Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829.
Dem als Mitgift die Gestade Homers darbrachte die Tochter des Normanns, Sang lieblichen Ton! Kaum aber erlosch sein Stamm in dem herrlichen Knaben, Der, unter dem Beil hinsterbend, erlag capetingischer teuf- lischer Unthat, Schwieg auch der Gesang, und die göttliche Kunst fiel unter die Meister des Handwerks. Spät wieder erhub sie die heilige Kraft, als neue befruch- tende Regung Weit über die Welt, aus Deutschlands Gau'n, der begeisterte sächsische Mönch trug; Doch strebte sie nun langsamer empor, weil blutiger Kriege Verderbniß Das entvölkerte Reich, Jahrhunderte lang, preisgab der unendlichen Rohheit; Weil Wechsel des Lauts erst hemmte das Lied, da der bibel- entfaltende Luther Durch männlichern Ton auf immer vertrieb die melodische rheinische Mundart. Doch sollte das Wort um so reicher erblühn, und es lehrte zugleich es Melanchthon Den gediegenen Klang, den einst anschlug die beglücktere Muse von Hellas, Und so reifte heran die germanische Kunst, um entgegen zu gehn der Vollendung! Lang schlich sie dahin, lang schleppte sie noch nachahmende Fessel und seufzte, Bis Klopstock naht und die Welt fortreißt in erhabener Odenbeflüglung,
Dem als Mitgift die Geſtade Homers darbrachte die Tochter des Normanns, Sang lieblichen Ton! Kaum aber erloſch ſein Stamm in dem herrlichen Knaben, Der, unter dem Beil hinſterbend, erlag capetingiſcher teuf- liſcher Unthat, Schwieg auch der Geſang, und die goͤttliche Kunſt fiel unter die Meiſter des Handwerks. Spaͤt wieder erhub ſie die heilige Kraft, als neue befruch- tende Regung Weit uͤber die Welt, aus Deutſchlands Gau'n, der begeiſterte ſaͤchſiſche Moͤnch trug; Doch ſtrebte ſie nun langſamer empor, weil blutiger Kriege Verderbniß Das entvoͤlkerte Reich, Jahrhunderte lang, preisgab der unendlichen Rohheit; Weil Wechſel des Lauts erſt hemmte das Lied, da der bibel- entfaltende Luther Durch maͤnnlichern Ton auf immer vertrieb die melodiſche rheiniſche Mundart. Doch ſollte das Wort um ſo reicher erbluͤhn, und es lehrte zugleich es Melanchthon Den gediegenen Klang, den einſt anſchlug die begluͤcktere Muſe von Hellas, Und ſo reifte heran die germaniſche Kunſt, um entgegen zu gehn der Vollendung! Lang ſchlich ſie dahin, lang ſchleppte ſie noch nachahmende Feſſel und ſeufzte, Bis Klopſtock naht und die Welt fortreißt in erhabener Odenbefluͤglung, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#CHOF"> <p><pb facs="#f0105" n="99"/> Dem als Mitgift die Geſtade Homers darbrachte die Tochter<lb/> des Normanns,<lb/> Sang lieblichen Ton! Kaum aber erloſch ſein Stamm in dem<lb/> herrlichen Knaben,<lb/> Der, unter dem Beil hinſterbend, erlag capetingiſcher teuf-<lb/> liſcher Unthat,<lb/> Schwieg auch der Geſang, und die goͤttliche Kunſt fiel unter<lb/> die Meiſter des Handwerks.<lb/> Spaͤt wieder erhub ſie die heilige Kraft, als neue befruch-<lb/> tende Regung<lb/> Weit uͤber die Welt, aus Deutſchlands Gau'n, der begeiſterte<lb/> ſaͤchſiſche Moͤnch trug;<lb/> Doch ſtrebte ſie nun langſamer empor, weil blutiger Kriege<lb/> Verderbniß<lb/> Das entvoͤlkerte Reich, Jahrhunderte lang, preisgab der<lb/> unendlichen Rohheit;<lb/> Weil Wechſel des Lauts erſt hemmte das Lied, da der bibel-<lb/> entfaltende Luther<lb/> Durch maͤnnlichern Ton auf immer vertrieb die melodiſche<lb/> rheiniſche Mundart.<lb/> Doch ſollte das Wort um ſo reicher erbluͤhn, und es lehrte<lb/> zugleich es Melanchthon<lb/> Den gediegenen Klang, den einſt anſchlug die begluͤcktere<lb/> Muſe von Hellas,<lb/> Und ſo reifte heran die germaniſche Kunſt, um entgegen zu<lb/> gehn der Vollendung!<lb/> Lang ſchlich ſie dahin, lang ſchleppte ſie noch nachahmende<lb/> Feſſel und ſeufzte,<lb/> Bis Klopſtock naht und die Welt fortreißt in erhabener<lb/> Odenbefluͤglung,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [99/0105]
Dem als Mitgift die Geſtade Homers darbrachte die Tochter
des Normanns,
Sang lieblichen Ton! Kaum aber erloſch ſein Stamm in dem
herrlichen Knaben,
Der, unter dem Beil hinſterbend, erlag capetingiſcher teuf-
liſcher Unthat,
Schwieg auch der Geſang, und die goͤttliche Kunſt fiel unter
die Meiſter des Handwerks.
Spaͤt wieder erhub ſie die heilige Kraft, als neue befruch-
tende Regung
Weit uͤber die Welt, aus Deutſchlands Gau'n, der begeiſterte
ſaͤchſiſche Moͤnch trug;
Doch ſtrebte ſie nun langſamer empor, weil blutiger Kriege
Verderbniß
Das entvoͤlkerte Reich, Jahrhunderte lang, preisgab der
unendlichen Rohheit;
Weil Wechſel des Lauts erſt hemmte das Lied, da der bibel-
entfaltende Luther
Durch maͤnnlichern Ton auf immer vertrieb die melodiſche
rheiniſche Mundart.
Doch ſollte das Wort um ſo reicher erbluͤhn, und es lehrte
zugleich es Melanchthon
Den gediegenen Klang, den einſt anſchlug die begluͤcktere
Muſe von Hellas,
Und ſo reifte heran die germaniſche Kunſt, um entgegen zu
gehn der Vollendung!
Lang ſchlich ſie dahin, lang ſchleppte ſie noch nachahmende
Feſſel und ſeufzte,
Bis Klopſtock naht und die Welt fortreißt in erhabener
Odenbefluͤglung,
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