Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 2. München, 1861.
wenn du auch mir nichts Anderes schenken willst, bringe mir, sei so lieb und gut, oder gib's nur der Mutter für mich, das gewiße Buch, du weißt's schon, so eine biblische Geschichte mit schönen Bil- dern. Jch werde fleißig darin lesen und immer dankbar -- dankbar an dich denken." -- Unter- schrift: "Dein treuer Ludwig Werner, und damit du weißt, wo ich wohne, schreib' ich auch dazu: Kirchengasse Nro. 45 ganz oben im vierten Stock, bei meiner lieben Mutter, denn mein Vater ist vor zwei Jahren gestorben." -- -- So -- jetzt Oblate her, Petschaft der Mutter, das thut nichts zur Sache, und auf den Brief: "An das liebe Christkindchen im Himmel oben." -- -- Ah -- ah -- meine Schrift ist passabel aus- gefallen, ohne Linien war's ein Bischen schwer. -- Nun vor die Mutter kömmt! geschwind, vor's Fenster mit dem Briefe, auf das Gesimse; die Engelein, die vorbeifliegen, werden ihn schon holen und dem Christkindchen bringen! (Oeffnet das Fenster und legt den Brief hinaus.) O weh! er ist mir auf die Strasse gefallen! -- das thut aber nichts, Christ- kindl find't ihn schon! (Schließt das Fenster. Geräusch außen.) Ah, die Mutter kömmt.
wenn du auch mir nichts Anderes ſchenken willſt, bringe mir, ſei ſo lieb und gut, oder gib’s nur der Mutter für mich, das gewiße Buch, du weißt’s ſchon, ſo eine bibliſche Geſchichte mit ſchönen Bil- dern. Jch werde fleißig darin leſen und immer dankbar — dankbar an dich denken.‟ — Unter- ſchrift: „Dein treuer Ludwig Werner, und damit du weißt, wo ich wohne, ſchreib’ ich auch dazu: Kirchengaſſe Nro. 45 ganz oben im vierten Stock, bei meiner lieben Mutter, denn mein Vater iſt vor zwei Jahren geſtorben.‟ — — So — jetzt Oblate her, Petſchaft der Mutter, das thut nichts zur Sache, und auf den Brief: „An das liebe Chriſtkindchen im Himmel oben.‟ — — Ah — ah — meine Schrift iſt paſſabel aus- gefallen, ohne Linien war’s ein Bischen ſchwer. — Nun vor die Mutter kömmt! geſchwind, vor’s Fenſter mit dem Briefe, auf das Geſimſe; die Engelein, die vorbeifliegen, werden ihn ſchon holen und dem Chriſtkindchen bringen! (Oeffnet das Fenſter und legt den Brief hinaus.) O weh! er iſt mir auf die Straſſe gefallen! — das thut aber nichts, Chriſt- kindl find’t ihn ſchon! (Schließt das Fenſter. Geräuſch außen.) Ah, die Mutter kömmt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#LUD"> <p><pb facs="#f0088" n="68"/> wenn du auch mir nichts Anderes ſchenken willſt,<lb/> bringe mir, ſei ſo lieb und gut, oder gib’s nur<lb/> der Mutter für mich, das gewiße Buch, du weißt’s<lb/> ſchon, ſo eine bibliſche Geſchichte mit ſchönen Bil-<lb/> dern. Jch werde fleißig darin leſen und immer<lb/> dankbar — dankbar an dich denken.‟ — Unter-<lb/> ſchrift: „Dein treuer Ludwig Werner, und damit<lb/> du weißt, wo ich wohne, ſchreib’ ich auch dazu:<lb/> Kirchengaſſe Nro. 45 ganz oben im vierten Stock,<lb/> bei meiner lieben Mutter, denn mein Vater iſt<lb/> vor zwei Jahren geſtorben.‟ — —</p><lb/> <p>So — jetzt Oblate her, Petſchaft der Mutter,<lb/> das thut nichts zur Sache, und auf den Brief:<lb/> „An das liebe Chriſtkindchen im Himmel oben.‟ — —</p><lb/> <p>Ah — ah — meine Schrift iſt paſſabel aus-<lb/> gefallen, ohne Linien war’s ein Bischen ſchwer.<lb/> — Nun vor die Mutter kömmt! geſchwind, vor’s<lb/> Fenſter mit dem Briefe, auf das Geſimſe; die<lb/> Engelein, die vorbeifliegen, werden ihn ſchon holen<lb/> und dem Chriſtkindchen bringen!</p> <stage>(Oeffnet das Fenſter und<lb/> legt den Brief hinaus.)</stage> <p>O weh! er iſt mir auf die<lb/> Straſſe gefallen! — das thut aber nichts, Chriſt-<lb/> kindl find’t ihn ſchon!</p> <stage>(Schließt das Fenſter. Geräuſch außen.)</stage><lb/> <p>Ah, die Mutter kömmt.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [68/0088]
wenn du auch mir nichts Anderes ſchenken willſt,
bringe mir, ſei ſo lieb und gut, oder gib’s nur
der Mutter für mich, das gewiße Buch, du weißt’s
ſchon, ſo eine bibliſche Geſchichte mit ſchönen Bil-
dern. Jch werde fleißig darin leſen und immer
dankbar — dankbar an dich denken.‟ — Unter-
ſchrift: „Dein treuer Ludwig Werner, und damit
du weißt, wo ich wohne, ſchreib’ ich auch dazu:
Kirchengaſſe Nro. 45 ganz oben im vierten Stock,
bei meiner lieben Mutter, denn mein Vater iſt
vor zwei Jahren geſtorben.‟ — —
So — jetzt Oblate her, Petſchaft der Mutter,
das thut nichts zur Sache, und auf den Brief:
„An das liebe Chriſtkindchen im Himmel oben.‟ — —
Ah — ah — meine Schrift iſt paſſabel aus-
gefallen, ohne Linien war’s ein Bischen ſchwer.
— Nun vor die Mutter kömmt! geſchwind, vor’s
Fenſter mit dem Briefe, auf das Geſimſe; die
Engelein, die vorbeifliegen, werden ihn ſchon holen
und dem Chriſtkindchen bringen! (Oeffnet das Fenſter und
legt den Brief hinaus.) O weh! er iſt mir auf die
Straſſe gefallen! — das thut aber nichts, Chriſt-
kindl find’t ihn ſchon! (Schließt das Fenſter. Geräuſch außen.)
Ah, die Mutter kömmt.
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