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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Karl, der ältere, war in gleicher Größe mit dem Vater,
aber beleibter und fleischiger, als dieser. Auch er rasierte sich,
nach guter Bauernweise, den ganzen Bart. Seine großen,
etwas verschlafenen Augen und die vollen roten Wangen
gaben ihm das Aussehen eines großen gutgearteten Jungen.
Aber, wer sich die Fäuste des Mannes näher betrachtete, dem
verging wohl die Lust, mit solchem Burschen anzubinden. Heute
trug er, wie der Alte, ein dickleibiges Gesangbuch in der Hand.
Auch er war in einen langschößigen Kirchenrock gekleidet, und
trug einen breitkrämpigen Cylinder auf dem runden Kopfe.
Im ganzen war Karl Büttner die wohlgenährtere und um
dreißig Jahre jüngere Ausgabe von Traugott Büttner.

Verschieden von den beiden zeigte sich der jüngere Sohn,
Gustav, Unteroffizier in einem Kürassierregiment. Vielleicht
war es die schmucke Uniform, die seine Figur hob, ihm etwas
Gewandtes und Nettes gab, daß er sich von den beiden plumpen
Bauerngestalten vorteilhaft abhob. Er war etwas kleiner, als
Vater und Bruder, sehnig, gut gewachsen, mit offenem ein¬
nehmendem Gesichtsausdruck. Gustav wiegte seinen schlanken
Oberkörper ersichtlich in dem Bewußtsein, ein hübscher Kerl
zu sein, auf den heute die Augen der gesamten Kirchfahrt von
Halbenau gerichtet waren. Nicht selten fuhr seine behand¬
schuhte Rechte nach dem blonden Schnurrbart, wie um sich zu
vergewissern, daß diese wichtigste aller Manneszierden noch an
ihrem Platze sei. Im Heimatdorfe hatte man ihn noch nicht
mit den Treffen gesehen. Zum heurigen Osterurlaub zeigte
er sich der Gemeinde zum erstenmale in der Unteroffiziers¬
würde.

Gesprochen wurde so gut wie nichts während des Kirch¬
ganges. Hin und wieder grüßte mal ein Bekannter durch
Kopfnicken. Zum Ostersonntage war ganz Halbenau auf den
Beinen. In den kleinen Vorgärten rechts und links der
Dorfstraße blühten die ersten Primeln, Narzissen und Leber¬
blümchen.

In der Kirche nahm der Büttnerbauer mit den Söhnen
die der Familie angestammten Kirchenplätze ein, auf der ersten

Karl, der ältere, war in gleicher Größe mit dem Vater,
aber beleibter und fleiſchiger, als dieſer. Auch er raſierte ſich,
nach guter Bauernweiſe, den ganzen Bart. Seine großen,
etwas verſchlafenen Augen und die vollen roten Wangen
gaben ihm das Ausſehen eines großen gutgearteten Jungen.
Aber, wer ſich die Fäuſte des Mannes näher betrachtete, dem
verging wohl die Luſt, mit ſolchem Burſchen anzubinden. Heute
trug er, wie der Alte, ein dickleibiges Geſangbuch in der Hand.
Auch er war in einen langſchößigen Kirchenrock gekleidet, und
trug einen breitkrämpigen Cylinder auf dem runden Kopfe.
Im ganzen war Karl Büttner die wohlgenährtere und um
dreißig Jahre jüngere Ausgabe von Traugott Büttner.

Verſchieden von den beiden zeigte ſich der jüngere Sohn,
Guſtav, Unteroffizier in einem Küraſſierregiment. Vielleicht
war es die ſchmucke Uniform, die ſeine Figur hob, ihm etwas
Gewandtes und Nettes gab, daß er ſich von den beiden plumpen
Bauerngeſtalten vorteilhaft abhob. Er war etwas kleiner, als
Vater und Bruder, ſehnig, gut gewachſen, mit offenem ein¬
nehmendem Geſichtsausdruck. Guſtav wiegte ſeinen ſchlanken
Oberkörper erſichtlich in dem Bewußtſein, ein hübſcher Kerl
zu ſein, auf den heute die Augen der geſamten Kirchfahrt von
Halbenau gerichtet waren. Nicht ſelten fuhr ſeine behand¬
ſchuhte Rechte nach dem blonden Schnurrbart, wie um ſich zu
vergewiſſern, daß dieſe wichtigſte aller Manneszierden noch an
ihrem Platze ſei. Im Heimatdorfe hatte man ihn noch nicht
mit den Treffen geſehen. Zum heurigen Oſterurlaub zeigte
er ſich der Gemeinde zum erſtenmale in der Unteroffiziers¬
würde.

Geſprochen wurde ſo gut wie nichts während des Kirch¬
ganges. Hin und wieder grüßte mal ein Bekannter durch
Kopfnicken. Zum Oſterſonntage war ganz Halbenau auf den
Beinen. In den kleinen Vorgärten rechts und links der
Dorfſtraße blühten die erſten Primeln, Narziſſen und Leber¬
blümchen.

In der Kirche nahm der Büttnerbauer mit den Söhnen
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[2/0016] Karl, der ältere, war in gleicher Größe mit dem Vater, aber beleibter und fleiſchiger, als dieſer. Auch er raſierte ſich, nach guter Bauernweiſe, den ganzen Bart. Seine großen, etwas verſchlafenen Augen und die vollen roten Wangen gaben ihm das Ausſehen eines großen gutgearteten Jungen. Aber, wer ſich die Fäuſte des Mannes näher betrachtete, dem verging wohl die Luſt, mit ſolchem Burſchen anzubinden. Heute trug er, wie der Alte, ein dickleibiges Geſangbuch in der Hand. Auch er war in einen langſchößigen Kirchenrock gekleidet, und trug einen breitkrämpigen Cylinder auf dem runden Kopfe. Im ganzen war Karl Büttner die wohlgenährtere und um dreißig Jahre jüngere Ausgabe von Traugott Büttner. Verſchieden von den beiden zeigte ſich der jüngere Sohn, Guſtav, Unteroffizier in einem Küraſſierregiment. Vielleicht war es die ſchmucke Uniform, die ſeine Figur hob, ihm etwas Gewandtes und Nettes gab, daß er ſich von den beiden plumpen Bauerngeſtalten vorteilhaft abhob. Er war etwas kleiner, als Vater und Bruder, ſehnig, gut gewachſen, mit offenem ein¬ nehmendem Geſichtsausdruck. Guſtav wiegte ſeinen ſchlanken Oberkörper erſichtlich in dem Bewußtſein, ein hübſcher Kerl zu ſein, auf den heute die Augen der geſamten Kirchfahrt von Halbenau gerichtet waren. Nicht ſelten fuhr ſeine behand¬ ſchuhte Rechte nach dem blonden Schnurrbart, wie um ſich zu vergewiſſern, daß dieſe wichtigſte aller Manneszierden noch an ihrem Platze ſei. Im Heimatdorfe hatte man ihn noch nicht mit den Treffen geſehen. Zum heurigen Oſterurlaub zeigte er ſich der Gemeinde zum erſtenmale in der Unteroffiziers¬ würde. Geſprochen wurde ſo gut wie nichts während des Kirch¬ ganges. Hin und wieder grüßte mal ein Bekannter durch Kopfnicken. Zum Oſterſonntage war ganz Halbenau auf den Beinen. In den kleinen Vorgärten rechts und links der Dorfſtraße blühten die erſten Primeln, Narziſſen und Leber¬ blümchen. In der Kirche nahm der Büttnerbauer mit den Söhnen die der Familie angeſtammten Kirchenplätze ein, auf der erſten

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/16>, abgerufen am 21.11.2024.