Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite

ppo_472.001
gende Vergleichung beider Kunstformen
ppo_472.002
durch die Einbildungskraft vermittelt das hohe Jnteresse ppo_472.003
an der Parodie und Travestirung, sobald ppo_472.004
nämlich beide in ästhetischer Hinsicht als vollendete ppo_472.005
Formen sich ankündigen. --

ppo_472.006

Bei mancher äußern Verwandtschaft, sind Parodie ppo_472.007
und Travestirung doch, ihrem Wesen und Charakter ppo_472.008
nach, von einander verschieden. Jn der Parodie ppo_472.009
wird der Gegenstand des ernsthaften dichterischen ppo_472.010
Kunstwerkes verändert, aber der Mechanismus ppo_472.011
und der Ton der dichterischen Form beibehalten, so ppo_472.012
daß unter dieser nur wenig veränderten äußern Hülle ppo_472.013
und Einkleidung ein andrer Stoff dargestellt und ppo_472.014
zur Selbstständigkeit der Form erhoben wird. Ob ppo_472.015
nun gleich die Parodie auch für den, der den verglichenen ppo_472.016
Gegenstand nicht kennt, als ein für sich ppo_472.017
bestehendes dichterisches Kunstwerk ästhetischen Werth ppo_472.018
behaupten muß; so beruht doch das eigentliche Wohlgefallen ppo_472.019
an dem dichterischen Charakter der Parodie ppo_472.020
auf der stillschweigenden Vergleichung beider Kunstwerke, ppo_472.021
und auf der Gleichstellung beider in Hinsicht ppo_472.022
ihres ästhetischen Gehalts. Der von dem Dichter ppo_472.023
der Parodie gewählte Gegenstand kann aber ppo_472.024
entweder wieder ein ernsthafter, oder er kann ppo_472.025
ein komischer und ironisch gehaltener Stoff ppo_472.026
seyn, sobald er nur ein glücklich getroffenes und ppo_472.027
durchgeführtes Gegenbild von dem Gegenstande in ppo_472.028
dem frühern Kunstwerke enthält. Jm Gegensatze ppo_472.029
der Parodie behält die Travestirung den Gegenstand ppo_472.030
des ernsthaften Kunstwerks bei, verändert ppo_472.031
aber, durch die Verwandlung der ernsthaften Form ppo_472.032
in eine komische, dessen Darstellung und Durchführung ppo_472.033
so, daß, durch die ästhetische Vollendung dieser ppo_472.034
neuen komischen Form, der bis dahin blos ernsthaft

ppo_472.001
gende Vergleichung beider Kunstformen
ppo_472.002
durch die Einbildungskraft vermittelt das hohe Jnteresse ppo_472.003
an der Parodie und Travestirung, sobald ppo_472.004
nämlich beide in ästhetischer Hinsicht als vollendete ppo_472.005
Formen sich ankündigen. —

ppo_472.006

Bei mancher äußern Verwandtschaft, sind Parodie ppo_472.007
und Travestirung doch, ihrem Wesen und Charakter ppo_472.008
nach, von einander verschieden. Jn der Parodie ppo_472.009
wird der Gegenstand des ernsthaften dichterischen ppo_472.010
Kunstwerkes verändert, aber der Mechanismus ppo_472.011
und der Ton der dichterischen Form beibehalten, so ppo_472.012
daß unter dieser nur wenig veränderten äußern Hülle ppo_472.013
und Einkleidung ein andrer Stoff dargestellt und ppo_472.014
zur Selbstständigkeit der Form erhoben wird. Ob ppo_472.015
nun gleich die Parodie auch für den, der den verglichenen ppo_472.016
Gegenstand nicht kennt, als ein für sich ppo_472.017
bestehendes dichterisches Kunstwerk ästhetischen Werth ppo_472.018
behaupten muß; so beruht doch das eigentliche Wohlgefallen ppo_472.019
an dem dichterischen Charakter der Parodie ppo_472.020
auf der stillschweigenden Vergleichung beider Kunstwerke, ppo_472.021
und auf der Gleichstellung beider in Hinsicht ppo_472.022
ihres ästhetischen Gehalts. Der von dem Dichter ppo_472.023
der Parodie gewählte Gegenstand kann aber ppo_472.024
entweder wieder ein ernsthafter, oder er kann ppo_472.025
ein komischer und ironisch gehaltener Stoff ppo_472.026
seyn, sobald er nur ein glücklich getroffenes und ppo_472.027
durchgeführtes Gegenbild von dem Gegenstande in ppo_472.028
dem frühern Kunstwerke enthält. Jm Gegensatze ppo_472.029
der Parodie behält die Travestirung den Gegenstand ppo_472.030
des ernsthaften Kunstwerks bei, verändert ppo_472.031
aber, durch die Verwandlung der ernsthaften Form ppo_472.032
in eine komische, dessen Darstellung und Durchführung ppo_472.033
so, daß, durch die ästhetische Vollendung dieser ppo_472.034
neuen komischen Form, der bis dahin blos ernsthaft

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0484" n="472"/><lb n="ppo_472.001"/>gende Vergleichung beider Kunstformen</hi><lb n="ppo_472.002"/>durch die Einbildungskraft vermittelt das hohe Jnteresse <lb n="ppo_472.003"/>an der Parodie und Travestirung, sobald <lb n="ppo_472.004"/>nämlich beide in ästhetischer Hinsicht als <hi rendition="#g">vollendete</hi> <lb n="ppo_472.005"/>Formen sich ankündigen. &#x2014;</p>
          <lb n="ppo_472.006"/>
          <p>  Bei mancher äußern Verwandtschaft, sind Parodie <lb n="ppo_472.007"/>und Travestirung doch, ihrem Wesen und Charakter <lb n="ppo_472.008"/>nach, von einander verschieden. Jn der <hi rendition="#g">Parodie</hi> <lb n="ppo_472.009"/>wird der Gegenstand des ernsthaften dichterischen <lb n="ppo_472.010"/>Kunstwerkes verändert, aber der Mechanismus <lb n="ppo_472.011"/>und der Ton der dichterischen Form beibehalten, so <lb n="ppo_472.012"/>daß unter dieser nur wenig veränderten äußern Hülle <lb n="ppo_472.013"/>und Einkleidung ein andrer Stoff dargestellt und <lb n="ppo_472.014"/>zur Selbstständigkeit der Form erhoben wird. Ob <lb n="ppo_472.015"/>nun gleich die Parodie auch für den, der den verglichenen <lb n="ppo_472.016"/>Gegenstand nicht kennt, als ein für sich <lb n="ppo_472.017"/>bestehendes dichterisches Kunstwerk ästhetischen Werth <lb n="ppo_472.018"/>behaupten muß; so beruht doch das eigentliche Wohlgefallen <lb n="ppo_472.019"/>an dem dichterischen Charakter der Parodie <lb n="ppo_472.020"/>auf der stillschweigenden Vergleichung beider Kunstwerke, <lb n="ppo_472.021"/>und auf der Gleichstellung beider in Hinsicht <lb n="ppo_472.022"/>ihres ästhetischen Gehalts. Der von dem Dichter <lb n="ppo_472.023"/>der Parodie gewählte Gegenstand kann aber <lb n="ppo_472.024"/><hi rendition="#g">entweder</hi> wieder ein <hi rendition="#g">ernsthafter, oder</hi> er kann <lb n="ppo_472.025"/>ein <hi rendition="#g">komischer</hi> und <hi rendition="#g">ironisch</hi> gehaltener Stoff <lb n="ppo_472.026"/>seyn, sobald er nur ein glücklich getroffenes und <lb n="ppo_472.027"/>durchgeführtes Gegenbild von dem Gegenstande in <lb n="ppo_472.028"/>dem frühern Kunstwerke enthält. Jm Gegensatze <lb n="ppo_472.029"/>der Parodie behält die <hi rendition="#g">Travestirung</hi> den Gegenstand <lb n="ppo_472.030"/>des ernsthaften Kunstwerks bei, verändert <lb n="ppo_472.031"/>aber, durch die Verwandlung der ernsthaften Form <lb n="ppo_472.032"/>in eine komische, dessen Darstellung und Durchführung <lb n="ppo_472.033"/>so, daß, durch die ästhetische Vollendung dieser <lb n="ppo_472.034"/>neuen komischen Form, der bis dahin blos ernsthaft
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[472/0484] ppo_472.001 gende Vergleichung beider Kunstformen ppo_472.002 durch die Einbildungskraft vermittelt das hohe Jnteresse ppo_472.003 an der Parodie und Travestirung, sobald ppo_472.004 nämlich beide in ästhetischer Hinsicht als vollendete ppo_472.005 Formen sich ankündigen. — ppo_472.006 Bei mancher äußern Verwandtschaft, sind Parodie ppo_472.007 und Travestirung doch, ihrem Wesen und Charakter ppo_472.008 nach, von einander verschieden. Jn der Parodie ppo_472.009 wird der Gegenstand des ernsthaften dichterischen ppo_472.010 Kunstwerkes verändert, aber der Mechanismus ppo_472.011 und der Ton der dichterischen Form beibehalten, so ppo_472.012 daß unter dieser nur wenig veränderten äußern Hülle ppo_472.013 und Einkleidung ein andrer Stoff dargestellt und ppo_472.014 zur Selbstständigkeit der Form erhoben wird. Ob ppo_472.015 nun gleich die Parodie auch für den, der den verglichenen ppo_472.016 Gegenstand nicht kennt, als ein für sich ppo_472.017 bestehendes dichterisches Kunstwerk ästhetischen Werth ppo_472.018 behaupten muß; so beruht doch das eigentliche Wohlgefallen ppo_472.019 an dem dichterischen Charakter der Parodie ppo_472.020 auf der stillschweigenden Vergleichung beider Kunstwerke, ppo_472.021 und auf der Gleichstellung beider in Hinsicht ppo_472.022 ihres ästhetischen Gehalts. Der von dem Dichter ppo_472.023 der Parodie gewählte Gegenstand kann aber ppo_472.024 entweder wieder ein ernsthafter, oder er kann ppo_472.025 ein komischer und ironisch gehaltener Stoff ppo_472.026 seyn, sobald er nur ein glücklich getroffenes und ppo_472.027 durchgeführtes Gegenbild von dem Gegenstande in ppo_472.028 dem frühern Kunstwerke enthält. Jm Gegensatze ppo_472.029 der Parodie behält die Travestirung den Gegenstand ppo_472.030 des ernsthaften Kunstwerks bei, verändert ppo_472.031 aber, durch die Verwandlung der ernsthaften Form ppo_472.032 in eine komische, dessen Darstellung und Durchführung ppo_472.033 so, daß, durch die ästhetische Vollendung dieser ppo_472.034 neuen komischen Form, der bis dahin blos ernsthaft

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/484
Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/484>, abgerufen am 17.06.2024.