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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Gustav gab sich jedoch dieser Forderung wegen nicht allzu
schweren Besorgnissen hin. Er konnte sich nicht denken, daß
sein Onkel Ernst machen würde mit dem Ausklagen. Nicht
etwa, daß er Kaschelernst eine solche Härte gegen den eigenen
Schwager nicht zugetraut hätte; er kannte den Kretschamwirt
nur zu gut. Nein, er glaubte, daß der es nicht wagen würde,
den Bauern zum äußersten zu treiben. Er mußte doch am
besten wissen, daß bei dem Schwager nichts zu holen war.
Klagte er, so kam es zum Zusammenbruch, und Kaschelernst
verlor dann seine Hypothek, für die er bisher die Zinsen stets
richtig erhalten hatte. Daß der Kretschamwirt daran denken
könne, auf Erwerb des Bauerngutes selbst zu spekulieren, nahm
Gustav nicht an. Weder Kaschelernst, noch der Sohn, waren
Landwirte, und sein schlauer Onkel würde sich wohl hüten, zu
dem, was er schon hatte, sich noch die Last eines größeren
Besitzes aufzubürden.

Er nahm daher die Kündigung der Kaschelschen Hypothek,
die dem alten Bauern so schweres Ärgernis bereitet hatte, gar
nicht ernst. Das war wohl nur ein Schreckschuß oder ein
schlechter Witz, den sich der schadenfrohe Kretschamwirt zu
seinem besonderen Ergötzen gemacht hatte.

Gustav ging hin und wieder in den Kretscham, um die
Stimmung dort zu ergründen. Der Onkel behandelte ihn stets
mit ausgesuchter Zuvorkommenheit. Er lächelte und zwinkerte,
sobald er des Neffen ansichtig wurde, in seiner närrischen
Weise. Aber aus ihm herauszubekommen war nichts. Sowie
Gustav ernsthaft von Geschäften zu sprechen anfing, begann
er zu lachen, daß ihm manchmal die wirklichen Thränen aus den
Augen liefen; so verstand er es, die Sache ins Lächerliche zu
ziehen und den Neffen hinzuhalten.

Wenn nicht die stete Sorge um die Vermögenslage seiner
Familie gewesen wäre, hätte Gustav in jener Zeit ein glück¬
liches und gemächliches Leben führen können.

Wintersanfang ist eine der ruhigsten Zeiten für den
Landmann. Sobald die weiße Decke die Fluren bedeckt, kann
er von seinen Werken ausruhen und dem lieben Gott die

Guſtav gab ſich jedoch dieſer Forderung wegen nicht allzu
ſchweren Beſorgniſſen hin. Er konnte ſich nicht denken, daß
ſein Onkel Ernſt machen würde mit dem Ausklagen. Nicht
etwa, daß er Kaſchelernſt eine ſolche Härte gegen den eigenen
Schwager nicht zugetraut hätte; er kannte den Kretſchamwirt
nur zu gut. Nein, er glaubte, daß der es nicht wagen würde,
den Bauern zum äußerſten zu treiben. Er mußte doch am
beſten wiſſen, daß bei dem Schwager nichts zu holen war.
Klagte er, ſo kam es zum Zuſammenbruch, und Kaſchelernſt
verlor dann ſeine Hypothek, für die er bisher die Zinſen ſtets
richtig erhalten hatte. Daß der Kretſchamwirt daran denken
könne, auf Erwerb des Bauerngutes ſelbſt zu ſpekulieren, nahm
Guſtav nicht an. Weder Kaſchelernſt, noch der Sohn, waren
Landwirte, und ſein ſchlauer Onkel würde ſich wohl hüten, zu
dem, was er ſchon hatte, ſich noch die Laſt eines größeren
Beſitzes aufzubürden.

Er nahm daher die Kündigung der Kaſchelſchen Hypothek,
die dem alten Bauern ſo ſchweres Ärgernis bereitet hatte, gar
nicht ernſt. Das war wohl nur ein Schreckſchuß oder ein
ſchlechter Witz, den ſich der ſchadenfrohe Kretſchamwirt zu
ſeinem beſonderen Ergötzen gemacht hatte.

Guſtav ging hin und wieder in den Kretſcham, um die
Stimmung dort zu ergründen. Der Onkel behandelte ihn ſtets
mit ausgeſuchter Zuvorkommenheit. Er lächelte und zwinkerte,
ſobald er des Neffen anſichtig wurde, in ſeiner närriſchen
Weiſe. Aber aus ihm herauszubekommen war nichts. Sowie
Guſtav ernſthaft von Geſchäften zu ſprechen anfing, begann
er zu lachen, daß ihm manchmal die wirklichen Thränen aus den
Augen liefen; ſo verſtand er es, die Sache ins Lächerliche zu
ziehen und den Neffen hinzuhalten.

Wenn nicht die ſtete Sorge um die Vermögenslage ſeiner
Familie geweſen wäre, hätte Guſtav in jener Zeit ein glück¬
liches und gemächliches Leben führen können.

Wintersanfang iſt eine der ruhigſten Zeiten für den
Landmann. Sobald die weiße Decke die Fluren bedeckt, kann
er von ſeinen Werken ausruhen und dem lieben Gott die

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[149/0163] Guſtav gab ſich jedoch dieſer Forderung wegen nicht allzu ſchweren Beſorgniſſen hin. Er konnte ſich nicht denken, daß ſein Onkel Ernſt machen würde mit dem Ausklagen. Nicht etwa, daß er Kaſchelernſt eine ſolche Härte gegen den eigenen Schwager nicht zugetraut hätte; er kannte den Kretſchamwirt nur zu gut. Nein, er glaubte, daß der es nicht wagen würde, den Bauern zum äußerſten zu treiben. Er mußte doch am beſten wiſſen, daß bei dem Schwager nichts zu holen war. Klagte er, ſo kam es zum Zuſammenbruch, und Kaſchelernſt verlor dann ſeine Hypothek, für die er bisher die Zinſen ſtets richtig erhalten hatte. Daß der Kretſchamwirt daran denken könne, auf Erwerb des Bauerngutes ſelbſt zu ſpekulieren, nahm Guſtav nicht an. Weder Kaſchelernſt, noch der Sohn, waren Landwirte, und ſein ſchlauer Onkel würde ſich wohl hüten, zu dem, was er ſchon hatte, ſich noch die Laſt eines größeren Beſitzes aufzubürden. Er nahm daher die Kündigung der Kaſchelſchen Hypothek, die dem alten Bauern ſo ſchweres Ärgernis bereitet hatte, gar nicht ernſt. Das war wohl nur ein Schreckſchuß oder ein ſchlechter Witz, den ſich der ſchadenfrohe Kretſchamwirt zu ſeinem beſonderen Ergötzen gemacht hatte. Guſtav ging hin und wieder in den Kretſcham, um die Stimmung dort zu ergründen. Der Onkel behandelte ihn ſtets mit ausgeſuchter Zuvorkommenheit. Er lächelte und zwinkerte, ſobald er des Neffen anſichtig wurde, in ſeiner närriſchen Weiſe. Aber aus ihm herauszubekommen war nichts. Sowie Guſtav ernſthaft von Geſchäften zu ſprechen anfing, begann er zu lachen, daß ihm manchmal die wirklichen Thränen aus den Augen liefen; ſo verſtand er es, die Sache ins Lächerliche zu ziehen und den Neffen hinzuhalten. Wenn nicht die ſtete Sorge um die Vermögenslage ſeiner Familie geweſen wäre, hätte Guſtav in jener Zeit ein glück¬ liches und gemächliches Leben führen können. Wintersanfang iſt eine der ruhigſten Zeiten für den Landmann. Sobald die weiße Decke die Fluren bedeckt, kann er von ſeinen Werken ausruhen und dem lieben Gott die

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/163>, abgerufen am 28.11.2024.