Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829.
Ihn tief in den Staub ziehn möchten, damit er verliere sich unter der Mehrzahl, So geziemt es gewiß der befreundeten Schaar, um so mehr ihn rettend zu flüchten, Auf prangendem Schild ihn tragend empor, den Beherrscher des Worts in der Dichtkunst! Seit ältester Zeit hat hier es getönt, und so oft im erneuen- den Umschwung, In verjüngter Gestalt aufstrebte die Welt, klang auch ein germanisches Lied nach. Zwar lange verhallt ist jener Gesang, den einst des Arminius Heerschaar Anstimmend gejauchzt in des Siegs Festschritt, auf römischen Gräbern getanzt ihn; Doch blieb von der Zeit des gewaltigen Karls wohl noch ein gewaltiges Lied euch, Ein gewaltiges Lied von der mächtigen Frau, die erst als zarteste Jungfrau Dasteht, und verschämt, voll schüchterner Huld, dem erhabenen Helden die Hand reicht, Bis dann sie zuletzt, durch's Leben gestählt, durch glühende Rache gehärtet, Graunvoll auftritt, in den Händen ein Schwert und das Haupt des enthaupteten Bruders. Auch lispelt um euch der melodische Hauch aus späteren Tagen des Ruhms noch, Als mächtigen Gangs zu des Heilands Gruft die gepanzerten Friedriche wallten; An den Höfen erscholl der Gesang damals aus fürstlichem Mund, und der Kaiser,
Ihn tief in den Staub ziehn moͤchten, damit er verliere ſich unter der Mehrzahl, So geziemt es gewiß der befreundeten Schaar, um ſo mehr ihn rettend zu fluͤchten, Auf prangendem Schild ihn tragend empor, den Beherrſcher des Worts in der Dichtkunſt! Seit aͤlteſter Zeit hat hier es getoͤnt, und ſo oft im erneuen- den Umſchwung, In verjuͤngter Geſtalt aufſtrebte die Welt, klang auch ein germaniſches Lied nach. Zwar lange verhallt iſt jener Geſang, den einſt des Arminius Heerſchaar Anſtimmend gejauchzt in des Siegs Feſtſchritt, auf roͤmiſchen Graͤbern getanzt ihn; Doch blieb von der Zeit des gewaltigen Karls wohl noch ein gewaltiges Lied euch, Ein gewaltiges Lied von der maͤchtigen Frau, die erſt als zarteſte Jungfrau Daſteht, und verſchaͤmt, voll ſchuͤchterner Huld, dem erhabenen Helden die Hand reicht, Bis dann ſie zuletzt, durch's Leben geſtaͤhlt, durch gluͤhende Rache gehaͤrtet, Graunvoll auftritt, in den Haͤnden ein Schwert und das Haupt des enthaupteten Bruders. Auch liſpelt um euch der melodiſche Hauch aus ſpaͤteren Tagen des Ruhms noch, Als maͤchtigen Gangs zu des Heilands Gruft die gepanzerten Friedriche wallten; An den Hoͤfen erſcholl der Geſang damals aus fuͤrſtlichem Mund, und der Kaiſer, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#CHOF"> <p><pb facs="#f0104" n="98"/> Ihn tief in den Staub ziehn moͤchten, damit er verliere ſich<lb/> unter der Mehrzahl,<lb/> So geziemt es gewiß der befreundeten Schaar, um ſo mehr<lb/> ihn rettend zu fluͤchten,<lb/> Auf prangendem Schild ihn tragend empor, den Beherrſcher<lb/> des Worts in der Dichtkunſt!<lb/> Seit aͤlteſter Zeit hat hier es getoͤnt, und ſo oft im erneuen-<lb/> den Umſchwung,<lb/> In verjuͤngter Geſtalt aufſtrebte die Welt, klang auch ein<lb/> germaniſches Lied nach.<lb/> Zwar lange verhallt iſt jener Geſang, den einſt des Arminius<lb/> Heerſchaar<lb/> Anſtimmend gejauchzt in des Siegs Feſtſchritt, auf roͤmiſchen<lb/> Graͤbern getanzt ihn;<lb/> Doch blieb von der Zeit des gewaltigen Karls wohl noch ein<lb/> gewaltiges Lied euch,<lb/> Ein gewaltiges Lied von der maͤchtigen Frau, die erſt als<lb/> zarteſte Jungfrau<lb/> Daſteht, und verſchaͤmt, voll ſchuͤchterner Huld, dem erhabenen<lb/> Helden die Hand reicht,<lb/> Bis dann ſie zuletzt, durch's Leben geſtaͤhlt, durch gluͤhende<lb/> Rache gehaͤrtet,<lb/> Graunvoll auftritt, in den Haͤnden ein Schwert und das Haupt<lb/> des enthaupteten Bruders.<lb/> Auch liſpelt um euch der melodiſche Hauch aus ſpaͤteren Tagen<lb/> des Ruhms noch,<lb/> Als maͤchtigen Gangs zu des Heilands Gruft die gepanzerten<lb/> Friedriche wallten;<lb/> An den Hoͤfen erſcholl der Geſang damals aus fuͤrſtlichem<lb/> Mund, und der Kaiſer,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0104]
Ihn tief in den Staub ziehn moͤchten, damit er verliere ſich
unter der Mehrzahl,
So geziemt es gewiß der befreundeten Schaar, um ſo mehr
ihn rettend zu fluͤchten,
Auf prangendem Schild ihn tragend empor, den Beherrſcher
des Worts in der Dichtkunſt!
Seit aͤlteſter Zeit hat hier es getoͤnt, und ſo oft im erneuen-
den Umſchwung,
In verjuͤngter Geſtalt aufſtrebte die Welt, klang auch ein
germaniſches Lied nach.
Zwar lange verhallt iſt jener Geſang, den einſt des Arminius
Heerſchaar
Anſtimmend gejauchzt in des Siegs Feſtſchritt, auf roͤmiſchen
Graͤbern getanzt ihn;
Doch blieb von der Zeit des gewaltigen Karls wohl noch ein
gewaltiges Lied euch,
Ein gewaltiges Lied von der maͤchtigen Frau, die erſt als
zarteſte Jungfrau
Daſteht, und verſchaͤmt, voll ſchuͤchterner Huld, dem erhabenen
Helden die Hand reicht,
Bis dann ſie zuletzt, durch's Leben geſtaͤhlt, durch gluͤhende
Rache gehaͤrtet,
Graunvoll auftritt, in den Haͤnden ein Schwert und das Haupt
des enthaupteten Bruders.
Auch liſpelt um euch der melodiſche Hauch aus ſpaͤteren Tagen
des Ruhms noch,
Als maͤchtigen Gangs zu des Heilands Gruft die gepanzerten
Friedriche wallten;
An den Hoͤfen erſcholl der Geſang damals aus fuͤrſtlichem
Mund, und der Kaiſer,
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