Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 6. München, 1877.
auch so geschehen sein. Alle unsere Nachfragen waren vergebens, alle Nachforschungen umsonst! -- Jhr mögt Euch vorstellen, in welch' jammervollen Zustand wir versetzt waren. Mariechen war ja unser einziges Kind, das einzige, beste Hab und Gut, das wir in unserer Armuth hatten! (weint.) Sieh da: einige Tage darauf saßen wir so recht herzenstraurig bei- sammen. Es war spät und der Mond schien, als ob er mit uns sein Mitleid hätte, freundlich durch die Scheiben herein. Da klopfte es leise am Fenster und ein feines Stimmchen rief: "Macht auf! Euer Kind ist da!" Jhr begreift, Herr Ritter, wie's uns da zu Muthe ward. Jch sprang auf, mein Weib wäre beinah aus Schreck vom Stuhle gefallen. -- Doch um's Euch nicht lange zu machen -- Als wir aus der Hütte traten, stund ein kleines Mädchen in Größe und Alter wie unsere verlorene Marie beiläufig, lieblich uns anlächelnd vor uns und sprach mit holder Stimme: "Da bin ich, nehmt mich statt Eures Kindes zu Euch." -- Welch ein Erstaunen! Wir frugen, wo sie herkomme, wer ihre Eltern seien und alles Mögliche, allein sie schwieg auf Alles und sagte nur: "O fragt mich nicht; aber ich will recht gut sein und Euch recht lieb haben! Jch heiße Undine." Undine? sagten wir Beide erstaunt. Da 2*
auch ſo geſchehen ſein. Alle unſere Nachfragen waren vergebens, alle Nachforſchungen umſonſt! — Jhr mögt Euch vorſtellen, in welch’ jammervollen Zuſtand wir verſetzt waren. Mariechen war ja unſer einziges Kind, das einzige, beſte Hab und Gut, das wir in unſerer Armuth hatten! (weint.) Sieh da: einige Tage darauf ſaßen wir ſo recht herzenstraurig bei- ſammen. Es war ſpät und der Mond ſchien, als ob er mit uns ſein Mitleid hätte, freundlich durch die Scheiben herein. Da klopfte es leiſe am Fenſter und ein feines Stimmchen rief: „Macht auf! Euer Kind iſt da!‟ Jhr begreift, Herr Ritter, wie’s uns da zu Muthe ward. Jch ſprang auf, mein Weib wäre beinah aus Schreck vom Stuhle gefallen. — Doch um’s Euch nicht lange zu machen — Als wir aus der Hütte traten, ſtund ein kleines Mädchen in Größe und Alter wie unſere verlorene Marie beiläufig, lieblich uns anlächelnd vor uns und ſprach mit holder Stimme: „Da bin ich, nehmt mich ſtatt Eures Kindes zu Euch.‟ — Welch ein Erſtaunen! Wir frugen, wo ſie herkomme, wer ihre Eltern ſeien und alles Mögliche, allein ſie ſchwieg auf Alles und ſagte nur: „O fragt mich nicht; aber ich will recht gut ſein und Euch recht lieb haben! Jch heiße Undine.‟ Undine? ſagten wir Beide erſtaunt. Da 2*
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auch ſo geſchehen ſein. Alle unſere Nachfragen waren
vergebens, alle Nachforſchungen umſonſt! — Jhr
mögt Euch vorſtellen, in welch’ jammervollen Zuſtand
wir verſetzt waren. Mariechen war ja unſer einziges
Kind, das einzige, beſte Hab und Gut, das wir in
unſerer Armuth hatten! (weint.) Sieh da: einige
Tage darauf ſaßen wir ſo recht herzenstraurig bei-
ſammen. Es war ſpät und der Mond ſchien, als
ob er mit uns ſein Mitleid hätte, freundlich durch
die Scheiben herein. Da klopfte es leiſe am Fenſter
und ein feines Stimmchen rief: „Macht auf! Euer
Kind iſt da!‟ Jhr begreift, Herr Ritter, wie’s uns
da zu Muthe ward. Jch ſprang auf, mein Weib
wäre beinah aus Schreck vom Stuhle gefallen. —
Doch um’s Euch nicht lange zu machen — Als
wir aus der Hütte traten, ſtund ein kleines Mädchen
in Größe und Alter wie unſere verlorene Marie
beiläufig, lieblich uns anlächelnd vor uns und ſprach
mit holder Stimme: „Da bin ich, nehmt mich ſtatt
Eures Kindes zu Euch.‟ — Welch ein Erſtaunen!
Wir frugen, wo ſie herkomme, wer ihre Eltern ſeien
und alles Mögliche, allein ſie ſchwieg auf Alles und
ſagte nur: „O fragt mich nicht; aber ich will recht
gut ſein und Euch recht lieb haben! Jch heiße
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