Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 3. München, 1869.
anzubeißen, habe ich es bisher stets unterlassen, weil Sie mir zu meinem Hauswesen nothwendig sind. Aber, wenn Sie mich durch unzeitiges, ungeeignetes Benehmen allzusehr zum Zorne reizen sollten, so könnte ich nicht für mich gut stehen und -- der gütige Himmel weiß -- was dann geschehen könnte. Es wäre fürchterlich, wenn ich mich an Jhnen ver- greifen müßte, um meinen antropophagischen Ten- denzen Genüge zu leisten. Katharine. Aber ich bitte Sie, Herr Professor! Fleischmann. Bitten Sie nicht; sprechen Sie die Wahrheit! Es ist Menschenfleisch in der Nähe! wo? wie? wer? heraus damit oder ich beiße Sie an! denn ich bin zu aufgeregt und kann mich nicht mehr zurückhalten. Katharine (für sich.) Weh mir, ich bin verloren! (zu Fleischmann.) Gnade, Herr Professor! Jch muß schon gestehen, daß ich zwei arme Kinder beherbergt habe, die sich hieher verirrt hatten; allein sie sind vor Hunger so mager, daß kein guter Bissen an ihnen ist. Fleischmann. Jhr Glück ist's, Kathrine, daß Sie die Wahrheit
anzubeißen, habe ich es bisher ſtets unterlaſſen, weil Sie mir zu meinem Hausweſen nothwendig ſind. Aber, wenn Sie mich durch unzeitiges, ungeeignetes Benehmen allzuſehr zum Zorne reizen ſollten, ſo könnte ich nicht für mich gut ſtehen und — der gütige Himmel weiß — was dann geſchehen könnte. Es wäre fürchterlich, wenn ich mich an Jhnen ver- greifen müßte, um meinen antropophagiſchen Ten- denzen Genüge zu leiſten. Katharine. Aber ich bitte Sie, Herr Profeſſor! Fleiſchmann. Bitten Sie nicht; ſprechen Sie die Wahrheit! Es iſt Menſchenfleiſch in der Nähe! wo? wie? wer? heraus damit oder ich beiße Sie an! denn ich bin zu aufgeregt und kann mich nicht mehr zurückhalten. Katharine (für ſich.) Weh mir, ich bin verloren! (zu Fleiſchmann.) Gnade, Herr Profeſſor! Jch muß ſchon geſtehen, daß ich zwei arme Kinder beherbergt habe, die ſich hieher verirrt hatten; allein ſie ſind vor Hunger ſo mager, daß kein guter Biſſen an ihnen iſt. Fleiſchmann. Jhr Glück iſt’s, Kathrine, daß Sie die Wahrheit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#FLE"> <p><pb facs="#f0020" n="16"/> anzubeißen, habe ich es bisher ſtets unterlaſſen, weil<lb/> Sie mir zu meinem Hausweſen nothwendig ſind.<lb/> Aber, wenn Sie mich durch unzeitiges, ungeeignetes<lb/> Benehmen allzuſehr zum Zorne reizen ſollten, ſo<lb/> könnte ich nicht für mich gut ſtehen und — der<lb/> gütige Himmel weiß — was dann geſchehen könnte.<lb/> Es wäre fürchterlich, wenn ich mich an Jhnen ver-<lb/> greifen müßte, um meinen antropophagiſchen Ten-<lb/> denzen Genüge zu leiſten.</p> </sp><lb/> <sp who="#KAT"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Katharine.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Aber ich bitte Sie, Herr Profeſſor!</p> </sp><lb/> <sp who="#FLE"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Fleiſchmann.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p><hi rendition="#g">Bitten</hi> Sie nicht; ſprechen Sie die Wahrheit!<lb/> Es iſt Menſchenfleiſch in der Nähe! wo? wie? wer?<lb/> heraus damit oder ich beiße Sie an! denn ich bin<lb/> zu aufgeregt und kann mich nicht mehr zurückhalten.</p> </sp><lb/> <sp who="#KAT"> <speaker> <hi rendition="#b">Katharine</hi> </speaker> <stage>(für ſich.)</stage><lb/> <p>Weh mir, ich bin verloren!</p> <stage>(zu Fleiſchmann.)</stage> <p>Gnade,<lb/> Herr Profeſſor! Jch muß ſchon geſtehen, daß ich<lb/> zwei arme Kinder beherbergt habe, die ſich hieher<lb/> verirrt hatten; allein ſie ſind vor Hunger ſo mager,<lb/> daß kein guter Biſſen an ihnen iſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#FLE"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Fleiſchmann.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Jhr Glück iſt’s, Kathrine, daß Sie die Wahrheit<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [16/0020]
anzubeißen, habe ich es bisher ſtets unterlaſſen, weil
Sie mir zu meinem Hausweſen nothwendig ſind.
Aber, wenn Sie mich durch unzeitiges, ungeeignetes
Benehmen allzuſehr zum Zorne reizen ſollten, ſo
könnte ich nicht für mich gut ſtehen und — der
gütige Himmel weiß — was dann geſchehen könnte.
Es wäre fürchterlich, wenn ich mich an Jhnen ver-
greifen müßte, um meinen antropophagiſchen Ten-
denzen Genüge zu leiſten.
Katharine.
Aber ich bitte Sie, Herr Profeſſor!
Fleiſchmann.
Bitten Sie nicht; ſprechen Sie die Wahrheit!
Es iſt Menſchenfleiſch in der Nähe! wo? wie? wer?
heraus damit oder ich beiße Sie an! denn ich bin
zu aufgeregt und kann mich nicht mehr zurückhalten.
Katharine (für ſich.)
Weh mir, ich bin verloren! (zu Fleiſchmann.) Gnade,
Herr Profeſſor! Jch muß ſchon geſtehen, daß ich
zwei arme Kinder beherbergt habe, die ſich hieher
verirrt hatten; allein ſie ſind vor Hunger ſo mager,
daß kein guter Biſſen an ihnen iſt.
Fleiſchmann.
Jhr Glück iſt’s, Kathrine, daß Sie die Wahrheit
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