Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 1. München, 1859.
Blaubarts Gattin, sondern seine Sklavin. Neu- gierde! -- Was Neugierde? Jch bin gar nicht neu- gierig; allein wenn es meine Weibesehre und Würde betrifft, müssen alle Rücksichten in den Hin- tergrund treten. Jch will nur ein bischen durch's Schlüsselloch gucken. Vielleicht bekomm ich Etwas zu sehen von den einfältigen, geheimen Kostbarkeiten. (Sieht durch's Schlüsselloch einer Seitenthüre.) Jch kann nichts unterscheiden; es ist mir wie ein Nebel vor den Augen. Das ist ärgerlich, sehr ärgerlich! Nun, was wird's denn sein, wenn ich geöffnet und mich ein wenig umgesehen habe in dem Tempel des Heiligthums. Jmmer und immer müssen die Männer sich Etwas vorbehalten. Es ist wirk- lich schändlich, wie sie uns Frauen behandeln! Ge- rade als wenn wir nur Mägde wären. Komm nur liebes goldenes Schlüsselchen; du sollst nicht umsonst mit den Uebrigen am Schlüssel- ringe hängen. Laß einmal sehen! (steckt den Schlüssel an.) (Zögernd.) Wird mir doch ganz sonderbar zu Muth. Blaubart hat mir's so streng untersagt. Warum? War es nothwendig? Hätte er nur den Schlüssel bei sich behalten! -- es ist und bleibt eine grau-
Blaubarts Gattin, ſondern ſeine Sklavin. Neu- gierde! — Was Neugierde? Jch bin gar nicht neu- gierig; allein wenn es meine Weibesehre und Würde betrifft, müſſen alle Rückſichten in den Hin- tergrund treten. Jch will nur ein bischen durch’s Schlüſſelloch gucken. Vielleicht bekomm ich Etwas zu ſehen von den einfältigen, geheimen Koſtbarkeiten. (Sieht durch’s Schlüſſelloch einer Seitenthüre.) Jch kann nichts unterſcheiden; es iſt mir wie ein Nebel vor den Augen. Das iſt ärgerlich, ſehr ärgerlich! Nun, was wird’s denn ſein, wenn ich geöffnet und mich ein wenig umgeſehen habe in dem Tempel des Heiligthums. Jmmer und immer müſſen die Männer ſich Etwas vorbehalten. Es iſt wirk- lich ſchändlich, wie ſie uns Frauen behandeln! Ge- rade als wenn wir nur Mägde wären. Komm nur liebes goldenes Schlüſſelchen; du ſollſt nicht umſonſt mit den Uebrigen am Schlüſſel- ringe hängen. Laß einmal ſehen! (ſteckt den Schlüſſel an.) (Zögernd.) Wird mir doch ganz ſonderbar zu Muth. Blaubart hat mir’s ſo ſtreng unterſagt. Warum? War es nothwendig? Hätte er nur den Schlüſſel bei ſich behalten! — es iſt und bleibt eine grau- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#BER"> <p><pb facs="#f0179" n="173"/> Blaubarts Gattin, ſondern ſeine Sklavin. Neu-<lb/> gierde! — Was Neugierde? Jch bin gar nicht neu-<lb/> gierig; allein wenn es meine Weibesehre und<lb/> Würde betrifft, müſſen alle Rückſichten in den Hin-<lb/> tergrund treten. Jch will nur ein bischen durch’s<lb/> Schlüſſelloch gucken.</p><lb/> <p>Vielleicht bekomm ich Etwas zu ſehen von den<lb/> einfältigen, geheimen Koſtbarkeiten.</p><lb/> <stage> <hi rendition="#c">(Sieht durch’s Schlüſſelloch einer Seitenthüre.)</hi> </stage><lb/> <p>Jch kann nichts unterſcheiden; es iſt mir wie<lb/> ein Nebel vor den Augen. Das iſt ärgerlich, ſehr<lb/> ärgerlich! Nun, was wird’s denn ſein, wenn ich<lb/> geöffnet und mich ein wenig umgeſehen habe in dem<lb/> Tempel des Heiligthums. Jmmer und immer müſſen<lb/> die Männer ſich Etwas vorbehalten. Es iſt wirk-<lb/> lich ſchändlich, wie ſie uns Frauen behandeln! Ge-<lb/> rade als wenn wir nur Mägde wären.</p><lb/> <p>Komm nur liebes goldenes Schlüſſelchen; du<lb/> ſollſt nicht umſonſt mit den Uebrigen am Schlüſſel-<lb/> ringe hängen. Laß einmal ſehen!</p> <stage>(ſteckt den Schlüſſel an.)</stage><lb/> <stage>(Zögernd.)</stage> <p>Wird mir doch ganz ſonderbar zu Muth.<lb/> Blaubart hat mir’s ſo ſtreng unterſagt. Warum?<lb/> War es nothwendig? Hätte er nur den Schlüſſel<lb/> bei ſich behalten! — es iſt und bleibt eine grau-<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [173/0179]
Blaubarts Gattin, ſondern ſeine Sklavin. Neu-
gierde! — Was Neugierde? Jch bin gar nicht neu-
gierig; allein wenn es meine Weibesehre und
Würde betrifft, müſſen alle Rückſichten in den Hin-
tergrund treten. Jch will nur ein bischen durch’s
Schlüſſelloch gucken.
Vielleicht bekomm ich Etwas zu ſehen von den
einfältigen, geheimen Koſtbarkeiten.
(Sieht durch’s Schlüſſelloch einer Seitenthüre.)
Jch kann nichts unterſcheiden; es iſt mir wie
ein Nebel vor den Augen. Das iſt ärgerlich, ſehr
ärgerlich! Nun, was wird’s denn ſein, wenn ich
geöffnet und mich ein wenig umgeſehen habe in dem
Tempel des Heiligthums. Jmmer und immer müſſen
die Männer ſich Etwas vorbehalten. Es iſt wirk-
lich ſchändlich, wie ſie uns Frauen behandeln! Ge-
rade als wenn wir nur Mägde wären.
Komm nur liebes goldenes Schlüſſelchen; du
ſollſt nicht umſonſt mit den Uebrigen am Schlüſſel-
ringe hängen. Laß einmal ſehen! (ſteckt den Schlüſſel an.)
(Zögernd.) Wird mir doch ganz ſonderbar zu Muth.
Blaubart hat mir’s ſo ſtreng unterſagt. Warum?
War es nothwendig? Hätte er nur den Schlüſſel
bei ſich behalten! — es iſt und bleibt eine grau-
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