Poersch, Bruno: Woran krankt die deutsche Gewerkschaftsbewegung? Berlin, 1897.welche für die Einführung der Arbeitslosen-Unterstützung ein¬ 1. Der Mitgliederbestand der Organisationen wird bedeutend wachsen. 2. Der Mitgliederbestand wird erheblich an Sta¬ bilität zunehmen. 3. Die Kassenbestände werden sich vergrößern. Schon diese Umstände müssen, wenn sie zutreffend sind, 4. Die Organisationen können die erzielten Er¬ rungenschaften auch auf die Dauer festhalten und sind im Stande, auch ohne Streiks, in¬ direkt einen Einfluß auf den Arbeitsmarkt, resp. auf die Lohn- und Arbeitsbedingungen auszuüben. Die jetzt folgenden Ausführungen sollen die aufgestellten Nach einer im Jahre 1894 vom "Correspondent" veröffent¬ welche für die Einführung der Arbeitsloſen-Unterſtützung ein¬ 1. Der Mitgliederbeſtand der Organiſationen wird bedeutend wachſen. 2. Der Mitgliederbeſtand wird erheblich an Sta¬ bilität zunehmen. 3. Die Kaſſenbeſtände werden ſich vergrößern. Schon dieſe Umſtände müſſen, wenn ſie zutreffend ſind, 4. Die Organiſationen können die erzielten Er¬ rungenſchaften auch auf die Dauer feſthalten und ſind im Stande, auch ohne Streiks, in¬ direkt einen Einfluß auf den Arbeitsmarkt, reſp. auf die Lohn- und Arbeitsbedingungen auszuüben. Die jetzt folgenden Ausführungen ſollen die aufgeſtellten Nach einer im Jahre 1894 vom „Correſpondent“ veröffent¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0023" n="15"/> welche für die Einführung der Arbeitsloſen-Unterſtützung ein¬<lb/> treten, thun dann auch dieſes nicht aus Gründen der Humanität,<lb/> alſo aus Prinzip, ſondern lediglich aus Gründen der Taktik,<lb/> der Kriegsführung, um dasjenige zu erreichen, was bisher<lb/> nicht möglich geweſen iſt. — So auch ich. — Ich glaube,<lb/> daß die Einführung der Arbeitsloſen-Unterſtützung in die Ge¬<lb/> werkſchaftsorganiſationen vor allem folgende Umſtände be¬<lb/> dingen muß:</p><lb/> <list> <item>1. <hi rendition="#g">Der Mitgliederbeſtand der Organiſationen wird<lb/> bedeutend wachſen.</hi></item><lb/> <item>2. <hi rendition="#g">Der Mitgliederbeſtand wird erheblich an Sta¬<lb/> bilität zunehmen.</hi></item><lb/> <item>3. <hi rendition="#g">Die Kaſſenbeſtände werden ſich vergrößern.</hi></item> </list><lb/> <p>Schon dieſe Umſtände müſſen, wenn ſie zutreffend ſind,<lb/> eine bedeutende Verbeſſerung der Chancen der gewerkſchaftlichen<lb/> Kämpfe zur Folge haben.</p><lb/> <list> <item>4. <hi rendition="#g">Die Organiſationen können die erzielten Er¬<lb/> rungenſchaften auch auf die Dauer feſthalten<lb/> und ſind im Stande, auch ohne Streiks, in¬<lb/> direkt einen Einfluß auf den Arbeitsmarkt,<lb/> reſp. auf die Lohn- und Arbeitsbedingungen<lb/> auszuüben</hi>.</item> </list><lb/> <p>Die jetzt folgenden Ausführungen ſollen die aufgeſtellten<lb/> Theſen beweiſen.</p><lb/> <p>Nach einer im Jahre 1894 vom „Correſpondent“ veröffent¬<lb/> lichten Statiſtik — neue Zahlen ſtehen mir nicht zur Verfügung,<lb/> doch hat dieſes wenig zu ſagen, da gegenwärtig die Verhältniſſe<lb/> genau ſo oder doch ähnlich liegen — waren in folgenden Bran¬<lb/> chen, deren gewerkſchaftliche Vereinigungen <hi rendition="#g">die Arbeitsloſen-<lb/> Unterſtützung eingeführt</hi> hatten, folgender Prozentſatz der<lb/> Berufsgenoſſen organiſirt: Buchdrucker 50 pCt., Handſchuh¬<lb/> macher 74 pCt., Bildhauer 56 pCt., Kupferſchmiede 35 pCt.,<lb/> Porzellanarbeiter 25 pCt. und Zigarrenſortirer 24 pCt. In den<lb/> Berufen, deren Organiſationen keine Arbeitsloſen-Unterſtützung<lb/> zahlten, ſtellt ſich dagegen das Verhältniß wie folgt: Tabak¬<lb/> arbeiter 11 pCt., Maurer 3 pCt., Metallarbeiter 8 pCt., Holz¬<lb/> arbeiter 2 pCt., Zimmerer 5 pCt. u. ſ. w. Wenn man dieſe<lb/> Zahlen näher betrachtet, muß ſich doch jedem die Ueberzeugung<lb/> aufdrängen, daß die Arbeitsloſen-Unterſtützung eine gewaltige<lb/> Rolle bei der Stärke der Organiſation mitſpielt, — Jene An¬<lb/> nahme, daß die Buchdrucker nur deshalb ſtärker organiſirt<lb/> wären, weil ihr Beruf eine beſſere Bildung erfordere, als die<lb/> der anderen Branchen, iſt irrthümlich. Die beſſere Bildung<lb/> kann nur eine ganz untergeordnete Rolle mitſpielen, ſonſt<lb/> könnten die Handſchuhmacher, Kupferſchmiede ꝛc. nicht ſtärker<lb/> organiſirt ſein als die Metallarbeiter, da dieſe Berufe in betreff<lb/> der erforderlichen Bildung auf ein und derſelben Stufe ſtehen.<lb/> — Man frage ferner nur die Leiter jener Organiſationen, welche<lb/> Arbeitsloſen-Unterſtützung gewähren, weshalb ſie beſſer organi¬<lb/> ſirt ſind, ſo wird man ſtets die Antwort erhalten, daß es das<lb/> Unterſtützungsweſen und vor allem die Arbeitsloſen-Unterſtützung<lb/> ſei, durch die man die meiſten Mitglieder gewonnen hat.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [15/0023]
welche für die Einführung der Arbeitsloſen-Unterſtützung ein¬
treten, thun dann auch dieſes nicht aus Gründen der Humanität,
alſo aus Prinzip, ſondern lediglich aus Gründen der Taktik,
der Kriegsführung, um dasjenige zu erreichen, was bisher
nicht möglich geweſen iſt. — So auch ich. — Ich glaube,
daß die Einführung der Arbeitsloſen-Unterſtützung in die Ge¬
werkſchaftsorganiſationen vor allem folgende Umſtände be¬
dingen muß:
1. Der Mitgliederbeſtand der Organiſationen wird
bedeutend wachſen.
2. Der Mitgliederbeſtand wird erheblich an Sta¬
bilität zunehmen.
3. Die Kaſſenbeſtände werden ſich vergrößern.
Schon dieſe Umſtände müſſen, wenn ſie zutreffend ſind,
eine bedeutende Verbeſſerung der Chancen der gewerkſchaftlichen
Kämpfe zur Folge haben.
4. Die Organiſationen können die erzielten Er¬
rungenſchaften auch auf die Dauer feſthalten
und ſind im Stande, auch ohne Streiks, in¬
direkt einen Einfluß auf den Arbeitsmarkt,
reſp. auf die Lohn- und Arbeitsbedingungen
auszuüben.
Die jetzt folgenden Ausführungen ſollen die aufgeſtellten
Theſen beweiſen.
Nach einer im Jahre 1894 vom „Correſpondent“ veröffent¬
lichten Statiſtik — neue Zahlen ſtehen mir nicht zur Verfügung,
doch hat dieſes wenig zu ſagen, da gegenwärtig die Verhältniſſe
genau ſo oder doch ähnlich liegen — waren in folgenden Bran¬
chen, deren gewerkſchaftliche Vereinigungen die Arbeitsloſen-
Unterſtützung eingeführt hatten, folgender Prozentſatz der
Berufsgenoſſen organiſirt: Buchdrucker 50 pCt., Handſchuh¬
macher 74 pCt., Bildhauer 56 pCt., Kupferſchmiede 35 pCt.,
Porzellanarbeiter 25 pCt. und Zigarrenſortirer 24 pCt. In den
Berufen, deren Organiſationen keine Arbeitsloſen-Unterſtützung
zahlten, ſtellt ſich dagegen das Verhältniß wie folgt: Tabak¬
arbeiter 11 pCt., Maurer 3 pCt., Metallarbeiter 8 pCt., Holz¬
arbeiter 2 pCt., Zimmerer 5 pCt. u. ſ. w. Wenn man dieſe
Zahlen näher betrachtet, muß ſich doch jedem die Ueberzeugung
aufdrängen, daß die Arbeitsloſen-Unterſtützung eine gewaltige
Rolle bei der Stärke der Organiſation mitſpielt, — Jene An¬
nahme, daß die Buchdrucker nur deshalb ſtärker organiſirt
wären, weil ihr Beruf eine beſſere Bildung erfordere, als die
der anderen Branchen, iſt irrthümlich. Die beſſere Bildung
kann nur eine ganz untergeordnete Rolle mitſpielen, ſonſt
könnten die Handſchuhmacher, Kupferſchmiede ꝛc. nicht ſtärker
organiſirt ſein als die Metallarbeiter, da dieſe Berufe in betreff
der erforderlichen Bildung auf ein und derſelben Stufe ſtehen.
— Man frage ferner nur die Leiter jener Organiſationen, welche
Arbeitsloſen-Unterſtützung gewähren, weshalb ſie beſſer organi¬
ſirt ſind, ſo wird man ſtets die Antwort erhalten, daß es das
Unterſtützungsweſen und vor allem die Arbeitsloſen-Unterſtützung
ſei, durch die man die meiſten Mitglieder gewonnen hat.
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