Sorge um die Saaten überlassen. In dieser Zeit, wo die ganze Natur auszuruhen scheint vom Schaffen und Hervor¬ bringen, wo alle jene treibenden, nährenden, in Saft und Frucht schießenden Triebe gleichsam eingefroren sind, hält auch der Bauer eine Art von Winterschlaf. Mehr als andere ist er ja verwandt mit der Erde, die er bebaut. Er hängt mit ihr zusammen, wie das Kind mit der Mutter, vor der Trennung. Er empfängt von ihr geheimnisvolle Lebenskräfte, und ihre Wärme ist auch die seine.
Ohne Arbeit war freilich auch der Winter nicht. Da gab es Schnee auszuwerfen, auf den Wegen. Dann war die Holzarbeit. Der Büttnerbauer machte sich mit Hilfe seiner beiden Söhne daran, die einzelnen übergehaltenen Kiefern und Fichten zu fällen, die gefällten zu Klötzern zu schneiden, die Wipfel und Äste zu Reisighaufen aufzuschichten. Was an ver¬ krüppeltem Holze da war, das nicht zu Nutzstücken verwertet werden konnte, wurde in den Schuppen gebracht, und dort in Scheite gespalten und zu Brennholz zerkleinert.
Es gab einen harten Winter. Das Feuer im Kochherde, der gleichzeitig Ofen für die Wohnstube war, durfte nicht aus¬ gehen. Kohlen zu verwenden, betrachtete der Bauer als Ver¬ schwendung; wozu wuchsen denn auch die Bäume im Walde! So wurde denn tüchtig Holz verkachelt. Zu lüften hütete man sich wohl, damit ja nicht etwas von der kostbaren Wärme entfliehe. Gegen Öffnen durch vermessene Hände waren die Fenster übrigens wohl verwahrt. Im Herbst schon hatte man die Fensterstöcke und Rahmen mit Moos, Laub, Stroh und Nadelzweigen sorgsam versetzt. So war das ganze Haus in einen schützenden Mantel gekleidet, welcher der Winterkälte den Zugang verwehrte, zugleich aber auch die frische Luft ausschloß.
Der Tag begann spät, erst gegen sieben Uhr dämmerte es ja, und der Büttnerbauer drückte jetzt ein Auge zu wegen des späteren Aufstehens. Wenn das Vieh um sechs Uhr früh sein erstes Futter hatte, war er zufrieden. Um vier Uhr nachmittags fing der Abend schon an. Lampen wurden nicht
Sorge um die Saaten überlaſſen. In dieſer Zeit, wo die ganze Natur auszuruhen ſcheint vom Schaffen und Hervor¬ bringen, wo alle jene treibenden, nährenden, in Saft und Frucht ſchießenden Triebe gleichſam eingefroren ſind, hält auch der Bauer eine Art von Winterſchlaf. Mehr als andere iſt er ja verwandt mit der Erde, die er bebaut. Er hängt mit ihr zuſammen, wie das Kind mit der Mutter, vor der Trennung. Er empfängt von ihr geheimnisvolle Lebenskräfte, und ihre Wärme iſt auch die ſeine.
Ohne Arbeit war freilich auch der Winter nicht. Da gab es Schnee auszuwerfen, auf den Wegen. Dann war die Holzarbeit. Der Büttnerbauer machte ſich mit Hilfe ſeiner beiden Söhne daran, die einzelnen übergehaltenen Kiefern und Fichten zu fällen, die gefällten zu Klötzern zu ſchneiden, die Wipfel und Äſte zu Reiſighaufen aufzuſchichten. Was an ver¬ krüppeltem Holze da war, das nicht zu Nutzſtücken verwertet werden konnte, wurde in den Schuppen gebracht, und dort in Scheite geſpalten und zu Brennholz zerkleinert.
Es gab einen harten Winter. Das Feuer im Kochherde, der gleichzeitig Ofen für die Wohnſtube war, durfte nicht aus¬ gehen. Kohlen zu verwenden, betrachtete der Bauer als Ver¬ ſchwendung; wozu wuchſen denn auch die Bäume im Walde! So wurde denn tüchtig Holz verkachelt. Zu lüften hütete man ſich wohl, damit ja nicht etwas von der koſtbaren Wärme entfliehe. Gegen Öffnen durch vermeſſene Hände waren die Fenſter übrigens wohl verwahrt. Im Herbſt ſchon hatte man die Fenſterſtöcke und Rahmen mit Moos, Laub, Stroh und Nadelzweigen ſorgſam verſetzt. So war das ganze Haus in einen ſchützenden Mantel gekleidet, welcher der Winterkälte den Zugang verwehrte, zugleich aber auch die friſche Luft ausſchloß.
Der Tag begann ſpät, erſt gegen ſieben Uhr dämmerte es ja, und der Büttnerbauer drückte jetzt ein Auge zu wegen des ſpäteren Aufſtehens. Wenn das Vieh um ſechs Uhr früh ſein erſtes Futter hatte, war er zufrieden. Um vier Uhr nachmittags fing der Abend ſchon an. Lampen wurden nicht
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Sorge um die Saaten überlaſſen. In dieſer Zeit, wo die
ganze Natur auszuruhen ſcheint vom Schaffen und Hervor¬
bringen, wo alle jene treibenden, nährenden, in Saft und
Frucht ſchießenden Triebe gleichſam eingefroren ſind, hält auch
der Bauer eine Art von Winterſchlaf. Mehr als andere iſt
er ja verwandt mit der Erde, die er bebaut. Er hängt mit ihr
zuſammen, wie das Kind mit der Mutter, vor der Trennung.
Er empfängt von ihr geheimnisvolle Lebenskräfte, und ihre
Wärme iſt auch die ſeine.
Ohne Arbeit war freilich auch der Winter nicht. Da gab
es Schnee auszuwerfen, auf den Wegen. Dann war die
Holzarbeit. Der Büttnerbauer machte ſich mit Hilfe ſeiner
beiden Söhne daran, die einzelnen übergehaltenen Kiefern und
Fichten zu fällen, die gefällten zu Klötzern zu ſchneiden, die
Wipfel und Äſte zu Reiſighaufen aufzuſchichten. Was an ver¬
krüppeltem Holze da war, das nicht zu Nutzſtücken verwertet
werden konnte, wurde in den Schuppen gebracht, und dort in
Scheite geſpalten und zu Brennholz zerkleinert.
Es gab einen harten Winter. Das Feuer im Kochherde,
der gleichzeitig Ofen für die Wohnſtube war, durfte nicht aus¬
gehen. Kohlen zu verwenden, betrachtete der Bauer als Ver¬
ſchwendung; wozu wuchſen denn auch die Bäume im Walde!
So wurde denn tüchtig Holz verkachelt. Zu lüften hütete
man ſich wohl, damit ja nicht etwas von der koſtbaren Wärme
entfliehe. Gegen Öffnen durch vermeſſene Hände waren die
Fenſter übrigens wohl verwahrt. Im Herbſt ſchon hatte man
die Fenſterſtöcke und Rahmen mit Moos, Laub, Stroh und
Nadelzweigen ſorgſam verſetzt. So war das ganze Haus in
einen ſchützenden Mantel gekleidet, welcher der Winterkälte
den Zugang verwehrte, zugleich aber auch die friſche Luft
ausſchloß.
Der Tag begann ſpät, erſt gegen ſieben Uhr dämmerte
es ja, und der Büttnerbauer drückte jetzt ein Auge zu wegen
des ſpäteren Aufſtehens. Wenn das Vieh um ſechs Uhr früh
ſein erſtes Futter hatte, war er zufrieden. Um vier Uhr
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/164>, abgerufen am 28.11.2024.
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