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Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

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Anschauung der ästhetisch vollendeten Form der Fabel ppo_346.002
stillschweigend voraussetzt, der Dichter schildere ppo_346.003
die Thiere nicht um ihrer selbst willen, sondern gebe ppo_346.004
eine menschliche Jndividualität unter der glücklich ppo_346.005
ergriffenen Aehnlichkeit derselben mit einem thierischen ppo_346.006
Wesen.

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Ob nun gleich im Kreise der Thierwelt keine ppo_346.008
Freiheit und Sittlichkeit angetroffen wird; so folgt ppo_346.009
daraus doch keinesweges, wie einige Theoretiker ppo_346.010
wollen, daß die Fabel blos Klugheitsregeln, nicht ppo_346.011
aber sittliche Ankündigungen -- Tugenden und Verirrungen ppo_346.012
der Freiheit -- versinnlichen könne. Denn ppo_346.013
nicht nur, daß der für die Fabel geeignete Kreis ppo_346.014
darstellbarer Stoffe durch diese Forderung sehr beengt ppo_346.015
werden müßte; es haben auch die ausgezeichnetsten ppo_346.016
Fabeldichter nicht blos Klugheitsregeln, sondern ppo_346.017
auf gleiche Weise sittliche Erscheinungen und ppo_346.018
sittliche Vorschriften vergegenwärtigt. Dies folgt ppo_346.019
von selbst aus der Bestimmung der Fabel, die Ankündigungen ppo_346.020
und Wirkungen der menschlichen Freiheit ppo_346.021
unter der Hülle des Jnstinkts zu versinnlichen, ppo_346.022
so, daß wenn auch den Thieren nicht Freiheit des ppo_346.023
Willens zukommt, doch in Angemessenheit zu den ppo_346.024
Antrieben des Jnstinkts nicht selten Wirkungen geschildert ppo_346.025
werden, welche die sittlich entarteten Wesen ppo_346.026
unsrer Gattung zu beschämen vermögen; z. B. in ppo_346.027
der Kindesliebe; in der Treue; in der Anhänglichkeit, ppo_346.028
in der Aufopferung für seinen Herrn u. s. w. ppo_346.029
Denn wenn das Thier, geleitet vom Jnstinkte, in ppo_346.030
seinen Aeußerungen naturgemäßer, unverdorbener ppo_346.031
und edler sich ankündigt, als der in sittlicher Hinsicht ppo_346.032
ausgeartete, von seinem Eigennutze und von ppo_346.033
seinen Leidenschaften fortgerissene Mensch; so muß ppo_346.034
durch die Versinnlichung dieses Kontrastes zwischen

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Anschauung der ästhetisch vollendeten Form der Fabel ppo_346.002
stillschweigend voraussetzt, der Dichter schildere ppo_346.003
die Thiere nicht um ihrer selbst willen, sondern gebe ppo_346.004
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Wesen.

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Ob nun gleich im Kreise der Thierwelt keine ppo_346.008
Freiheit und Sittlichkeit angetroffen wird; so folgt ppo_346.009
daraus doch keinesweges, wie einige Theoretiker ppo_346.010
wollen, daß die Fabel blos Klugheitsregeln, nicht ppo_346.011
aber sittliche Ankündigungen — Tugenden und Verirrungen ppo_346.012
der Freiheit — versinnlichen könne. Denn ppo_346.013
nicht nur, daß der für die Fabel geeignete Kreis ppo_346.014
darstellbarer Stoffe durch diese Forderung sehr beengt ppo_346.015
werden müßte; es haben auch die ausgezeichnetsten ppo_346.016
Fabeldichter nicht blos Klugheitsregeln, sondern ppo_346.017
auf gleiche Weise sittliche Erscheinungen und ppo_346.018
sittliche Vorschriften vergegenwärtigt. Dies folgt ppo_346.019
von selbst aus der Bestimmung der Fabel, die Ankündigungen ppo_346.020
und Wirkungen der menschlichen Freiheit ppo_346.021
unter der Hülle des Jnstinkts zu versinnlichen, ppo_346.022
so, daß wenn auch den Thieren nicht Freiheit des ppo_346.023
Willens zukommt, doch in Angemessenheit zu den ppo_346.024
Antrieben des Jnstinkts nicht selten Wirkungen geschildert ppo_346.025
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unsrer Gattung zu beschämen vermögen; z. B. in ppo_346.027
der Kindesliebe; in der Treue; in der Anhänglichkeit, ppo_346.028
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Denn wenn das Thier, geleitet vom Jnstinkte, in ppo_346.030
seinen Aeußerungen naturgemäßer, unverdorbener ppo_346.031
und edler sich ankündigt, als der in sittlicher Hinsicht ppo_346.032
ausgeartete, von seinem Eigennutze und von ppo_346.033
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Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/358>, abgerufen am 27.11.2024.