der Selectionstheorie zum Socialismus: "Der Darwinismus ist alles Andere eher als socialistisch! Will man dieser englischen Theorie eine bestimmte Tendenz beimessen -- was allerdings möglich ist -- so kann diese Tendenz nur eine aristokratische sein, durchaus keine demokratische, und am wenigsten eine socialistische! Die Selectionstheorie lehrt, dass im Menschenleben, wie im Thier- und Pflanzen- leben überall und jederzeit nur eine kleine bevorzugte Minderzahl existiren und blühen kann; während die über- grosse Mehrzahl darbt und mehr oder minder frühzeitig elend zu Grunde geht .... Der grausame und schonungs- lose "Kampf um's Dasein", der überall in der lebendigen Natur wüthet, und naturgemäss wüthen muss, diese unaufhör- liche und unerbittliche Concurrenz alles Lebendigen, ist eine unleugbare Thatsache; nur die auserlesene Minderzahl der bevorzugten Tüchtigen ist im Stande, diese Concurrenz glücklich zu bestehen, während die grosse Mehrzahl der Concurrenten nothwendig elend verderben muss! Man kann diese Thatsache tief beklagen, aber man kann sie weder wegläugnen noch ändern. Alle sind berufen, aber Wenige sind auserwählt! Die Selection, die Auslese dieser "Aus- erwählten" ist eben nothwendig mit dem Verkümmern und Untergang der übrigbleibenden Mehrzahl verknüpft .... Wenn daher der Darwinismus nach Virchow, consequent durchgeführt, für den Politiker eine "ungemein bedenkliche Seite" hat, so kann diese nur darin gefunden werden, dass sie aristokratischen Bestrebungen Vorschub leistet. Wie aber der heutige Socialismus an diesen Bestrebungen Freude haben soll, ... das ist mir, offen gestanden, absolut unbegreiflich!"
Auch der Zoologe Oskar Schmidt erhob sich gegen den Anspruch der Socialisten, mit der Selectionstheorie im Einklang zu stehen: "Das Resultat unserer Untersuchung ist, dass die Socialdemokratie, wo sie sich auf den Darwinismus beruft, ihn nicht verstanden hat, wenn sie ihn aber ausnahms-
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der Selectionstheorie zum Socialismus: „Der Darwinismus ist alles Andere eher als socialistisch! Will man dieser englischen Theorie eine bestimmte Tendenz beimessen — was allerdings möglich ist — so kann diese Tendenz nur eine aristokratische sein, durchaus keine demokratische, und am wenigsten eine socialistische! Die Selectionstheorie lehrt, dass im Menschenleben, wie im Thier- und Pflanzen- leben überall und jederzeit nur eine kleine bevorzugte Minderzahl existiren und blühen kann; während die über- grosse Mehrzahl darbt und mehr oder minder frühzeitig elend zu Grunde geht .... Der grausame und schonungs- lose „Kampf um’s Dasein“, der überall in der lebendigen Natur wüthet, und naturgemäss wüthen muss, diese unaufhör- liche und unerbittliche Concurrenz alles Lebendigen, ist eine unleugbare Thatsache; nur die auserlesene Minderzahl der bevorzugten Tüchtigen ist im Stande, diese Concurrenz glücklich zu bestehen, während die grosse Mehrzahl der Concurrenten nothwendig elend verderben muss! Man kann diese Thatsache tief beklagen, aber man kann sie weder wegläugnen noch ändern. Alle sind berufen, aber Wenige sind auserwählt! Die Selection, die Auslese dieser „Aus- erwählten“ ist eben nothwendig mit dem Verkümmern und Untergang der übrigbleibenden Mehrzahl verknüpft .... Wenn daher der Darwinismus nach Virchow, consequent durchgeführt, für den Politiker eine „ungemein bedenkliche Seite“ hat, so kann diese nur darin gefunden werden, dass sie aristokratischen Bestrebungen Vorschub leistet. Wie aber der heutige Socialismus an diesen Bestrebungen Freude haben soll, … das ist mir, offen gestanden, absolut unbegreiflich!“
Auch der Zoologe Oskar Schmidt erhob sich gegen den Anspruch der Socialisten, mit der Selectionstheorie im Einklang zu stehen: „Das Resultat unserer Untersuchung ist, dass die Socialdemokratie, wo sie sich auf den Darwinismus beruft, ihn nicht verstanden hat, wenn sie ihn aber ausnahms-
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der Selectionstheorie zum Socialismus: „Der Darwinismus
ist alles Andere eher als socialistisch! Will man dieser
englischen Theorie eine bestimmte Tendenz beimessen —
was allerdings möglich ist — so kann diese Tendenz nur
eine aristokratische sein, durchaus keine demokratische,
und am wenigsten eine socialistische! Die Selectionstheorie
lehrt, dass im Menschenleben, wie im Thier- und Pflanzen-
leben überall und jederzeit nur eine kleine bevorzugte
Minderzahl existiren und blühen kann; während die über-
grosse Mehrzahl darbt und mehr oder minder frühzeitig
elend zu Grunde geht .... Der grausame und schonungs-
lose „Kampf um’s Dasein“, der überall in der lebendigen
Natur wüthet, und naturgemäss wüthen muss, diese unaufhör-
liche und unerbittliche Concurrenz alles Lebendigen, ist
eine unleugbare Thatsache; nur die auserlesene Minderzahl
der bevorzugten Tüchtigen ist im Stande, diese Concurrenz
glücklich zu bestehen, während die grosse Mehrzahl der
Concurrenten nothwendig elend verderben muss! Man kann
diese Thatsache tief beklagen, aber man kann sie weder
wegläugnen noch ändern. Alle sind berufen, aber Wenige
sind auserwählt! Die Selection, die Auslese dieser „Aus-
erwählten“ ist eben nothwendig mit dem Verkümmern und
Untergang der übrigbleibenden Mehrzahl verknüpft ....
Wenn daher der Darwinismus nach Virchow, consequent
durchgeführt, für den Politiker eine „ungemein bedenkliche
Seite“ hat, so kann diese nur darin gefunden werden, dass
sie aristokratischen Bestrebungen Vorschub leistet. Wie
aber der heutige Socialismus an diesen Bestrebungen
Freude haben soll, … das ist mir, offen gestanden,
absolut unbegreiflich!“
Auch der Zoologe Oskar Schmidt erhob sich gegen
den Anspruch der Socialisten, mit der Selectionstheorie im
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Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/229>, abgerufen am 16.02.2025.
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