Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

sichtigt worden, und hat dazu Veranlassung gegeben,
sowohl die künstliche als die geschlechtliche Zuchtwahl
heranzuziehen. Für künstliche Zuchtwahl hat sich z. B.
der berühmte Vererbungsforscher Francis Galton aus-
gesprochen. Er will ein staatliches Censur-System für
Familientauglichkeit, das sich auf Fachurtheile über Ge-
sundheit, Intelligenz und sittliches Verhalten gründen soll.
Inhabern guter Censuren soll durch ausreichende Staats-
unterstützung die Gründung einer Familie ermöglicht werden.
Wallace bemerkt sehr richtig zu diesem Vorschlag, dass
er wohl die Tendenz haben würde, die Zahl unserer be-
gabtesten Männer zu vermehren und ihr Niveau zu heben,
dass er aber gleichzeitig die grosse Menge der Bevölkerung
gar nicht treffen würde. Was wir brauchten, sei aber nicht
nur ein höheres Niveau der Vollendung für Wenige, sondern
ein höheres Niveau für den Durchschnitt.

Ausserdem ist Galton's Vorschlag zu sehr auf die
Concurrenzwirthschaft berechnet. Bei den nonselectorischen
Wirthschafts-Systemen würden sich Liebende, wenn sie nur
die Aussicht auf hinreichenden Unterhalt ihrer Familie
hätten, schwerlich um staatliche Unterstützung kümmern.
Es wird soviel davon erhofft, dass später die Heirathen
öfter aus Liebe als aus allen möglichen anderen Motiven
geschlossen werden, da muss man dann aber auch mit
dem ganzen rücksichtslosen und unbedachten Vorgehen
von Liebesleuten rechnen.

Hiram Stanley (in milderer Form auch Broca)
denkt ebenfalls an eine künstliche Zuchtwahl, um der nach
seiner Ansicht jetzt bereits drohenden Entartung der Cultur-
menschheit zu begegnen. Er will das Vorrecht, Kinder zu
erzeugen, für eine durch wissenschaftliche Fachleute aus-
gesuchte Minderheit reserviren. Wirksam wäre das ja
zweifellos, allein glaubt dieser Bürger der grössten demo-
kratischen Republik wirklich, dass moderne Menschen,
die sich um ihr Wahlrecht die Köpfe blutig schlagen, je

sichtigt worden, und hat dazu Veranlassung gegeben,
sowohl die künstliche als die geschlechtliche Zuchtwahl
heranzuziehen. Für künstliche Zuchtwahl hat sich z. B.
der berühmte Vererbungsforscher Francis Galton aus-
gesprochen. Er will ein staatliches Censur-System für
Familientauglichkeit, das sich auf Fachurtheile über Ge-
sundheit, Intelligenz und sittliches Verhalten gründen soll.
Inhabern guter Censuren soll durch ausreichende Staats-
unterstützung die Gründung einer Familie ermöglicht werden.
Wallace bemerkt sehr richtig zu diesem Vorschlag, dass
er wohl die Tendenz haben würde, die Zahl unserer be-
gabtesten Männer zu vermehren und ihr Niveau zu heben,
dass er aber gleichzeitig die grosse Menge der Bevölkerung
gar nicht treffen würde. Was wir brauchten, sei aber nicht
nur ein höheres Niveau der Vollendung für Wenige, sondern
ein höheres Niveau für den Durchschnitt.

Ausserdem ist Galton’s Vorschlag zu sehr auf die
Concurrenzwirthschaft berechnet. Bei den nonselectorischen
Wirthschafts-Systemen würden sich Liebende, wenn sie nur
die Aussicht auf hinreichenden Unterhalt ihrer Familie
hätten, schwerlich um staatliche Unterstützung kümmern.
Es wird soviel davon erhofft, dass später die Heirathen
öfter aus Liebe als aus allen möglichen anderen Motiven
geschlossen werden, da muss man dann aber auch mit
dem ganzen rücksichtslosen und unbedachten Vorgehen
von Liebesleuten rechnen.

Hiram Stanley (in milderer Form auch Broca)
denkt ebenfalls an eine künstliche Zuchtwahl, um der nach
seiner Ansicht jetzt bereits drohenden Entartung der Cultur-
menschheit zu begegnen. Er will das Vorrecht, Kinder zu
erzeugen, für eine durch wissenschaftliche Fachleute aus-
gesuchte Minderheit reserviren. Wirksam wäre das ja
zweifellos, allein glaubt dieser Bürger der grössten demo-
kratischen Republik wirklich, dass moderne Menschen,
die sich um ihr Wahlrecht die Köpfe blutig schlagen, je

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0235" n="215"/>
sichtigt worden, und hat dazu Veranlassung gegeben,<lb/>
sowohl die künstliche als die geschlechtliche Zuchtwahl<lb/>
heranzuziehen. Für künstliche Zuchtwahl hat sich z. B.<lb/>
der berühmte Vererbungsforscher <hi rendition="#g">Francis Galton</hi> aus-<lb/>
gesprochen. Er will ein staatliches Censur-System für<lb/>
Familientauglichkeit, das sich auf Fachurtheile über Ge-<lb/>
sundheit, Intelligenz und sittliches Verhalten gründen soll.<lb/>
Inhabern guter Censuren soll durch ausreichende Staats-<lb/>
unterstützung die Gründung einer Familie ermöglicht werden.<lb/><hi rendition="#g">Wallace</hi> bemerkt sehr richtig zu diesem Vorschlag, dass<lb/>
er wohl die Tendenz haben würde, die Zahl unserer be-<lb/>
gabtesten Männer zu vermehren und ihr Niveau zu heben,<lb/>
dass er aber gleichzeitig die grosse Menge der Bevölkerung<lb/>
gar nicht treffen würde. Was wir brauchten, sei aber nicht<lb/>
nur ein höheres Niveau der Vollendung für Wenige, sondern<lb/>
ein höheres Niveau für den Durchschnitt.</p><lb/>
          <p>Ausserdem ist <hi rendition="#g">Galton&#x2019;s</hi> Vorschlag zu sehr auf die<lb/>
Concurrenzwirthschaft berechnet. Bei den nonselectorischen<lb/>
Wirthschafts-Systemen würden sich Liebende, wenn sie nur<lb/>
die Aussicht auf hinreichenden Unterhalt ihrer Familie<lb/>
hätten, schwerlich um staatliche Unterstützung kümmern.<lb/>
Es wird soviel davon erhofft, dass später die Heirathen<lb/>
öfter aus Liebe als aus allen möglichen anderen Motiven<lb/>
geschlossen werden, da muss man dann aber auch mit<lb/>
dem ganzen rücksichtslosen und unbedachten Vorgehen<lb/>
von Liebesleuten rechnen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Hiram Stanley</hi> (in milderer Form auch <hi rendition="#g">Broca</hi>)<lb/>
denkt ebenfalls an eine künstliche Zuchtwahl, um der nach<lb/>
seiner Ansicht jetzt bereits drohenden Entartung der Cultur-<lb/>
menschheit zu begegnen. Er will das Vorrecht, Kinder zu<lb/>
erzeugen, für eine durch wissenschaftliche Fachleute aus-<lb/>
gesuchte Minderheit reserviren. Wirksam wäre das ja<lb/>
zweifellos, allein glaubt dieser Bürger der grössten demo-<lb/>
kratischen Republik wirklich, dass moderne Menschen,<lb/>
die sich um ihr Wahlrecht die Köpfe blutig schlagen, je<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0235] sichtigt worden, und hat dazu Veranlassung gegeben, sowohl die künstliche als die geschlechtliche Zuchtwahl heranzuziehen. Für künstliche Zuchtwahl hat sich z. B. der berühmte Vererbungsforscher Francis Galton aus- gesprochen. Er will ein staatliches Censur-System für Familientauglichkeit, das sich auf Fachurtheile über Ge- sundheit, Intelligenz und sittliches Verhalten gründen soll. Inhabern guter Censuren soll durch ausreichende Staats- unterstützung die Gründung einer Familie ermöglicht werden. Wallace bemerkt sehr richtig zu diesem Vorschlag, dass er wohl die Tendenz haben würde, die Zahl unserer be- gabtesten Männer zu vermehren und ihr Niveau zu heben, dass er aber gleichzeitig die grosse Menge der Bevölkerung gar nicht treffen würde. Was wir brauchten, sei aber nicht nur ein höheres Niveau der Vollendung für Wenige, sondern ein höheres Niveau für den Durchschnitt. Ausserdem ist Galton’s Vorschlag zu sehr auf die Concurrenzwirthschaft berechnet. Bei den nonselectorischen Wirthschafts-Systemen würden sich Liebende, wenn sie nur die Aussicht auf hinreichenden Unterhalt ihrer Familie hätten, schwerlich um staatliche Unterstützung kümmern. Es wird soviel davon erhofft, dass später die Heirathen öfter aus Liebe als aus allen möglichen anderen Motiven geschlossen werden, da muss man dann aber auch mit dem ganzen rücksichtslosen und unbedachten Vorgehen von Liebesleuten rechnen. Hiram Stanley (in milderer Form auch Broca) denkt ebenfalls an eine künstliche Zuchtwahl, um der nach seiner Ansicht jetzt bereits drohenden Entartung der Cultur- menschheit zu begegnen. Er will das Vorrecht, Kinder zu erzeugen, für eine durch wissenschaftliche Fachleute aus- gesuchte Minderheit reserviren. Wirksam wäre das ja zweifellos, allein glaubt dieser Bürger der grössten demo- kratischen Republik wirklich, dass moderne Menschen, die sich um ihr Wahlrecht die Köpfe blutig schlagen, je

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/235
Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/235>, abgerufen am 24.11.2024.