Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 6. München, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite
Gesetz befiehlt? Nur eine bestimmte Zeit ist den
Wassergeistern gestattet, fern zu bleiben.
Undine.
Kann ich dafür, daß ich unser Reich verlassen?
Kühleborn.
Wohl weiß ich, daß es nicht Deine Schuld ist.
Allein dieß ändert die in den Elementen herrschenden
Gesetze nicht. Jch weiß, daß Deine unglücksel'ge
Mutter, meines Bruders Weib, im Zwiespalte mit
ihrem Gatten Dich hier an das Land gesetzt hat.
Du warst damals ein dreijähriges Kind der Fluthen.
Nun bist du 16 Jahre alt. Bald ist die Frist ab-
gelaufen; Du mußt zurückkehren zu uns.
Undine.
Jch will nicht. Jch entsage aller Zauberkraft
der Nixen. Jch kann diesen Erdenreizen nicht ent-
sagen. Jn der kalten Tiefe dort unten grünen keine
Wälder, keine Blumen blühen und duften, kein
Vogelsang erfreut die Sinne! Alles ist stumm, kalt
und starr. Traurig glänzen im blauen Dämmer-
licht die kristall'nen Räume.
Kühleborn.
Und dennoch, Du bist und bleibst das Kind
der Welle!
Geſetz befiehlt? Nur eine beſtimmte Zeit iſt den
Waſſergeiſtern geſtattet, fern zu bleiben.
Undine.
Kann ich dafür, daß ich unſer Reich verlaſſen?
Kühleborn.
Wohl weiß ich, daß es nicht Deine Schuld iſt.
Allein dieß ändert die in den Elementen herrſchenden
Geſetze nicht. Jch weiß, daß Deine unglückſel’ge
Mutter, meines Bruders Weib, im Zwieſpalte mit
ihrem Gatten Dich hier an das Land geſetzt hat.
Du warſt damals ein dreijähriges Kind der Fluthen.
Nun biſt du 16 Jahre alt. Bald iſt die Friſt ab-
gelaufen; Du mußt zurückkehren zu uns.
Undine.
Jch will nicht. Jch entſage aller Zauberkraft
der Nixen. Jch kann dieſen Erdenreizen nicht ent-
ſagen. Jn der kalten Tiefe dort unten grünen keine
Wälder, keine Blumen blühen und duften, kein
Vogelſang erfreut die Sinne! Alles iſt ſtumm, kalt
und ſtarr. Traurig glänzen im blauen Dämmer-
licht die kriſtall’nen Räume.
Kühleborn.
Und dennoch, Du biſt und bleibſt das Kind
der Welle!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#KÜH">
            <p><pb facs="#f0048" n="10"/>
Ge&#x017F;etz befiehlt? Nur eine be&#x017F;timmte Zeit i&#x017F;t den<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;ergei&#x017F;tern ge&#x017F;tattet, fern zu bleiben.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#UND">
            <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Undine.</hi> </hi> </speaker><lb/>
            <p>Kann <hi rendition="#g">ich</hi> dafür, daß ich un&#x017F;er Reich verla&#x017F;&#x017F;en?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#KÜH">
            <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Kühleborn.</hi> </hi> </speaker><lb/>
            <p>Wohl weiß ich, daß es nicht Deine Schuld i&#x017F;t.<lb/>
Allein dieß ändert die in den Elementen herr&#x017F;chenden<lb/>
Ge&#x017F;etze nicht. Jch weiß, daß Deine unglück&#x017F;el&#x2019;ge<lb/>
Mutter, meines Bruders Weib, im Zwie&#x017F;palte mit<lb/>
ihrem Gatten Dich hier an das Land ge&#x017F;etzt hat.<lb/>
Du war&#x017F;t damals ein dreijähriges Kind der Fluthen.<lb/>
Nun bi&#x017F;t du 16 Jahre alt. Bald i&#x017F;t die Fri&#x017F;t ab-<lb/>
gelaufen; <hi rendition="#g">Du</hi> mußt zurückkehren zu uns.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#UND">
            <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Undine.</hi> </hi> </speaker><lb/>
            <p>Jch <hi rendition="#g">will</hi> nicht. Jch ent&#x017F;age aller Zauberkraft<lb/>
der Nixen. Jch kann die&#x017F;en Erdenreizen nicht ent-<lb/>
&#x017F;agen. Jn der kalten Tiefe dort unten grünen keine<lb/>
Wälder, keine Blumen blühen und duften, kein<lb/>
Vogel&#x017F;ang erfreut die Sinne! Alles i&#x017F;t &#x017F;tumm, kalt<lb/>
und &#x017F;tarr. Traurig glänzen im blauen Dämmer-<lb/>
licht die kri&#x017F;tall&#x2019;nen Räume.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#KÜH">
            <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Kühleborn.</hi> </hi> </speaker><lb/>
            <p>Und <hi rendition="#g">dennoch,</hi> Du bi&#x017F;t und bleib&#x017F;t das Kind<lb/>
der Welle!</p>
          </sp><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0048] Geſetz befiehlt? Nur eine beſtimmte Zeit iſt den Waſſergeiſtern geſtattet, fern zu bleiben. Undine. Kann ich dafür, daß ich unſer Reich verlaſſen? Kühleborn. Wohl weiß ich, daß es nicht Deine Schuld iſt. Allein dieß ändert die in den Elementen herrſchenden Geſetze nicht. Jch weiß, daß Deine unglückſel’ge Mutter, meines Bruders Weib, im Zwieſpalte mit ihrem Gatten Dich hier an das Land geſetzt hat. Du warſt damals ein dreijähriges Kind der Fluthen. Nun biſt du 16 Jahre alt. Bald iſt die Friſt ab- gelaufen; Du mußt zurückkehren zu uns. Undine. Jch will nicht. Jch entſage aller Zauberkraft der Nixen. Jch kann dieſen Erdenreizen nicht ent- ſagen. Jn der kalten Tiefe dort unten grünen keine Wälder, keine Blumen blühen und duften, kein Vogelſang erfreut die Sinne! Alles iſt ſtumm, kalt und ſtarr. Traurig glänzen im blauen Dämmer- licht die kriſtall’nen Räume. Kühleborn. Und dennoch, Du biſt und bleibſt das Kind der Welle!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein06_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein06_1877/48
Zitationshilfe: Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 6. München, 1877, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein06_1877/48>, abgerufen am 21.11.2024.