Poersch, Bruno: Woran krankt die deutsche Gewerkschaftsbewegung? Berlin, 1897.Nachtheile, welche der Gewerkschaftsbewegung durch die Konzen¬ Parvus kann sich in seiner bekannten Schrift über "Die Wenn diese Riesenbetriebe ungeheure Summen zur Er¬ Nachtheile, welche der Gewerkſchaftsbewegung durch die Konzen¬ Parvus kann ſich in ſeiner bekannten Schrift über „Die Wenn dieſe Rieſenbetriebe ungeheure Summen zur Er¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0016" n="8"/> Nachtheile, welche der Gewerkſchaftsbewegung durch die Konzen¬<lb/> tration zugefügt werden, auf der anderen Seite wieder auf¬<lb/> wiegen. — Je größer die Betriebe ſind, je leichter iſt im Allge¬<lb/> meinen die Agitation. Nicht tauſende verſchiedener Mängel ſind<lb/> hier aufzuweiſen, ſondern die gleichen, die Alle treffen; der auf¬<lb/> geklärte Arbeiter kann den Unaufgeklärten viel leichter für ſeine<lb/> Ideen gewinnen, da er fortwährend mit ihm zuſammen iſt. Er<lb/> kann ferner durch den moraliſchen Druck dieſen zwingen, mitzu¬<lb/> thun. Auch das Solidaritätsgefühl muß ſich in größeren Be¬<lb/> trieben ſchneller entwickeln, als in vielen Kleinbetrieben, da<lb/> tauſende klar und ſichtbar an demſelben Uebel kranken. Wir<lb/> ſehen daher ſchon an dieſem Umſtande, daß die Konzentration<lb/> des Kapitals gleichzeitig Momente erzeugt, die für den gewerk¬<lb/> ſchaftlichen Kampf günſtig wirken. — Ich halte es in dieſer<lb/> ganzen Frage mit <hi rendition="#g">Kautsky</hi>, der in der „Neuen Zeit“ ſchrieb:<lb/> „Je mehr die Konzentration des Kapitals fortſchreitet, deſto<lb/> größer wird, im Verhältniß zur Zahl die beſchäftigten Arbeiter,<lb/> die Maſſe des in einem induſtriellen Unternehmen angelegten<lb/> Kapitals (Baulichkeiten, Maſchinen, Rohmaterial u. ſ. w.). Jede<lb/> Einſtellung des Betriebes entwerthet dieſes Kapital und zwar<lb/> um ſo mehr, je länger die Arbeitseinſtellung dauert. In einem<lb/> Unternehmen, in dem relativ viel konſtantes Kapital angelegt<lb/> iſt, bedeutet jede Betriebsunterbrechung nicht nur einen Gewinn¬<lb/> verluſt, ſondern einen erheblichen, poſitiven Schaden für den<lb/> Kapitaliſten. Dazu kommt ein anderer Umſtand: Die Abgaben,<lb/> die der Unternehmer von ſeinem Mehrwerth abzugeben hat —<lb/> Steuern, Grundrenten, Zinſen für geborgtes Kapital u. ſ. w. —<lb/> müſſen von ihm bezahlt werden, mag ſein Betrieb im Gang<lb/> ſein und Mehrwerth ſchlucken oder nicht. Auch das drängt ihn,<lb/> von jeder Betriebseinſtellung möglichſt abzuſehen. Dieſe Ab¬<lb/> gaben haben aber im Allgemeinen die Tendenz zu wachſen und<lb/> daher das Vermehrungsbedürfniß des induſtriellen Kapitals zu<lb/> ſteigern. Alle dieſe Umſtände tragen weſentlich mit bei, den<lb/> Drang nach Ueberproduktion zu fördern; ſie wirken aber auch<lb/> dahin, jeden ungelegenen Streik immer verluſtvoller für den<lb/> Kapitaliſten und dieſen immer geneigter zu machen, einem Streik,<lb/> der ihn im Einſacken von Mehrwerth auch nur Wochen oder<lb/> Tage hindern könnte, durch Konzeſſionen vorzubeugen, oder ihn<lb/> dadurch möglichſt raſch zu beenden.“</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Parvus</hi> kann ſich in ſeiner bekannten Schrift über „Die<lb/> Gewerkſchaften und die Sozialdemokratie“ mit dieſen Ausfüh¬<lb/> rungen nicht ganz einverſtanden erklären. Er ſagt z. B.: „Man<lb/> ſehe doch, wie dieſe Ungethüme Millionen über Millionen aus¬<lb/> geben, ihre Waaren maſſenweiſe unter den Rohſtoffpreis ver¬<lb/> ſchleudern, wenn es gilt, einen Konkurrenten zu erdrücken. Und<lb/> da ſoll es ihnen vor einem Streik angſt und bange werden?“</p><lb/> <p>Wenn dieſe Rieſenbetriebe ungeheure Summen zur Er¬<lb/> drückung unliebſamer Konkurrenten ausgeben, ſo thun ſie es<lb/> doch nur aus dem Grunde und in der Gewißheit, daß ſie, ſo¬<lb/> bald der unliebſame Konkurrent todt iſt, mit Leichtigkeit dieſe<lb/> Summen <hi rendition="#g">wieder</hi> gewinnen und noch weitere ungeheure<lb/> Summen dazu. Dieſes iſt die Urſache, weshalb ſie ſo han¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [8/0016]
Nachtheile, welche der Gewerkſchaftsbewegung durch die Konzen¬
tration zugefügt werden, auf der anderen Seite wieder auf¬
wiegen. — Je größer die Betriebe ſind, je leichter iſt im Allge¬
meinen die Agitation. Nicht tauſende verſchiedener Mängel ſind
hier aufzuweiſen, ſondern die gleichen, die Alle treffen; der auf¬
geklärte Arbeiter kann den Unaufgeklärten viel leichter für ſeine
Ideen gewinnen, da er fortwährend mit ihm zuſammen iſt. Er
kann ferner durch den moraliſchen Druck dieſen zwingen, mitzu¬
thun. Auch das Solidaritätsgefühl muß ſich in größeren Be¬
trieben ſchneller entwickeln, als in vielen Kleinbetrieben, da
tauſende klar und ſichtbar an demſelben Uebel kranken. Wir
ſehen daher ſchon an dieſem Umſtande, daß die Konzentration
des Kapitals gleichzeitig Momente erzeugt, die für den gewerk¬
ſchaftlichen Kampf günſtig wirken. — Ich halte es in dieſer
ganzen Frage mit Kautsky, der in der „Neuen Zeit“ ſchrieb:
„Je mehr die Konzentration des Kapitals fortſchreitet, deſto
größer wird, im Verhältniß zur Zahl die beſchäftigten Arbeiter,
die Maſſe des in einem induſtriellen Unternehmen angelegten
Kapitals (Baulichkeiten, Maſchinen, Rohmaterial u. ſ. w.). Jede
Einſtellung des Betriebes entwerthet dieſes Kapital und zwar
um ſo mehr, je länger die Arbeitseinſtellung dauert. In einem
Unternehmen, in dem relativ viel konſtantes Kapital angelegt
iſt, bedeutet jede Betriebsunterbrechung nicht nur einen Gewinn¬
verluſt, ſondern einen erheblichen, poſitiven Schaden für den
Kapitaliſten. Dazu kommt ein anderer Umſtand: Die Abgaben,
die der Unternehmer von ſeinem Mehrwerth abzugeben hat —
Steuern, Grundrenten, Zinſen für geborgtes Kapital u. ſ. w. —
müſſen von ihm bezahlt werden, mag ſein Betrieb im Gang
ſein und Mehrwerth ſchlucken oder nicht. Auch das drängt ihn,
von jeder Betriebseinſtellung möglichſt abzuſehen. Dieſe Ab¬
gaben haben aber im Allgemeinen die Tendenz zu wachſen und
daher das Vermehrungsbedürfniß des induſtriellen Kapitals zu
ſteigern. Alle dieſe Umſtände tragen weſentlich mit bei, den
Drang nach Ueberproduktion zu fördern; ſie wirken aber auch
dahin, jeden ungelegenen Streik immer verluſtvoller für den
Kapitaliſten und dieſen immer geneigter zu machen, einem Streik,
der ihn im Einſacken von Mehrwerth auch nur Wochen oder
Tage hindern könnte, durch Konzeſſionen vorzubeugen, oder ihn
dadurch möglichſt raſch zu beenden.“
Parvus kann ſich in ſeiner bekannten Schrift über „Die
Gewerkſchaften und die Sozialdemokratie“ mit dieſen Ausfüh¬
rungen nicht ganz einverſtanden erklären. Er ſagt z. B.: „Man
ſehe doch, wie dieſe Ungethüme Millionen über Millionen aus¬
geben, ihre Waaren maſſenweiſe unter den Rohſtoffpreis ver¬
ſchleudern, wenn es gilt, einen Konkurrenten zu erdrücken. Und
da ſoll es ihnen vor einem Streik angſt und bange werden?“
Wenn dieſe Rieſenbetriebe ungeheure Summen zur Er¬
drückung unliebſamer Konkurrenten ausgeben, ſo thun ſie es
doch nur aus dem Grunde und in der Gewißheit, daß ſie, ſo¬
bald der unliebſame Konkurrent todt iſt, mit Leichtigkeit dieſe
Summen wieder gewinnen und noch weitere ungeheure
Summen dazu. Dieſes iſt die Urſache, weshalb ſie ſo han¬
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