Poersch, Bruno: Woran krankt die deutsche Gewerkschaftsbewegung? Berlin, 1897.Die Menschen sind nun einmal Egoisten und auch die Ar¬ Von den 202 Trade-Unions, welche Arbeitslosen-Unter¬ 40 mit 175 544 Mitgliedern den Eisenbahnarbeitern und 23 mit 97 703 Mitgliedern dem Baugewerbe, 28 mit 25 185 Mitgliedern der Möbelindustrie und ver¬ 10 mit 87 585 Mitgliedern der Montanindustrie an. Nur zwei größere englische Gewerkschafts-Verbände -- ab¬ Die Menſchen ſind nun einmal Egoiſten und auch die Ar¬ Von den 202 Trade-Unions, welche Arbeitsloſen-Unter¬ 40 mit 175 544 Mitgliedern den Eiſenbahnarbeitern und 23 mit 97 703 Mitgliedern dem Baugewerbe, 28 mit 25 185 Mitgliedern der Möbelinduſtrie und ver¬ 10 mit 87 585 Mitgliedern der Montaninduſtrie an. Nur zwei größere engliſche Gewerkſchafts-Verbände — ab¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0024" n="16"/> <p>Die Menſchen ſind nun einmal Egoiſten und auch die Ar¬<lb/> beiter machen davon keine Ausnahme; für jeden Groſchen, den<lb/> ſie zu irgend einer Sache geben, wollen ſie gleich greifbare ma¬<lb/> terielle Vortheile ſehen. Man agitire nur in Werkſtätten, Fa¬<lb/> briken und Verſammlungen unter Indifferente für die Organi¬<lb/> ſation und in der Regel iſt ſtets die erſte Frage, die man hört:<lb/> „Was bietet mir die Organiſation?“ Was bekomme ich denn,<lb/> wenn ich derſelben beitrete?“ Jeder geſchickte Gewerkſchaftler<lb/> wird mit dieſer Thatſache rechnen müſſen und daher die Orga¬<lb/> niſation ſo einzurichten haben, daß ſie den Wünſchen der<lb/> Maſſe entſpricht. An den höheren Beitrag ſtoßen ſich die<lb/> meiſten Arbeiter nicht, wie alle bisherigen Erfahrungen lehren.<lb/> — In Berlin haben in letzterer Zeit einige Verwaltungsſtellen<lb/> zentraler Organiſationen die Arbeitsloſen-Unterſtützung nur<lb/> für ihre Verwaltungsſtelle eingeführt und trotzdem eine lokale<lb/> Arbeitsloſen-Unterſtützung nie die Bedeutung haben kann, wie<lb/> die zentrale, trotzdem ſind dieſe Organiſationen ſofort gewachſen;<lb/> und jene Mitglieder, welche früher zu den <choice><sic>enragirteſten</sic><corr>engagirteſten</corr></choice> Gegnern<lb/> der Arbeitsloſen-Unterſtützung gehörten, ſind durch die That¬<lb/> ſachen belehrt, zu eifrigen Befürwortern derſelben geworden.<lb/> Diejenigen, welche annehmen, die Maſſe auch ohne derartige<lb/> Zugmittel gewinnen zu können, befinden ſich im gewaltigen<lb/> Irrthum; <hi rendition="#g">alle bisherige Erfahrungen ſchlagen dieſer<lb/> Annahme geradezu in's Geſicht</hi>. <hi rendition="#b #fr">Tauſende von Agi¬<lb/> tatoren können noch Jahre und Jahre mit Engels¬<lb/> zungen reden und immer werden wir auf dem alten<lb/> Standpunkte ſtehen bleiben</hi>. — Auch die engliſche Gewerk¬<lb/> ſchaftsbewegung beweiſt dieſes. Schon im vorigen Abſchnitt<lb/> habe ich angeführt, daß dieſelbe erſt dann ihre jetzige Höhe er¬<lb/> reicht hat, als ſie das Unterſtützungsweſen einführte und aus¬<lb/> baute. — Daß die meiſten engliſchen Gewerkſchaftsorganiſationen<lb/> und namentlich die der größeren Induſtriezweige Arbeitsloſen-<lb/> Unterſtützung zahlen, dafür folgende Beweiſe:</p><lb/> <p>Von den 202 Trade-Unions, welche Arbeitsloſen-Unter¬<lb/> ſtützung z. B. im Jahre 1894 zahlten, gehörten</p><lb/> <p>40 mit 175 544 Mitgliedern den Eiſenbahnarbeitern und<lb/> Schiffbauern an.</p><lb/> <p>23 mit 97 703 Mitgliedern dem Baugewerbe,<lb/> 41 mit 94 881 Mitgliedern der Textilinduſtrie,<lb/> 13 mit 65 998 Mitgliedern der Bekleidungsinduſtrie,<lb/> 19 mit 34 715 Mitgliedern dem Buchdruck- und Buch¬<lb/> bindergewerbe,</p><lb/> <p>28 mit 25 185 Mitgliedern der Möbelinduſtrie und ver¬<lb/> wandten Gewerben (wie Wagenbauer, Faßbinder, Kork-, Glas-,<lb/> Leder- und Hafenarbeiter),</p><lb/> <p>10 mit 87 585 Mitgliedern der Montaninduſtrie an.</p><lb/> <p>Nur zwei größere engliſche Gewerkſchafts-Verbände — ab¬<lb/> geſehen von dem der ungelernten Arbeiter — zahlen keine<lb/> Arbeitsloſen-Unterſtützung und zwar die der Baumwoll- und<lb/> Bergarbeiter von Lankaſhire und Yorkſhire. Wenn dieſe beiden<lb/> Verbände trotzdem ſtark und von Bedeutung ſind, ſo kommt<lb/> dieſes nur daher, daß ganz beſondere Umſtände in dieſen In¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [16/0024]
Die Menſchen ſind nun einmal Egoiſten und auch die Ar¬
beiter machen davon keine Ausnahme; für jeden Groſchen, den
ſie zu irgend einer Sache geben, wollen ſie gleich greifbare ma¬
terielle Vortheile ſehen. Man agitire nur in Werkſtätten, Fa¬
briken und Verſammlungen unter Indifferente für die Organi¬
ſation und in der Regel iſt ſtets die erſte Frage, die man hört:
„Was bietet mir die Organiſation?“ Was bekomme ich denn,
wenn ich derſelben beitrete?“ Jeder geſchickte Gewerkſchaftler
wird mit dieſer Thatſache rechnen müſſen und daher die Orga¬
niſation ſo einzurichten haben, daß ſie den Wünſchen der
Maſſe entſpricht. An den höheren Beitrag ſtoßen ſich die
meiſten Arbeiter nicht, wie alle bisherigen Erfahrungen lehren.
— In Berlin haben in letzterer Zeit einige Verwaltungsſtellen
zentraler Organiſationen die Arbeitsloſen-Unterſtützung nur
für ihre Verwaltungsſtelle eingeführt und trotzdem eine lokale
Arbeitsloſen-Unterſtützung nie die Bedeutung haben kann, wie
die zentrale, trotzdem ſind dieſe Organiſationen ſofort gewachſen;
und jene Mitglieder, welche früher zu den engagirteſten Gegnern
der Arbeitsloſen-Unterſtützung gehörten, ſind durch die That¬
ſachen belehrt, zu eifrigen Befürwortern derſelben geworden.
Diejenigen, welche annehmen, die Maſſe auch ohne derartige
Zugmittel gewinnen zu können, befinden ſich im gewaltigen
Irrthum; alle bisherige Erfahrungen ſchlagen dieſer
Annahme geradezu in's Geſicht. Tauſende von Agi¬
tatoren können noch Jahre und Jahre mit Engels¬
zungen reden und immer werden wir auf dem alten
Standpunkte ſtehen bleiben. — Auch die engliſche Gewerk¬
ſchaftsbewegung beweiſt dieſes. Schon im vorigen Abſchnitt
habe ich angeführt, daß dieſelbe erſt dann ihre jetzige Höhe er¬
reicht hat, als ſie das Unterſtützungsweſen einführte und aus¬
baute. — Daß die meiſten engliſchen Gewerkſchaftsorganiſationen
und namentlich die der größeren Induſtriezweige Arbeitsloſen-
Unterſtützung zahlen, dafür folgende Beweiſe:
Von den 202 Trade-Unions, welche Arbeitsloſen-Unter¬
ſtützung z. B. im Jahre 1894 zahlten, gehörten
40 mit 175 544 Mitgliedern den Eiſenbahnarbeitern und
Schiffbauern an.
23 mit 97 703 Mitgliedern dem Baugewerbe,
41 mit 94 881 Mitgliedern der Textilinduſtrie,
13 mit 65 998 Mitgliedern der Bekleidungsinduſtrie,
19 mit 34 715 Mitgliedern dem Buchdruck- und Buch¬
bindergewerbe,
28 mit 25 185 Mitgliedern der Möbelinduſtrie und ver¬
wandten Gewerben (wie Wagenbauer, Faßbinder, Kork-, Glas-,
Leder- und Hafenarbeiter),
10 mit 87 585 Mitgliedern der Montaninduſtrie an.
Nur zwei größere engliſche Gewerkſchafts-Verbände — ab¬
geſehen von dem der ungelernten Arbeiter — zahlen keine
Arbeitsloſen-Unterſtützung und zwar die der Baumwoll- und
Bergarbeiter von Lankaſhire und Yorkſhire. Wenn dieſe beiden
Verbände trotzdem ſtark und von Bedeutung ſind, ſo kommt
dieſes nur daher, daß ganz beſondere Umſtände in dieſen In¬
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