Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite

ppo_450.001
durch die ästhetische Versinnlichung dieses Antagonismus ppo_450.002
menschlicher Gefühle, Grundsätze und Handlungen ppo_450.003
das gemischte Gefühl der Lust und Unlust ppo_450.004
in dem Anschauenden angeregt und unterhalten wird; ppo_450.005
so soll sich doch dasselbe, in dem Augenblicke der ppo_450.006
Vollendung der Form, durch die an die Stelle ppo_450.007
dieses Antagonismus getretene Harmonie, in ein ppo_450.008
siegendes Gefühl der Lust auflösen.

ppo_450.009

Der Monolog, als eine selbstständige ästhetische ppo_450.010
Form, beruht auf der Versinnlichung und ppo_450.011
vollendeten Durchführung eines stark angeregten Gefühls, ppo_450.012
oder einer mächtig emporstrebenden Leidenschaft. ppo_450.013
Denn nur eine hohe Bewegung des Gefühls- ppo_450.014
oder des Bestrebungsvermögens kann den Zustand ppo_450.015
bewirken, daß der Mensch, der allein ist, durch lautes ppo_450.016
Sprechen sein inneres subjectives Leben gleichsam ppo_450.017
objectivisirt, weil er der Sprache bedarf, um ppo_450.018
dem Drange und Kampfe in seinem Jnnern Luft ppo_450.019
zu machen. -- Ob nun gleich auch jedes Gebet ppo_450.020
als ein in sich vollendeter Monolog betrachtet werden ppo_450.021
kann (und Reinhard, Zollikofer, Marezoll ppo_450.022
u. a. treffliche Gebete in diesem Sinne aufgestellt ppo_450.023
haben, die aber zunächst zur Sprache der ppo_450.024
Beredsamkeit gehören); so findet sich doch der Monolog ppo_450.025
am häufigsten in der dramatischen Dichtkunst, ppo_450.026
wo derselbe, sobald ihn die schöpferische Kraft ppo_450.027
des Dichters an den rechten Ort versetzt und zur ppo_450.028
ästhetischen Gediegenheit erhebt, von hoher psychologischer ppo_450.029
und dramatischer Wirkung ist. (Viele Jdyllen ppo_450.030
Geßners gehören in den Kreis der Monologe. ppo_450.031
Unter den neuern Tragikern sind die Monologe Schillers ppo_450.032
in den Räubern, im Fiesko, im Wallenstein, ppo_450.033
in der Jungfrau von Orleans, -- Göthe's, Müllners ppo_450.034
u. a. allgemein bekannt.)

ppo_450.001
durch die ästhetische Versinnlichung dieses Antagonismus ppo_450.002
menschlicher Gefühle, Grundsätze und Handlungen ppo_450.003
das gemischte Gefühl der Lust und Unlust ppo_450.004
in dem Anschauenden angeregt und unterhalten wird; ppo_450.005
so soll sich doch dasselbe, in dem Augenblicke der ppo_450.006
Vollendung der Form, durch die an die Stelle ppo_450.007
dieses Antagonismus getretene Harmonie, in ein ppo_450.008
siegendes Gefühl der Lust auflösen.

ppo_450.009

Der Monolog, als eine selbstständige ästhetische ppo_450.010
Form, beruht auf der Versinnlichung und ppo_450.011
vollendeten Durchführung eines stark angeregten Gefühls, ppo_450.012
oder einer mächtig emporstrebenden Leidenschaft. ppo_450.013
Denn nur eine hohe Bewegung des Gefühls- ppo_450.014
oder des Bestrebungsvermögens kann den Zustand ppo_450.015
bewirken, daß der Mensch, der allein ist, durch lautes ppo_450.016
Sprechen sein inneres subjectives Leben gleichsam ppo_450.017
objectivisirt, weil er der Sprache bedarf, um ppo_450.018
dem Drange und Kampfe in seinem Jnnern Luft ppo_450.019
zu machen. — Ob nun gleich auch jedes Gebet ppo_450.020
als ein in sich vollendeter Monolog betrachtet werden ppo_450.021
kann (und Reinhard, Zollikofer, Marezoll ppo_450.022
u. a. treffliche Gebete in diesem Sinne aufgestellt ppo_450.023
haben, die aber zunächst zur Sprache der ppo_450.024
Beredsamkeit gehören); so findet sich doch der Monolog ppo_450.025
am häufigsten in der dramatischen Dichtkunst, ppo_450.026
wo derselbe, sobald ihn die schöpferische Kraft ppo_450.027
des Dichters an den rechten Ort versetzt und zur ppo_450.028
ästhetischen Gediegenheit erhebt, von hoher psychologischer ppo_450.029
und dramatischer Wirkung ist. (Viele Jdyllen ppo_450.030
Geßners gehören in den Kreis der Monologe. ppo_450.031
Unter den neuern Tragikern sind die Monologe Schillers ppo_450.032
in den Räubern, im Fiesko, im Wallenstein, ppo_450.033
in der Jungfrau von Orleans, — Göthe's, Müllners ppo_450.034
u. a. allgemein bekannt.)

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0462" n="450"/><lb n="ppo_450.001"/>durch die ästhetische Versinnlichung dieses Antagonismus <lb n="ppo_450.002"/>menschlicher Gefühle, Grundsätze und Handlungen <lb n="ppo_450.003"/>das <hi rendition="#g">gemischte</hi> Gefühl der Lust und Unlust <lb n="ppo_450.004"/>in dem Anschauenden angeregt und unterhalten wird; <lb n="ppo_450.005"/>so soll sich doch dasselbe, in dem Augenblicke der <lb n="ppo_450.006"/>Vollendung der Form, durch die an die Stelle <lb n="ppo_450.007"/>dieses Antagonismus getretene Harmonie, in ein <lb n="ppo_450.008"/>siegendes Gefühl der Lust auflösen.</p>
          <lb n="ppo_450.009"/>
          <p>  Der <hi rendition="#g">Monolog,</hi> als eine selbstständige ästhetische <lb n="ppo_450.010"/>Form, beruht auf der Versinnlichung und <lb n="ppo_450.011"/>vollendeten Durchführung eines stark angeregten Gefühls, <lb n="ppo_450.012"/>oder einer mächtig emporstrebenden Leidenschaft. <lb n="ppo_450.013"/>Denn nur eine hohe Bewegung des Gefühls- <lb n="ppo_450.014"/>oder des Bestrebungsvermögens kann <hi rendition="#g">den</hi> Zustand <lb n="ppo_450.015"/>bewirken, daß der Mensch, der allein ist, durch lautes <lb n="ppo_450.016"/>Sprechen sein inneres subjectives Leben gleichsam <lb n="ppo_450.017"/>objectivisirt, weil er der Sprache bedarf, um <lb n="ppo_450.018"/>dem Drange und Kampfe in seinem Jnnern Luft <lb n="ppo_450.019"/>zu machen. &#x2014; Ob nun gleich auch jedes <hi rendition="#g">Gebet</hi> <lb n="ppo_450.020"/>als ein in sich vollendeter Monolog betrachtet werden <lb n="ppo_450.021"/>kann (und <hi rendition="#g">Reinhard, Zollikofer, Marezoll</hi> <lb n="ppo_450.022"/>u. a. treffliche Gebete in diesem Sinne aufgestellt <lb n="ppo_450.023"/>haben, die aber zunächst zur Sprache der <lb n="ppo_450.024"/>Beredsamkeit gehören); so findet sich doch der Monolog <lb n="ppo_450.025"/>am häufigsten in der <hi rendition="#g">dramatischen</hi> Dichtkunst, <lb n="ppo_450.026"/>wo derselbe, sobald ihn die schöpferische Kraft <lb n="ppo_450.027"/>des Dichters an den rechten Ort versetzt und zur <lb n="ppo_450.028"/>ästhetischen Gediegenheit erhebt, von hoher psychologischer <lb n="ppo_450.029"/>und dramatischer Wirkung ist. (Viele Jdyllen <lb n="ppo_450.030"/><hi rendition="#g">Geßners</hi> gehören in den Kreis der Monologe. <lb n="ppo_450.031"/>Unter den neuern Tragikern sind die Monologe <hi rendition="#g">Schillers</hi> <lb n="ppo_450.032"/>in den Räubern, im Fiesko, im Wallenstein, <lb n="ppo_450.033"/>in der Jungfrau von Orleans, &#x2014; <hi rendition="#g">Göthe's, Müllners</hi> <lb n="ppo_450.034"/>u. a. allgemein bekannt.)</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[450/0462] ppo_450.001 durch die ästhetische Versinnlichung dieses Antagonismus ppo_450.002 menschlicher Gefühle, Grundsätze und Handlungen ppo_450.003 das gemischte Gefühl der Lust und Unlust ppo_450.004 in dem Anschauenden angeregt und unterhalten wird; ppo_450.005 so soll sich doch dasselbe, in dem Augenblicke der ppo_450.006 Vollendung der Form, durch die an die Stelle ppo_450.007 dieses Antagonismus getretene Harmonie, in ein ppo_450.008 siegendes Gefühl der Lust auflösen. ppo_450.009 Der Monolog, als eine selbstständige ästhetische ppo_450.010 Form, beruht auf der Versinnlichung und ppo_450.011 vollendeten Durchführung eines stark angeregten Gefühls, ppo_450.012 oder einer mächtig emporstrebenden Leidenschaft. ppo_450.013 Denn nur eine hohe Bewegung des Gefühls- ppo_450.014 oder des Bestrebungsvermögens kann den Zustand ppo_450.015 bewirken, daß der Mensch, der allein ist, durch lautes ppo_450.016 Sprechen sein inneres subjectives Leben gleichsam ppo_450.017 objectivisirt, weil er der Sprache bedarf, um ppo_450.018 dem Drange und Kampfe in seinem Jnnern Luft ppo_450.019 zu machen. — Ob nun gleich auch jedes Gebet ppo_450.020 als ein in sich vollendeter Monolog betrachtet werden ppo_450.021 kann (und Reinhard, Zollikofer, Marezoll ppo_450.022 u. a. treffliche Gebete in diesem Sinne aufgestellt ppo_450.023 haben, die aber zunächst zur Sprache der ppo_450.024 Beredsamkeit gehören); so findet sich doch der Monolog ppo_450.025 am häufigsten in der dramatischen Dichtkunst, ppo_450.026 wo derselbe, sobald ihn die schöpferische Kraft ppo_450.027 des Dichters an den rechten Ort versetzt und zur ppo_450.028 ästhetischen Gediegenheit erhebt, von hoher psychologischer ppo_450.029 und dramatischer Wirkung ist. (Viele Jdyllen ppo_450.030 Geßners gehören in den Kreis der Monologe. ppo_450.031 Unter den neuern Tragikern sind die Monologe Schillers ppo_450.032 in den Räubern, im Fiesko, im Wallenstein, ppo_450.033 in der Jungfrau von Orleans, — Göthe's, Müllners ppo_450.034 u. a. allgemein bekannt.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/462
Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/462>, abgerufen am 26.06.2024.