum führt er sein Riechfläschchen auch beständig mit.
Nimmermann.
Mein Heine! Sind wir beide nicht ein Paar Genie's?
Wer wagt zu stören, Süßer, uns den süßen Tra[u]m?
Chor.
Mir ist's, als hört' ich schlagen eine Pendeluhr,
Die einen sehr gefährlichlauten Wecker hat.
Nimmermann.
Wär's möglich? Drohte meinem Stern Verfinsterung?
Publicum.
Dem deinen nebst noch vielen, wenn ihr Sterne wärt;
Doch Blendlaternen schließen blos Talgstümpfchen ein.
Chor.
Er ſtirbt, und wimmernd fleht er ſchon Freund Hein herbei!
Publicum.
Du irrſt, er ruft Freund Hein ja nicht, den herrlichen
Petrark des Lauberhuͤttenfeſts beſchwoͤrt er blos.
Nimmermann.
Du biſt der erſten Dichter einer, ſagſt du ſelbſt!
Publicum.
Wahr iſt's, in einem Liedelein behauptet er's;
Doch keiner glaubt's, wie's immer bei Propheten geht.
Nimmermann.
Welch einen Anlauf nimmſt du, Synagogenſtolz!
Publicum.
Gewiß, es iſt dein Buſenfreund des ſterblichen
Geſchlechts der Menſchen Allerunverſchaͤmteſter.
Nimmermann.
Sein Freund, ich bin's; doch moͤcht' ich nicht ſein Liebchen ſeyn;
Denn ſeine Kuͤſſe ſondern ab Knoblauchsgeruch.
Publicum.
Drum fuͤhrt er ſein Riechflaͤſchchen auch beſtaͤndig mit.
Nimmermann.
Mein Heine! Sind wir beide nicht ein Paar Genie's?
Wer wagt zu ſtoͤren, Suͤßer, uns den ſuͤßen Tra[u]m?
Chor.
Mir iſt's, als hoͤrt' ich ſchlagen eine Pendeluhr,
Die einen ſehr gefaͤhrlichlauten Wecker hat.
Nimmermann.
Waͤr's moͤglich? Drohte meinem Stern Verfinſterung?
Publicum.
Dem deinen nebſt noch vielen, wenn ihr Sterne waͤrt;
Doch Blendlaternen ſchließen blos Talgſtuͤmpfchen ein.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0101" n="95"/>
          <sp who="#CHO">
            <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Chor</hi>.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Er &#x017F;tirbt, und wimmernd fleht er &#x017F;chon Freund Hein herbei!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#PUB">
            <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Publicum</hi>.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Du irr&#x017F;t, er ruft Freund Hein ja nicht, den herrlichen<lb/>
Petrark des Lauberhu&#x0364;ttenfe&#x017F;ts be&#x017F;chwo&#x0364;rt er blos.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#NIM">
            <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Nimmermann</hi>.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Du bi&#x017F;t der er&#x017F;ten Dichter einer, &#x017F;ag&#x017F;t du &#x017F;elb&#x017F;t!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#PUB">
            <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Publicum</hi>.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Wahr i&#x017F;t's, in einem Liedelein behauptet er's;<lb/>
Doch keiner glaubt's, wie's immer bei Propheten geht.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#NIM">
            <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Nimmermann</hi>.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Welch einen Anlauf nimm&#x017F;t du, Synagogen&#x017F;tolz!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#PUB">
            <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Publicum</hi>.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Gewiß, es i&#x017F;t dein Bu&#x017F;enfreund des &#x017F;terblichen<lb/>
Ge&#x017F;chlechts der Men&#x017F;chen Allerunver&#x017F;cha&#x0364;mte&#x017F;ter.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#NIM">
            <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Nimmermann</hi>.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Sein Freund, ich bin's; doch mo&#x0364;cht' ich nicht &#x017F;ein Liebchen &#x017F;eyn;<lb/>
Denn &#x017F;eine Ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ondern ab Knoblauchsgeruch.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#PUB">
            <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Publicum</hi>.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Drum fu&#x0364;hrt er &#x017F;ein Riechfla&#x0364;&#x017F;chchen auch be&#x017F;ta&#x0364;ndig mit.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#NIM">
            <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Nimmermann</hi>.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Mein Heine! Sind wir beide nicht ein Paar Genie's?<lb/>
Wer wagt zu &#x017F;to&#x0364;ren, Su&#x0364;ßer, uns den &#x017F;u&#x0364;ßen Tra<supplied reason="damage">u</supplied>m?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#CHO">
            <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Chor</hi>.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Mir i&#x017F;t's, als ho&#x0364;rt' ich &#x017F;chlagen eine Pendeluhr,<lb/>
Die einen &#x017F;ehr gefa&#x0364;hrlichlauten Wecker hat.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#NIM">
            <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Nimmermann</hi>.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Wa&#x0364;r's mo&#x0364;glich? Drohte meinem Stern Verfin&#x017F;terung?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#PUB">
            <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Publicum</hi>.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Dem deinen neb&#x017F;t noch vielen, wenn ihr Sterne wa&#x0364;rt;<lb/>
Doch Blendlaternen &#x017F;chließen blos Talg&#x017F;tu&#x0364;mpfchen ein.</p>
          </sp><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0101] Chor. Er ſtirbt, und wimmernd fleht er ſchon Freund Hein herbei! Publicum. Du irrſt, er ruft Freund Hein ja nicht, den herrlichen Petrark des Lauberhuͤttenfeſts beſchwoͤrt er blos. Nimmermann. Du biſt der erſten Dichter einer, ſagſt du ſelbſt! Publicum. Wahr iſt's, in einem Liedelein behauptet er's; Doch keiner glaubt's, wie's immer bei Propheten geht. Nimmermann. Welch einen Anlauf nimmſt du, Synagogenſtolz! Publicum. Gewiß, es iſt dein Buſenfreund des ſterblichen Geſchlechts der Menſchen Allerunverſchaͤmteſter. Nimmermann. Sein Freund, ich bin's; doch moͤcht' ich nicht ſein Liebchen ſeyn; Denn ſeine Kuͤſſe ſondern ab Knoblauchsgeruch. Publicum. Drum fuͤhrt er ſein Riechflaͤſchchen auch beſtaͤndig mit. Nimmermann. Mein Heine! Sind wir beide nicht ein Paar Genie's? Wer wagt zu ſtoͤren, Suͤßer, uns den ſuͤßen Traum? Chor. Mir iſt's, als hoͤrt' ich ſchlagen eine Pendeluhr, Die einen ſehr gefaͤhrlichlauten Wecker hat. Nimmermann. Waͤr's moͤglich? Drohte meinem Stern Verfinſterung? Publicum. Dem deinen nebſt noch vielen, wenn ihr Sterne waͤrt; Doch Blendlaternen ſchließen blos Talgſtuͤmpfchen ein.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/platen_oedipus_1829
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/platen_oedipus_1829/101
Zitationshilfe: Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_oedipus_1829/101>, abgerufen am 21.11.2024.