Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite
I.

Der Großbauer Traugott Büttner ging mit seinen zwei
Söhnen zur Kirche.

Die drei Männer konnten sich sehen lassen. Der Büttner¬
bauer selbst war ein Sechziger, groß, hager, bartlos, rotbraun
im Gesicht, mit graugelbem Haupthaar, das er nach alt¬
modischer Weise lang ins Genick hinab wachsen ließ. Breit¬
spurig und wuchtig trat er mit schwerem Stiefel auf, wie
es ihm, dem Besitzer des größten Gutes im Dorfe, zu¬
kam. Seine starken, etwas eckigen Gliedmaßen, die sich aus¬
nahmen wie knorrige Eichenäste, waren in einen Rock von
dunkelblauer Farbe, mit langen Schößen, gezwängt. Die
engen Ärmel behinderten ihn offenbar in der Freiheit der
Bewegung. Dafür war das auch der nämliche Rock, in
welchem der Büttnerbauer vor mehr als dreißig Jahren
getraut worden war. Daß der Rock inzwischen etwas knapp
geworden in den Schultern und über die Brust, störte
den Alten nicht, im Gegenteil! diese Gebundenheit und enge
Verschnürung des Leibes stimmte so recht zu der Weihe und
feierlichen Gemessenheit, die nun einmal zum Sonntagmorgen
gehört. -- Auf dem langen straffen Haar trug er einen
Cylinder, den das Alter nicht glatter, sondern recht wider¬
haarig gemacht hatte.

Der Bauer schritt zwischen seinen beiden Söhnen: Karl
und Gustav.

W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 1
I.

Der Großbauer Traugott Büttner ging mit ſeinen zwei
Söhnen zur Kirche.

Die drei Männer konnten ſich ſehen laſſen. Der Büttner¬
bauer ſelbſt war ein Sechziger, groß, hager, bartlos, rotbraun
im Geſicht, mit graugelbem Haupthaar, das er nach alt¬
modiſcher Weiſe lang ins Genick hinab wachſen ließ. Breit¬
ſpurig und wuchtig trat er mit ſchwerem Stiefel auf, wie
es ihm, dem Beſitzer des größten Gutes im Dorfe, zu¬
kam. Seine ſtarken, etwas eckigen Gliedmaßen, die ſich aus¬
nahmen wie knorrige Eichenäſte, waren in einen Rock von
dunkelblauer Farbe, mit langen Schößen, gezwängt. Die
engen Ärmel behinderten ihn offenbar in der Freiheit der
Bewegung. Dafür war das auch der nämliche Rock, in
welchem der Büttnerbauer vor mehr als dreißig Jahren
getraut worden war. Daß der Rock inzwiſchen etwas knapp
geworden in den Schultern und über die Bruſt, ſtörte
den Alten nicht, im Gegenteil! dieſe Gebundenheit und enge
Verſchnürung des Leibes ſtimmte ſo recht zu der Weihe und
feierlichen Gemeſſenheit, die nun einmal zum Sonntagmorgen
gehört. — Auf dem langen ſtraffen Haar trug er einen
Cylinder, den das Alter nicht glatter, ſondern recht wider¬
haarig gemacht hatte.

Der Bauer ſchritt zwiſchen ſeinen beiden Söhnen: Karl
und Guſtav.

W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 1
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0015" n="[1]"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">I</hi>.<lb/></head>
          <p>Der Großbauer Traugott Büttner ging mit &#x017F;einen zwei<lb/>
Söhnen zur Kirche.</p><lb/>
          <p>Die drei Männer konnten &#x017F;ich &#x017F;ehen la&#x017F;&#x017F;en. Der Büttner¬<lb/>
bauer &#x017F;elb&#x017F;t war ein Sechziger, groß, hager, bartlos, rotbraun<lb/>
im Ge&#x017F;icht, mit graugelbem Haupthaar, das er nach alt¬<lb/>
modi&#x017F;cher Wei&#x017F;e lang ins Genick hinab wach&#x017F;en ließ. Breit¬<lb/>
&#x017F;purig und wuchtig trat er mit &#x017F;chwerem Stiefel auf, wie<lb/>
es ihm, dem Be&#x017F;itzer des größten Gutes im Dorfe, zu¬<lb/>
kam. Seine &#x017F;tarken, etwas eckigen Gliedmaßen, die &#x017F;ich aus¬<lb/>
nahmen wie knorrige Eichenä&#x017F;te, waren in einen Rock von<lb/>
dunkelblauer Farbe, mit langen Schößen, gezwängt. Die<lb/>
engen Ärmel behinderten ihn offenbar in der Freiheit der<lb/>
Bewegung. Dafür war das auch der nämliche Rock, in<lb/>
welchem der Büttnerbauer vor mehr als dreißig Jahren<lb/>
getraut worden war. Daß der Rock inzwi&#x017F;chen etwas knapp<lb/>
geworden in den Schultern und über die Bru&#x017F;t, &#x017F;törte<lb/>
den Alten nicht, im Gegenteil! die&#x017F;e Gebundenheit und enge<lb/>
Ver&#x017F;chnürung des Leibes &#x017F;timmte &#x017F;o recht zu der Weihe und<lb/>
feierlichen Geme&#x017F;&#x017F;enheit, die nun einmal zum Sonntagmorgen<lb/>
gehört. &#x2014; Auf dem langen &#x017F;traffen Haar trug er einen<lb/>
Cylinder, den das Alter nicht glatter, &#x017F;ondern recht wider¬<lb/>
haarig gemacht hatte.</p><lb/>
          <p>Der Bauer &#x017F;chritt zwi&#x017F;chen &#x017F;einen beiden Söhnen: Karl<lb/>
und Gu&#x017F;tav.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">W</hi>. <hi rendition="#g">v</hi>. <hi rendition="#g">Polenz</hi>, Der Büttnerbauer. 1<lb/></fw>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[1]/0015] I. Der Großbauer Traugott Büttner ging mit ſeinen zwei Söhnen zur Kirche. Die drei Männer konnten ſich ſehen laſſen. Der Büttner¬ bauer ſelbſt war ein Sechziger, groß, hager, bartlos, rotbraun im Geſicht, mit graugelbem Haupthaar, das er nach alt¬ modiſcher Weiſe lang ins Genick hinab wachſen ließ. Breit¬ ſpurig und wuchtig trat er mit ſchwerem Stiefel auf, wie es ihm, dem Beſitzer des größten Gutes im Dorfe, zu¬ kam. Seine ſtarken, etwas eckigen Gliedmaßen, die ſich aus¬ nahmen wie knorrige Eichenäſte, waren in einen Rock von dunkelblauer Farbe, mit langen Schößen, gezwängt. Die engen Ärmel behinderten ihn offenbar in der Freiheit der Bewegung. Dafür war das auch der nämliche Rock, in welchem der Büttnerbauer vor mehr als dreißig Jahren getraut worden war. Daß der Rock inzwiſchen etwas knapp geworden in den Schultern und über die Bruſt, ſtörte den Alten nicht, im Gegenteil! dieſe Gebundenheit und enge Verſchnürung des Leibes ſtimmte ſo recht zu der Weihe und feierlichen Gemeſſenheit, die nun einmal zum Sonntagmorgen gehört. — Auf dem langen ſtraffen Haar trug er einen Cylinder, den das Alter nicht glatter, ſondern recht wider¬ haarig gemacht hatte. Der Bauer ſchritt zwiſchen ſeinen beiden Söhnen: Karl und Guſtav. W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 1

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/15
Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/15>, abgerufen am 23.11.2024.