Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829.
Wie die Fürsten thun in Kotzebue's Komödien? Zwar als Verbannter schleich' ich jetzt allein umher; Doch vom Exil abruft mich einst das deutsche Volk: Schon jetzt erklingt im Ohre mir sein Reueton, Schon zerrt es mich am Saume meines Kleids zurück! Dir aber, welchen schonend ich behandelte, Dir schwillt der Kamm gewaltig, bitter h[ö]hnst du mich, Und hältst für deines Gleichen mich, Betrogener! Für jener Leutchen Einen, welche sonst vielleicht Um deinen Schreibtisch drängten sich, beklatschten dich, Von dir mit Schwulst sich stopfen ließen, Gänsen gleich. Unseliger, der du heute nun erfahren mußt, Welch einen Schatz beherzter Ueberlegenheit, Biegsamer Kraft im Vorgefühl des Bewältigens, Welch eine Suada dichterischer Redekunst In meines Wesens Wesenheit Natur gelegt! Denn jeden Hauch, der zwischen meine Zähne sich Zur Lippe drängt, begleiten auch Zermalmungen! Chor. Was thust du? Wehe! Höhne nicht das Kraftgenie! Verstand. Du blickst herab verächtlich auf Gescheutere, Als Pfuscher pfuschend, spielst du noch den Kritikus; Doch schelten darf nicht Jeder, das bedenke du! Denn selbst die Schicksalsnymphen will ich lieber sehn, Als dich, den Eimer füllend am Poetenborn: Du bist die Rachel, welche nur die Schafe tränkt! Und wäre Müllners Musengott ein Satyr auch, Mit dir verglichen ist er ein Hyperion, So wahr der Sohn der Maja mir die Laute gab, Ja, selbst die Pfeife, die den Argus eingewiegt!
Wie die Fuͤrſten thun in Kotzebue's Komoͤdien? Zwar als Verbannter ſchleich' ich jetzt allein umher; Doch vom Exil abruft mich einſt das deutſche Volk: Schon jetzt erklingt im Ohre mir ſein Reueton, Schon zerrt es mich am Saume meines Kleids zuruͤck! Dir aber, welchen ſchonend ich behandelte, Dir ſchwillt der Kamm gewaltig, bitter h[oͤ]hnſt du mich, Und haͤltſt fuͤr deines Gleichen mich, Betrogener! Fuͤr jener Leutchen Einen, welche ſonſt vielleicht Um deinen Schreibtiſch draͤngten ſich, beklatſchten dich, Von dir mit Schwulſt ſich ſtopfen ließen, Gaͤnſen gleich. Unſeliger, der du heute nun erfahren mußt, Welch einen Schatz beherzter Ueberlegenheit, Biegſamer Kraft im Vorgefuͤhl des Bewaͤltigens, Welch eine Suada dichteriſcher Redekunſt In meines Weſens Weſenheit Natur gelegt! Denn jeden Hauch, der zwiſchen meine Zaͤhne ſich Zur Lippe draͤngt, begleiten auch Zermalmungen! Chor. Was thuſt du? Wehe! Hoͤhne nicht das Kraftgenie! Verſtand. Du blickſt herab veraͤchtlich auf Geſcheutere, Als Pfuſcher pfuſchend, ſpielſt du noch den Kritikus; Doch ſchelten darf nicht Jeder, das bedenke du! Denn ſelbſt die Schickſalsnymphen will ich lieber ſehn, Als dich, den Eimer fuͤllend am Poetenborn: Du biſt die Rachel, welche nur die Schafe traͤnkt! Und waͤre Muͤllners Muſengott ein Satyr auch, Mit dir verglichen iſt er ein Hyperion, So wahr der Sohn der Maja mir die Laute gab, Ja, ſelbſt die Pfeife, die den Argus eingewiegt! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#VER"> <p><pb facs="#f0095" n="89"/> Wie die Fuͤrſten thun in Kotzebue's Komoͤdien?<lb/> Zwar als Verbannter ſchleich' ich jetzt allein umher;<lb/> Doch vom Exil abruft mich einſt das deutſche Volk:<lb/> Schon jetzt erklingt im Ohre mir ſein Reueton,<lb/> Schon zerrt es mich am Saume meines Kleids zuruͤck!<lb/> Dir aber, welchen ſchonend ich behandelte,<lb/> Dir ſchwillt der Kamm gewaltig, bitter h<supplied>oͤ</supplied>hnſt du mich,<lb/> Und haͤltſt fuͤr deines Gleichen mich, Betrogener!<lb/> Fuͤr jener Leutchen Einen, welche ſonſt vielleicht<lb/> Um deinen Schreibtiſch draͤngten ſich, beklatſchten dich,<lb/> Von dir mit Schwulſt ſich ſtopfen ließen, Gaͤnſen gleich.<lb/> Unſeliger, der du heute nun erfahren mußt,<lb/> Welch einen Schatz beherzter Ueberlegenheit,<lb/> Biegſamer Kraft im Vorgefuͤhl des Bewaͤltigens,<lb/> Welch eine Suada dichteriſcher Redekunſt<lb/> In meines Weſens Weſenheit Natur gelegt!<lb/> Denn jeden Hauch, der zwiſchen meine Zaͤhne ſich<lb/> Zur Lippe draͤngt, begleiten auch Zermalmungen!</p> </sp><lb/> <sp who="#CHO"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Chor</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Was thuſt du? Wehe! Hoͤhne nicht das Kraftgenie!</p> </sp><lb/> <sp who="#VER"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Verſtand</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Du blickſt herab veraͤchtlich auf Geſcheutere,<lb/> Als Pfuſcher pfuſchend, ſpielſt du noch den Kritikus;<lb/> Doch ſchelten darf nicht Jeder, das bedenke du!<lb/> Denn ſelbſt die Schickſalsnymphen will ich lieber ſehn,<lb/> Als dich, den Eimer fuͤllend am Poetenborn:<lb/> Du biſt die Rachel, welche nur die Schafe traͤnkt!<lb/> Und waͤre Muͤllners Muſengott ein Satyr auch,<lb/> Mit dir verglichen iſt er ein Hyperion,<lb/> So wahr der Sohn der Maja mir die Laute gab,<lb/> Ja, ſelbſt die Pfeife, die den Argus eingewiegt!<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [89/0095]
Wie die Fuͤrſten thun in Kotzebue's Komoͤdien?
Zwar als Verbannter ſchleich' ich jetzt allein umher;
Doch vom Exil abruft mich einſt das deutſche Volk:
Schon jetzt erklingt im Ohre mir ſein Reueton,
Schon zerrt es mich am Saume meines Kleids zuruͤck!
Dir aber, welchen ſchonend ich behandelte,
Dir ſchwillt der Kamm gewaltig, bitter hoͤhnſt du mich,
Und haͤltſt fuͤr deines Gleichen mich, Betrogener!
Fuͤr jener Leutchen Einen, welche ſonſt vielleicht
Um deinen Schreibtiſch draͤngten ſich, beklatſchten dich,
Von dir mit Schwulſt ſich ſtopfen ließen, Gaͤnſen gleich.
Unſeliger, der du heute nun erfahren mußt,
Welch einen Schatz beherzter Ueberlegenheit,
Biegſamer Kraft im Vorgefuͤhl des Bewaͤltigens,
Welch eine Suada dichteriſcher Redekunſt
In meines Weſens Weſenheit Natur gelegt!
Denn jeden Hauch, der zwiſchen meine Zaͤhne ſich
Zur Lippe draͤngt, begleiten auch Zermalmungen!
Chor.
Was thuſt du? Wehe! Hoͤhne nicht das Kraftgenie!
Verſtand.
Du blickſt herab veraͤchtlich auf Geſcheutere,
Als Pfuſcher pfuſchend, ſpielſt du noch den Kritikus;
Doch ſchelten darf nicht Jeder, das bedenke du!
Denn ſelbſt die Schickſalsnymphen will ich lieber ſehn,
Als dich, den Eimer fuͤllend am Poetenborn:
Du biſt die Rachel, welche nur die Schafe traͤnkt!
Und waͤre Muͤllners Muſengott ein Satyr auch,
Mit dir verglichen iſt er ein Hyperion,
So wahr der Sohn der Maja mir die Laute gab,
Ja, ſelbſt die Pfeife, die den Argus eingewiegt!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |