Poersch, Bruno: Woran krankt die deutsche Gewerkschaftsbewegung? Berlin, 1897.deln. -- Ganz anders liegt es jedoch bei einem Streik. Da ist Aus allen diesen Gründen glaube ich daher, daß keines¬ deln. — Ganz anders liegt es jedoch bei einem Streik. Da iſt Aus allen dieſen Gründen glaube ich daher, daß keines¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0017" n="9"/> deln. — Ganz anders liegt es jedoch bei einem Streik. Da iſt<lb/> in der Regel die Summe, welche ſie eventuell den ſtreikenden<lb/> Arbeitern bewilligen im Verhältniß zu jenem Schaden, den ſie<lb/> durch einen Streik erleiden, eine ſo minimale, daß ſie das<lb/> kleinere Uebel wählen und nachgeben. Die Hamburger Rheder<lb/> z. B. hätten gewiß in zehn Jahren nicht je Mehrausgabe ge¬<lb/> habt, wenn ſie die Forderungen der Arbeiter bewilligt haben<lb/> würden, die ſie jetzt innerhalb weniger Wochen gehabt haben<lb/> und doch früher oder ſpäter die Forderungen bewilligen werden<lb/> müſſen. Sie ziehen aus dieſem Kampfe die Lehre, welche ſchon<lb/> ſo viele Kapitaliſten gezogen haben, daß es für ſie in geſchäft¬<lb/> licher Beziehung, im Intereſſe ihres Geldbeutels, beſſer iſt, die<lb/> minimalen Forderungen zu bewilligen, als es zu großen Diffe¬<lb/> renzen kommen zu laſſen. — Die Ausſichten, die der Kapitaliſt<lb/> bei der <hi rendition="#g">Todtmachung</hi> eines unliebſamen Konkurrenten hat,<lb/> ſind beim Streik in der Regel nicht vorhanden. — Dann<lb/> kommt noch der Umſtand hinzu, daß der Schaden, welchen der<lb/> Kapitaliſt durch Bewilligung von Forderungen erleidet, zum<lb/><hi rendition="#g">Theil</hi> durch die eintretende <hi rendition="#g">größere</hi> Leiſtungsfähigkeit des<lb/> Arbeiters wieder gedeckt wird. Der engliſche Kapitaliſt, der<lb/> ſeine Arbeiter 8 und 9 Stunden arbeiten läßt und ihnen einen<lb/> angemeſſenen Lohn zahlt, fährt vom geſchäftlichen Standpunkte<lb/> aus ſchlauer, als der ruſſiſche, der 16 Stunden arbeiten läßt<lb/> und Hungerlöhne zahlt. Dieſe Ueberzeugung drängt ſich auch<lb/> den Kapitaliſten auf, ſobald die Arbeiterbewegung <hi rendition="#g">erſtarkt</hi> iſt<lb/> und ſich durch keine Macht der Erde mehr hemmen läßt. —<lb/> Dann ſagt <hi rendition="#g">Parvus</hi> weiter: „Dieſe Rieſenbetriebe trotzen ja<lb/> ſogar der Kriſe, die viel verheerender wirkt, als ein Streik.“<lb/> Der Kriſe <hi rendition="#g">müſſen</hi> ſie <hi rendition="#g">gezwungen</hi> trotzen, weil dieſe eine<lb/> eherne Macht iſt, die ſich im Rahmen der kapitaliſtiſchen Ge¬<lb/> ſellſchaft nicht beſeitigen läßt; dem Streik aber können ſie aus¬<lb/> weichen. — Dann kommt noch ein weiterer Umſtand zu Gunſten<lb/> der Gewerkſchaftsbewegung hinzu, den <hi rendition="#g">Parvus</hi> ſehr richtig<lb/> betont, es iſt die fortſchreitende Theilarbeit. Sie verſchlechtert<lb/> nicht die Chancen des gewerkſchaftlichen Kampfes, wie oft an¬<lb/> genommen wird; ſie bedingt eine Menge von Kunſtgriffen,<lb/> welche ſich im Laufe der Jahrzehnte hin ausgebildet haben,<lb/> die aber oft den Arbeitern in demſelben Arbeitsraum unter¬<lb/> einander unbekannt ſind und eine große Leiſtungsfähigkeit.<lb/> Solche ſtreikende <choice><sic>Arbeiterarmeeen</sic><corr>Arbeiterarmeen</corr></choice>, wo dann der einzelne Ar¬<lb/> beiter nur ein Rädchen in dem ungeheuren Betriebe iſt, ſind<lb/> ſchwer zu erſetzen. Daher auch die Erſcheinung, daß nach ver¬<lb/> loren gegangenen Streiks durchweg die Streikbrecher wieder<lb/> hinausfliegen, da ſie beim beſten Willen die Streikenden nicht<lb/> erſetzen konnten.</p><lb/> <p>Aus allen dieſen Gründen glaube ich daher, daß keines¬<lb/> wegs durch die Konzentration des Kapitals die Chancen des<lb/> gewerkſchaftlichen Kampfes ſich verſchlechtern müſſen. — An¬<lb/> dererſeits iſt aber auch der Streit nicht die einzige Waffe des<lb/> gewerkſchaftlichen Kampfes, ſondern es giebt noch andere Waffen,<lb/> auf die ich ſpäter zu ſprechen kommen werde. — Dann zu den<lb/> Kartellen. — Da Kartelle größere Betriebe ſind, ſo gilt auch<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [9/0017]
deln. — Ganz anders liegt es jedoch bei einem Streik. Da iſt
in der Regel die Summe, welche ſie eventuell den ſtreikenden
Arbeitern bewilligen im Verhältniß zu jenem Schaden, den ſie
durch einen Streik erleiden, eine ſo minimale, daß ſie das
kleinere Uebel wählen und nachgeben. Die Hamburger Rheder
z. B. hätten gewiß in zehn Jahren nicht je Mehrausgabe ge¬
habt, wenn ſie die Forderungen der Arbeiter bewilligt haben
würden, die ſie jetzt innerhalb weniger Wochen gehabt haben
und doch früher oder ſpäter die Forderungen bewilligen werden
müſſen. Sie ziehen aus dieſem Kampfe die Lehre, welche ſchon
ſo viele Kapitaliſten gezogen haben, daß es für ſie in geſchäft¬
licher Beziehung, im Intereſſe ihres Geldbeutels, beſſer iſt, die
minimalen Forderungen zu bewilligen, als es zu großen Diffe¬
renzen kommen zu laſſen. — Die Ausſichten, die der Kapitaliſt
bei der Todtmachung eines unliebſamen Konkurrenten hat,
ſind beim Streik in der Regel nicht vorhanden. — Dann
kommt noch der Umſtand hinzu, daß der Schaden, welchen der
Kapitaliſt durch Bewilligung von Forderungen erleidet, zum
Theil durch die eintretende größere Leiſtungsfähigkeit des
Arbeiters wieder gedeckt wird. Der engliſche Kapitaliſt, der
ſeine Arbeiter 8 und 9 Stunden arbeiten läßt und ihnen einen
angemeſſenen Lohn zahlt, fährt vom geſchäftlichen Standpunkte
aus ſchlauer, als der ruſſiſche, der 16 Stunden arbeiten läßt
und Hungerlöhne zahlt. Dieſe Ueberzeugung drängt ſich auch
den Kapitaliſten auf, ſobald die Arbeiterbewegung erſtarkt iſt
und ſich durch keine Macht der Erde mehr hemmen läßt. —
Dann ſagt Parvus weiter: „Dieſe Rieſenbetriebe trotzen ja
ſogar der Kriſe, die viel verheerender wirkt, als ein Streik.“
Der Kriſe müſſen ſie gezwungen trotzen, weil dieſe eine
eherne Macht iſt, die ſich im Rahmen der kapitaliſtiſchen Ge¬
ſellſchaft nicht beſeitigen läßt; dem Streik aber können ſie aus¬
weichen. — Dann kommt noch ein weiterer Umſtand zu Gunſten
der Gewerkſchaftsbewegung hinzu, den Parvus ſehr richtig
betont, es iſt die fortſchreitende Theilarbeit. Sie verſchlechtert
nicht die Chancen des gewerkſchaftlichen Kampfes, wie oft an¬
genommen wird; ſie bedingt eine Menge von Kunſtgriffen,
welche ſich im Laufe der Jahrzehnte hin ausgebildet haben,
die aber oft den Arbeitern in demſelben Arbeitsraum unter¬
einander unbekannt ſind und eine große Leiſtungsfähigkeit.
Solche ſtreikende Arbeiterarmeen, wo dann der einzelne Ar¬
beiter nur ein Rädchen in dem ungeheuren Betriebe iſt, ſind
ſchwer zu erſetzen. Daher auch die Erſcheinung, daß nach ver¬
loren gegangenen Streiks durchweg die Streikbrecher wieder
hinausfliegen, da ſie beim beſten Willen die Streikenden nicht
erſetzen konnten.
Aus allen dieſen Gründen glaube ich daher, daß keines¬
wegs durch die Konzentration des Kapitals die Chancen des
gewerkſchaftlichen Kampfes ſich verſchlechtern müſſen. — An¬
dererſeits iſt aber auch der Streit nicht die einzige Waffe des
gewerkſchaftlichen Kampfes, ſondern es giebt noch andere Waffen,
auf die ich ſpäter zu ſprechen kommen werde. — Dann zu den
Kartellen. — Da Kartelle größere Betriebe ſind, ſo gilt auch
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