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Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

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noch höher, als an der Arie, weil der Wechsel der ppo_181.002
dargestellten Gefühle eine mannigfaltigere Schattirung ppo_181.003
und eine höhere Farbengebung für den Dichter ppo_181.004
und Tonkünstler möglich macht. -- Die sogenannte ppo_181.005
Cavatine ist eine Arie im verjüngten Maasstabe, ppo_181.006
die theils, in Hinsicht auf die dichterische Darstellung ppo_181.007
Eines Gefühls, gewöhnlich von kürzerm Umfange, ppo_181.008
theils in Hinsicht auf die Erfindung der Melodie ppo_181.009
und auf die ganze tonkünstlerische Durchführung, ppo_181.010
der Arie größtentheils ähnlich, nur aber ihrem ppo_181.011
Umfange nach beschränkter und kleiner ist, weil die ppo_181.012
Cavatine die in der Arie (wenigstens ehemals) übliche ppo_181.013
Abtheilung in zwei oder mehrere Haupttheile, ppo_181.014
und die derselben eigenthümliche Wiederkehr und weitere ppo_181.015
Ausmahlung des dichterischen und tonkünstlerischen ppo_181.016
Hauptgedankens von sich ausschließt. -- Das ppo_181.017
Arioso, das entweder in der Mitte, oder am ppo_181.018
Schlusse eines Recitativs eintritt, kann nicht einmal ppo_181.019
als eine Arie im verjüngten Maasstabe gelten, ppo_181.020
weil der Dichter nur dann diese Benennung wählt, ppo_181.021
wenn ein angeregtes Gefühl stark genug wird, die ppo_181.022
ruhige Betrachtung, die im Recitative vorherrscht, ppo_181.023
zu unterbrechen, und sich unter dem Ausdrucke einer ppo_181.024
höhern innern Bewegung anzukündigen (z. B. bei ppo_181.025
der Darstellung eines Wunsches, einer Bitte, oder ppo_181.026
des raschen Ueberganges von einem Gefühle zu einem ppo_181.027
andern), wo denn auch der Tonkünstler die declamatorische ppo_181.028
Behandlung des Recitativs mit der Aufnahme ppo_181.029
und Vergegenwärtigung einer Melodie und ppo_181.030
dem Eintritte eines bestimmt festzuhaltenden Zeitmaases ppo_181.031
vertauscht, wodurch unmittelbar angeregte Gefühle, ppo_181.032
aber nicht in der Fülle und in dem Umfange ppo_181.033
der für eine Arie gewählten Melodie, bezeichnet ppo_181.034
werden. -- Der Chor endlich hat die Bestimmung,

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noch höher, als an der Arie, weil der Wechsel der ppo_181.002
dargestellten Gefühle eine mannigfaltigere Schattirung ppo_181.003
und eine höhere Farbengebung für den Dichter ppo_181.004
und Tonkünstler möglich macht. — Die sogenannte ppo_181.005
Cavatine ist eine Arie im verjüngten Maasstabe, ppo_181.006
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Eines Gefühls, gewöhnlich von kürzerm Umfange, ppo_181.008
theils in Hinsicht auf die Erfindung der Melodie ppo_181.009
und auf die ganze tonkünstlerische Durchführung, ppo_181.010
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Umfange nach beschränkter und kleiner ist, weil die ppo_181.012
Cavatine die in der Arie (wenigstens ehemals) übliche ppo_181.013
Abtheilung in zwei oder mehrere Haupttheile, ppo_181.014
und die derselben eigenthümliche Wiederkehr und weitere ppo_181.015
Ausmahlung des dichterischen und tonkünstlerischen ppo_181.016
Hauptgedankens von sich ausschließt. — Das ppo_181.017
Arioso, das entweder in der Mitte, oder am ppo_181.018
Schlusse eines Recitativs eintritt, kann nicht einmal ppo_181.019
als eine Arie im verjüngten Maasstabe gelten, ppo_181.020
weil der Dichter nur dann diese Benennung wählt, ppo_181.021
wenn ein angeregtes Gefühl stark genug wird, die ppo_181.022
ruhige Betrachtung, die im Recitative vorherrscht, ppo_181.023
zu unterbrechen, und sich unter dem Ausdrucke einer ppo_181.024
höhern innern Bewegung anzukündigen (z. B. bei ppo_181.025
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andern), wo denn auch der Tonkünstler die declamatorische ppo_181.028
Behandlung des Recitativs mit der Aufnahme ppo_181.029
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vertauscht, wodurch unmittelbar angeregte Gefühle, ppo_181.032
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[181/0193] ppo_181.001 noch höher, als an der Arie, weil der Wechsel der ppo_181.002 dargestellten Gefühle eine mannigfaltigere Schattirung ppo_181.003 und eine höhere Farbengebung für den Dichter ppo_181.004 und Tonkünstler möglich macht. — Die sogenannte ppo_181.005 Cavatine ist eine Arie im verjüngten Maasstabe, ppo_181.006 die theils, in Hinsicht auf die dichterische Darstellung ppo_181.007 Eines Gefühls, gewöhnlich von kürzerm Umfange, ppo_181.008 theils in Hinsicht auf die Erfindung der Melodie ppo_181.009 und auf die ganze tonkünstlerische Durchführung, ppo_181.010 der Arie größtentheils ähnlich, nur aber ihrem ppo_181.011 Umfange nach beschränkter und kleiner ist, weil die ppo_181.012 Cavatine die in der Arie (wenigstens ehemals) übliche ppo_181.013 Abtheilung in zwei oder mehrere Haupttheile, ppo_181.014 und die derselben eigenthümliche Wiederkehr und weitere ppo_181.015 Ausmahlung des dichterischen und tonkünstlerischen ppo_181.016 Hauptgedankens von sich ausschließt. — Das ppo_181.017 Arioso, das entweder in der Mitte, oder am ppo_181.018 Schlusse eines Recitativs eintritt, kann nicht einmal ppo_181.019 als eine Arie im verjüngten Maasstabe gelten, ppo_181.020 weil der Dichter nur dann diese Benennung wählt, ppo_181.021 wenn ein angeregtes Gefühl stark genug wird, die ppo_181.022 ruhige Betrachtung, die im Recitative vorherrscht, ppo_181.023 zu unterbrechen, und sich unter dem Ausdrucke einer ppo_181.024 höhern innern Bewegung anzukündigen (z. B. bei ppo_181.025 der Darstellung eines Wunsches, einer Bitte, oder ppo_181.026 des raschen Ueberganges von einem Gefühle zu einem ppo_181.027 andern), wo denn auch der Tonkünstler die declamatorische ppo_181.028 Behandlung des Recitativs mit der Aufnahme ppo_181.029 und Vergegenwärtigung einer Melodie und ppo_181.030 dem Eintritte eines bestimmt festzuhaltenden Zeitmaases ppo_181.031 vertauscht, wodurch unmittelbar angeregte Gefühle, ppo_181.032 aber nicht in der Fülle und in dem Umfange ppo_181.033 der für eine Arie gewählten Melodie, bezeichnet ppo_181.034 werden. — Der Chor endlich hat die Bestimmung,

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Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/193>, abgerufen am 15.05.2024.