Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829. Chor. Er stirbt, und wimmernd fleht er schon Freund Hein herbei! Publicum. Du irrst, er ruft Freund Hein ja nicht, den herrlichen Petrark des Lauberhüttenfests beschwört er blos. Nimmermann. Du bist der ersten Dichter einer, sagst du selbst! Publicum. Wahr ist's, in einem Liedelein behauptet er's; Doch keiner glaubt's, wie's immer bei Propheten geht. Nimmermann. Welch einen Anlauf nimmst du, Synagogenstolz! Publicum. Gewiß, es ist dein Busenfreund des sterblichen Geschlechts der Menschen Allerunverschämtester. Nimmermann. Sein Freund, ich bin's; doch möcht' ich nicht sein Liebchen seyn; Denn seine Küsse sondern ab Knoblauchsgeruch. Publicum. Drum führt er sein Riechfläschchen auch beständig mit. Nimmermann. Mein Heine! Sind wir beide nicht ein Paar Genie's? Wer wagt zu stören, Süßer, uns den süßen Tra[u]m? Chor. Mir ist's, als hört' ich schlagen eine Pendeluhr, Die einen sehr gefährlichlauten Wecker hat. Nimmermann. Wär's möglich? Drohte meinem Stern Verfinsterung? Publicum. Dem deinen nebst noch vielen, wenn ihr Sterne wärt; Doch Blendlaternen schließen blos Talgstümpfchen ein. Chor. Er ſtirbt, und wimmernd fleht er ſchon Freund Hein herbei! Publicum. Du irrſt, er ruft Freund Hein ja nicht, den herrlichen Petrark des Lauberhuͤttenfeſts beſchwoͤrt er blos. Nimmermann. Du biſt der erſten Dichter einer, ſagſt du ſelbſt! Publicum. Wahr iſt's, in einem Liedelein behauptet er's; Doch keiner glaubt's, wie's immer bei Propheten geht. Nimmermann. Welch einen Anlauf nimmſt du, Synagogenſtolz! Publicum. Gewiß, es iſt dein Buſenfreund des ſterblichen Geſchlechts der Menſchen Allerunverſchaͤmteſter. Nimmermann. Sein Freund, ich bin's; doch moͤcht' ich nicht ſein Liebchen ſeyn; Denn ſeine Kuͤſſe ſondern ab Knoblauchsgeruch. Publicum. Drum fuͤhrt er ſein Riechflaͤſchchen auch beſtaͤndig mit. Nimmermann. Mein Heine! Sind wir beide nicht ein Paar Genie's? Wer wagt zu ſtoͤren, Suͤßer, uns den ſuͤßen Tra[u]m? Chor. Mir iſt's, als hoͤrt' ich ſchlagen eine Pendeluhr, Die einen ſehr gefaͤhrlichlauten Wecker hat. Nimmermann. Waͤr's moͤglich? Drohte meinem Stern Verfinſterung? Publicum. Dem deinen nebſt noch vielen, wenn ihr Sterne waͤrt; Doch Blendlaternen ſchließen blos Talgſtuͤmpfchen ein. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0101" n="95"/> <sp who="#CHO"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Chor</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Er ſtirbt, und wimmernd fleht er ſchon Freund Hein herbei!</p> </sp><lb/> <sp who="#PUB"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Publicum</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Du irrſt, er ruft Freund Hein ja nicht, den herrlichen<lb/> Petrark des Lauberhuͤttenfeſts beſchwoͤrt er blos.</p> </sp><lb/> <sp who="#NIM"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Nimmermann</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Du biſt der erſten Dichter einer, ſagſt du ſelbſt!</p> </sp><lb/> <sp who="#PUB"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Publicum</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Wahr iſt's, in einem Liedelein behauptet er's;<lb/> Doch keiner glaubt's, wie's immer bei Propheten geht.</p> </sp><lb/> <sp who="#NIM"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Nimmermann</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Welch einen Anlauf nimmſt du, Synagogenſtolz!</p> </sp><lb/> <sp who="#PUB"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Publicum</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Gewiß, es iſt dein Buſenfreund des ſterblichen<lb/> Geſchlechts der Menſchen Allerunverſchaͤmteſter.</p> </sp><lb/> <sp who="#NIM"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Nimmermann</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Sein Freund, ich bin's; doch moͤcht' ich nicht ſein Liebchen ſeyn;<lb/> Denn ſeine Kuͤſſe ſondern ab Knoblauchsgeruch.</p> </sp><lb/> <sp who="#PUB"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Publicum</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Drum fuͤhrt er ſein Riechflaͤſchchen auch beſtaͤndig mit.</p> </sp><lb/> <sp who="#NIM"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Nimmermann</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Mein Heine! Sind wir beide nicht ein Paar Genie's?<lb/> Wer wagt zu ſtoͤren, Suͤßer, uns den ſuͤßen Tra<supplied reason="damage">u</supplied>m?</p> </sp><lb/> <sp who="#CHO"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Chor</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Mir iſt's, als hoͤrt' ich ſchlagen eine Pendeluhr,<lb/> Die einen ſehr gefaͤhrlichlauten Wecker hat.</p> </sp><lb/> <sp who="#NIM"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Nimmermann</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Waͤr's moͤglich? Drohte meinem Stern Verfinſterung?</p> </sp><lb/> <sp who="#PUB"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Publicum</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Dem deinen nebſt noch vielen, wenn ihr Sterne waͤrt;<lb/> Doch Blendlaternen ſchließen blos Talgſtuͤmpfchen ein.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [95/0101]
Chor.
Er ſtirbt, und wimmernd fleht er ſchon Freund Hein herbei!
Publicum.
Du irrſt, er ruft Freund Hein ja nicht, den herrlichen
Petrark des Lauberhuͤttenfeſts beſchwoͤrt er blos.
Nimmermann.
Du biſt der erſten Dichter einer, ſagſt du ſelbſt!
Publicum.
Wahr iſt's, in einem Liedelein behauptet er's;
Doch keiner glaubt's, wie's immer bei Propheten geht.
Nimmermann.
Welch einen Anlauf nimmſt du, Synagogenſtolz!
Publicum.
Gewiß, es iſt dein Buſenfreund des ſterblichen
Geſchlechts der Menſchen Allerunverſchaͤmteſter.
Nimmermann.
Sein Freund, ich bin's; doch moͤcht' ich nicht ſein Liebchen ſeyn;
Denn ſeine Kuͤſſe ſondern ab Knoblauchsgeruch.
Publicum.
Drum fuͤhrt er ſein Riechflaͤſchchen auch beſtaͤndig mit.
Nimmermann.
Mein Heine! Sind wir beide nicht ein Paar Genie's?
Wer wagt zu ſtoͤren, Suͤßer, uns den ſuͤßen Traum?
Chor.
Mir iſt's, als hoͤrt' ich ſchlagen eine Pendeluhr,
Die einen ſehr gefaͤhrlichlauten Wecker hat.
Nimmermann.
Waͤr's moͤglich? Drohte meinem Stern Verfinſterung?
Publicum.
Dem deinen nebſt noch vielen, wenn ihr Sterne waͤrt;
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