Poersch, Bruno: Woran krankt die deutsche Gewerkschaftsbewegung? Berlin, 1897.-- Ferner: Viele tausende von deutschen Arbeitern gehören "Die Organisationen seien dann aber keine Kampfesorgani¬ — Ferner: Viele tauſende von deutſchen Arbeitern gehören „Die Organiſationen ſeien dann aber keine Kampfesorgani¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0032" n="24"/> — Ferner: Viele tauſende von deutſchen Arbeitern gehören<lb/> heute allen möglichen Klimbim-Vereinen an, die vielfach höhere<lb/> Beiträge erheben, als die heutigen Gewerkſchaftsorganiſationen.<lb/> Dann erinnere ich an die Fabrikkaſſen, an die privaten Ver¬<lb/> ſicherungsgeſellſchaften ꝛc. — Weiter: Von was leben die<lb/> Arbeitsloſen? Alle nehmen ſich doch unmöglich das Leben! Von<lb/> dem Gelde entweder, das ſie zur Zeit der Arbeit geſpart haben,<lb/> oder ſie machen Schulden, die nachher wieder abgezahlt werden<lb/> müſſen, oder die verſchiedenſten Gegenſtände wandern in's<lb/> Pfandhaus und werden ſpäter gegen hohe Zinſen ausgelöſt.<lb/> Sind ſie verfallen, ſo ſchafft man ſich auf Abzahlung zu theuren<lb/> Preiſen neue Gegenſtände an. Die Summen, die auf ſolchen<lb/> Art und Weiſe zum Teufel gehen, ſind natürlich <hi rendition="#g">erheblich</hi><lb/> größer, als wie jene, die man für die Arbeitsloſen-Unterſtützung<lb/> zahlen würde. — „Aber durch die Verbeſſerung der Technik wird<lb/> das Heer der Arbeitsloſen immer größer, ſo daß ſchon deshalb<lb/> auf die Dauer die Unterſtützung der Arbeitsloſen nicht durch¬<lb/> geführt werden kann“, ſo ſagen wieder Andere. Auch dieſer Ein¬<lb/> wand iſt nicht ſtichhaltig. — Lieſt man die ſozialdemokratiſche<lb/> Literatur der 70er 80er Jahre, ſo wird man oft die Be¬<lb/> hauptung finden, daß die engliſchen Gewerkſchaftsorganiſationen<lb/> ihrem Ende entgegen gehen, da ſie infolge der fortſchreitenden<lb/> Arbeitsloſigkeit die Unterſtützung der Arbeitsloſen unmöglich<lb/> lange mehr durchführen werden können. Jetzt ſchreiben wir<lb/> 1897 und die Gewerkſchaftsverbände der engliſchen Arbeiter haben<lb/> nicht ab, ſondern erheblich an Mitglieder zugenommen und die er¬<lb/> wähnten Prophezeihungen ſind nicht eingetroffen. — So ſchlimm<lb/> ſteht es mit der fortſchreitenden Arbeitsloſigkeit nicht, wie dieſes<lb/> ſich in den Köpfen Vieler ausmalt. Das Fortſchreiten der Technik<lb/> bedingt für den Kapitaliſten Mehrverdienſt; dieſer Mehrverdienſt<lb/> wird entweder zur Vergrößerung der Anlagen verwandt, oder<lb/> aber der betr. Kapitaliſt baut ſich eine Villa, ſchafft ſich andere<lb/> Dinge an, die er früher nicht hatte, wodurch natürlich auf<lb/> anderen Gebieten mehr Arbeiter beſchäftigt werden. — Sind<lb/> alle dieſe Einwände widerlegt worden, ſo kommen die Gegner<lb/> der Arbeitsloſen-Unterſtützung mit weiteren Behauptungen<lb/> gegen dieſelbe.</p><lb/> <p>„Die Organiſationen ſeien dann aber keine Kampfesorgani¬<lb/> ſationen mehr“. Sind etwa die heutigen Organiſationen Kampfes¬<lb/> organiſationen?! Kämpfe haben nur dann einen Zweck, wenn<lb/> ſie <choice><sic>Vorcheile</sic><corr>Vortheile</corr></choice>, Erfolge für die Arbeiter bringen. Die heutigen<lb/> Gewerkſchaftskämpfe verlaufen aber in ihrer Mehrzahl zu Un¬<lb/> gunſten der Arbeiter und die hier und da noch erzielten geringen<lb/> Erfolge werden den Arbeitern bald wieder entriſſen. Solche<lb/> Kämpfe haben in Wirklichkeit keine Bedeutung, unnütz werden<lb/> Kräfte vergeudet und gewaltige Opfer vergebens gebracht. —<lb/> Erſt durch die Ausbauung des Unterſtützungsweſens, wodurch<lb/> die Organiſationen, wie bewieſen, ſtärker und feſter werden, er¬<lb/> zielte Errungenſchaften dauernd erhalten können, die Löhne, reſp.<lb/> den Arbeitsmarkt, zu beeinfluſſen im Stande ſind, erſt dadurch<lb/> werden die Verbände <hi rendition="#g">wahre</hi> Kampfesorganiſationen. — Gerade<lb/> die engliſchen Gewerkſchaftsverbände mit ihrem Unterſtützungs¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [24/0032]
— Ferner: Viele tauſende von deutſchen Arbeitern gehören
heute allen möglichen Klimbim-Vereinen an, die vielfach höhere
Beiträge erheben, als die heutigen Gewerkſchaftsorganiſationen.
Dann erinnere ich an die Fabrikkaſſen, an die privaten Ver¬
ſicherungsgeſellſchaften ꝛc. — Weiter: Von was leben die
Arbeitsloſen? Alle nehmen ſich doch unmöglich das Leben! Von
dem Gelde entweder, das ſie zur Zeit der Arbeit geſpart haben,
oder ſie machen Schulden, die nachher wieder abgezahlt werden
müſſen, oder die verſchiedenſten Gegenſtände wandern in's
Pfandhaus und werden ſpäter gegen hohe Zinſen ausgelöſt.
Sind ſie verfallen, ſo ſchafft man ſich auf Abzahlung zu theuren
Preiſen neue Gegenſtände an. Die Summen, die auf ſolchen
Art und Weiſe zum Teufel gehen, ſind natürlich erheblich
größer, als wie jene, die man für die Arbeitsloſen-Unterſtützung
zahlen würde. — „Aber durch die Verbeſſerung der Technik wird
das Heer der Arbeitsloſen immer größer, ſo daß ſchon deshalb
auf die Dauer die Unterſtützung der Arbeitsloſen nicht durch¬
geführt werden kann“, ſo ſagen wieder Andere. Auch dieſer Ein¬
wand iſt nicht ſtichhaltig. — Lieſt man die ſozialdemokratiſche
Literatur der 70er 80er Jahre, ſo wird man oft die Be¬
hauptung finden, daß die engliſchen Gewerkſchaftsorganiſationen
ihrem Ende entgegen gehen, da ſie infolge der fortſchreitenden
Arbeitsloſigkeit die Unterſtützung der Arbeitsloſen unmöglich
lange mehr durchführen werden können. Jetzt ſchreiben wir
1897 und die Gewerkſchaftsverbände der engliſchen Arbeiter haben
nicht ab, ſondern erheblich an Mitglieder zugenommen und die er¬
wähnten Prophezeihungen ſind nicht eingetroffen. — So ſchlimm
ſteht es mit der fortſchreitenden Arbeitsloſigkeit nicht, wie dieſes
ſich in den Köpfen Vieler ausmalt. Das Fortſchreiten der Technik
bedingt für den Kapitaliſten Mehrverdienſt; dieſer Mehrverdienſt
wird entweder zur Vergrößerung der Anlagen verwandt, oder
aber der betr. Kapitaliſt baut ſich eine Villa, ſchafft ſich andere
Dinge an, die er früher nicht hatte, wodurch natürlich auf
anderen Gebieten mehr Arbeiter beſchäftigt werden. — Sind
alle dieſe Einwände widerlegt worden, ſo kommen die Gegner
der Arbeitsloſen-Unterſtützung mit weiteren Behauptungen
gegen dieſelbe.
„Die Organiſationen ſeien dann aber keine Kampfesorgani¬
ſationen mehr“. Sind etwa die heutigen Organiſationen Kampfes¬
organiſationen?! Kämpfe haben nur dann einen Zweck, wenn
ſie Vortheile, Erfolge für die Arbeiter bringen. Die heutigen
Gewerkſchaftskämpfe verlaufen aber in ihrer Mehrzahl zu Un¬
gunſten der Arbeiter und die hier und da noch erzielten geringen
Erfolge werden den Arbeitern bald wieder entriſſen. Solche
Kämpfe haben in Wirklichkeit keine Bedeutung, unnütz werden
Kräfte vergeudet und gewaltige Opfer vergebens gebracht. —
Erſt durch die Ausbauung des Unterſtützungsweſens, wodurch
die Organiſationen, wie bewieſen, ſtärker und feſter werden, er¬
zielte Errungenſchaften dauernd erhalten können, die Löhne, reſp.
den Arbeitsmarkt, zu beeinfluſſen im Stande ſind, erſt dadurch
werden die Verbände wahre Kampfesorganiſationen. — Gerade
die engliſchen Gewerkſchaftsverbände mit ihrem Unterſtützungs¬
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