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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Empore, nahe der Kanzel. Die Büttners gehörten zu der
alteingesessenen Bauernschaft von Halbenau.

Gustav sah sich während des Gesanges, der mit seinem
ausgiebigen Zwischenspiel der Beschaulichkeit reichlichen Spiel¬
raum gab, in der kleinen Kirche um. Die Gesichter waren
ihm alle bekannt. Hie und da vermißte er unter den älteren
Leuten einen oder den anderen, den der Tod wohl abgerufen
haben mochte.

Sein Blick schweifte auch gelegentlich nach dem Schiffe
hinab, wo die Frauen saßen. Die bunten Kopftücher, Hauben
und Hüte erschwerten es, das einzelne Gesicht sofort heraus¬
zuerkennen. Unter den Mädchen und jungen Frauen war
manch eine, mit der er zur Schule gegangen, andere kannte er
vom Tanzboden her.

Gustav Büttner hatte es bisher geflissentlich vermieden,
nach einer bestimmten Stelle im Schiffe zu blicken. Er wußte,
daß dort eine saß, die, wenn sie überhaupt in der Kirche war,
ihn jetzt ganz sicher beobachtete. Und er wollte sich doch um
keinen Preis den Anschein geben, als kümmere ihn das nur
im geringsten. -- Wenn er dorthin blicken wollte, wo sie
ihren Kirchenstand hatte, mußte er den Kopf scharf nach
links wenden, denn sie saß seitlings von ihm, beinahe unter
der Empore. Bis zum Kanzelvers that er sich Zwang an,
dann aber hielt er es doch nicht länger aus, er mußte wissen,
ob Katschners Pauline da sei.

Er beugte sich ein wenig vor, so unauffällig wie möglich.
Richtig, dort saß sie! Und natürlich hatte sie gerade auch
nach ihm hinaufblicken müssen.

Gustav war errötet. Das ärgerte ihn erst recht. Zu
einfältig! Warum mußte er sich auch um das Mädel kümmern!
Was ging die ihn jetzt noch an! Wenn man sich um jedes
Frauenzimmer kümmern wollte, mit dem man mal was ge¬
habt, da konnte man weit kommen. Überhaupt, Katschners Pau¬
line! -- In der Stadt konnte man sich mit so einer gar nicht
sehen lassen. In der Kaserne würden sie ihn schön auslachen,
wenn er mit der angezogen käme. Nicht viel besser, als eine

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Empore, nahe der Kanzel. Die Büttners gehörten zu der
alteingeſeſſenen Bauernſchaft von Halbenau.

Guſtav ſah ſich während des Geſanges, der mit ſeinem
ausgiebigen Zwiſchenſpiel der Beſchaulichkeit reichlichen Spiel¬
raum gab, in der kleinen Kirche um. Die Geſichter waren
ihm alle bekannt. Hie und da vermißte er unter den älteren
Leuten einen oder den anderen, den der Tod wohl abgerufen
haben mochte.

Sein Blick ſchweifte auch gelegentlich nach dem Schiffe
hinab, wo die Frauen ſaßen. Die bunten Kopftücher, Hauben
und Hüte erſchwerten es, das einzelne Geſicht ſofort heraus¬
zuerkennen. Unter den Mädchen und jungen Frauen war
manch eine, mit der er zur Schule gegangen, andere kannte er
vom Tanzboden her.

Guſtav Büttner hatte es bisher gefliſſentlich vermieden,
nach einer beſtimmten Stelle im Schiffe zu blicken. Er wußte,
daß dort eine ſaß, die, wenn ſie überhaupt in der Kirche war,
ihn jetzt ganz ſicher beobachtete. Und er wollte ſich doch um
keinen Preis den Anſchein geben, als kümmere ihn das nur
im geringſten. — Wenn er dorthin blicken wollte, wo ſie
ihren Kirchenſtand hatte, mußte er den Kopf ſcharf nach
links wenden, denn ſie ſaß ſeitlings von ihm, beinahe unter
der Empore. Bis zum Kanzelvers that er ſich Zwang an,
dann aber hielt er es doch nicht länger aus, er mußte wiſſen,
ob Katſchners Pauline da ſei.

Er beugte ſich ein wenig vor, ſo unauffällig wie möglich.
Richtig, dort ſaß ſie! Und natürlich hatte ſie gerade auch
nach ihm hinaufblicken müſſen.

Guſtav war errötet. Das ärgerte ihn erſt recht. Zu
einfältig! Warum mußte er ſich auch um das Mädel kümmern!
Was ging die ihn jetzt noch an! Wenn man ſich um jedes
Frauenzimmer kümmern wollte, mit dem man mal was ge¬
habt, da konnte man weit kommen. Überhaupt, Katſchners Pau¬
line! — In der Stadt konnte man ſich mit ſo einer gar nicht
ſehen laſſen. In der Kaſerne würden ſie ihn ſchön auslachen,
wenn er mit der angezogen käme. Nicht viel beſſer, als eine

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[3/0017] Empore, nahe der Kanzel. Die Büttners gehörten zu der alteingeſeſſenen Bauernſchaft von Halbenau. Guſtav ſah ſich während des Geſanges, der mit ſeinem ausgiebigen Zwiſchenſpiel der Beſchaulichkeit reichlichen Spiel¬ raum gab, in der kleinen Kirche um. Die Geſichter waren ihm alle bekannt. Hie und da vermißte er unter den älteren Leuten einen oder den anderen, den der Tod wohl abgerufen haben mochte. Sein Blick ſchweifte auch gelegentlich nach dem Schiffe hinab, wo die Frauen ſaßen. Die bunten Kopftücher, Hauben und Hüte erſchwerten es, das einzelne Geſicht ſofort heraus¬ zuerkennen. Unter den Mädchen und jungen Frauen war manch eine, mit der er zur Schule gegangen, andere kannte er vom Tanzboden her. Guſtav Büttner hatte es bisher gefliſſentlich vermieden, nach einer beſtimmten Stelle im Schiffe zu blicken. Er wußte, daß dort eine ſaß, die, wenn ſie überhaupt in der Kirche war, ihn jetzt ganz ſicher beobachtete. Und er wollte ſich doch um keinen Preis den Anſchein geben, als kümmere ihn das nur im geringſten. — Wenn er dorthin blicken wollte, wo ſie ihren Kirchenſtand hatte, mußte er den Kopf ſcharf nach links wenden, denn ſie ſaß ſeitlings von ihm, beinahe unter der Empore. Bis zum Kanzelvers that er ſich Zwang an, dann aber hielt er es doch nicht länger aus, er mußte wiſſen, ob Katſchners Pauline da ſei. Er beugte ſich ein wenig vor, ſo unauffällig wie möglich. Richtig, dort ſaß ſie! Und natürlich hatte ſie gerade auch nach ihm hinaufblicken müſſen. Guſtav war errötet. Das ärgerte ihn erſt recht. Zu einfältig! Warum mußte er ſich auch um das Mädel kümmern! Was ging die ihn jetzt noch an! Wenn man ſich um jedes Frauenzimmer kümmern wollte, mit dem man mal was ge¬ habt, da konnte man weit kommen. Überhaupt, Katſchners Pau¬ line! — In der Stadt konnte man ſich mit ſo einer gar nicht ſehen laſſen. In der Kaſerne würden ſie ihn ſchön auslachen, wenn er mit der angezogen käme. Nicht viel beſſer, als eine 1*

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/17>, abgerufen am 21.11.2024.