auf Nützlichkeit gegründet war. Der himmlische Vater hatte nach Ansicht des Bauern für gute Ordnung in der Welt, für regelmäßige Wiederkehr der Jahreszeiten, gut Wetter und Ge¬ deihen der Feldfrüchte zu sorgen. Kirchgang, Abendmahl, Kollekte, Gebet und Gesang, das waren Opfer, die der Mensch Gott darbrachte, um ihn günstig zu stimmen. War das Wetter andauernd schlecht, oder die Ernte war mißraten, dann grollte der Bauer seinem Schöpfer, bis wieder bessere Zeit kam. Von der Buße hielt er nicht viel. Um das Fortleben nach dem Tode kümmerte er sich wenig, sein Denken und Sorgen war ganz auf das Diesseits gerichtet. Was der Herr Pastor sonst noch sagte, von der Aneignung der göttlichen Gnade, dem stellvertretenden Opfertode Christi und der Wiedergeburt im Geiste, das hörte er sich wohl mit an, aber es lief an seinem Gewissen ab, ohne Eindruck zu hinterlassen. Dergleichen war ihm viel zu weit hergeholt und verwickelt. Das hatten sich wahrscheinlich die Gelehrten ausgedacht: die Studenten und die Professoren, oder wie sie sonst hießen. Er trug ein deut¬ liches, höchst persönliches Bild von seinem Gotte in der Seele. Er wußte ganz genau, wie er zu dem da oben stand; es be¬ durfte keines Vermittlers, um ihn zu Gott zu führen. Manch¬ mal in früher Morgenstunde, wenn er auf dem Felde stand, allein, und die Welt erstrahlte plötzlich in überirdischem Glanze, dann fühlte er Gottes Nähe, da nahm er die Mütze vom Haupte und sammelte sich zu kurzem Gebet. Oder ein Wetter brauste daher über sein Haus und Land mit Blitzschlag und Donnergrollen, dann spürte er Gottes Allmacht. Oder nach langer Dürre ging ein befruchtender Regen nieder, dann kam der Allmächtige selbst hernieder auf seine Erde. In solchen Augenblicken ließ der Alte etwas wie eine Weihestimmung in sich aufkommen. Sonst liebte er das Hingeben an Ge¬ fühle nicht. Er war kein Beter. Des Abends beim Abend¬ läuten nahm er aus alter Gewohnheit die Mütze ab, sobald die Glocke anschlug, und sprach sein Vaterunser; das war aber auch alles. Im übrigen mußte der sonntägliche Gottesdienst für die Woche aushalten.
auf Nützlichkeit gegründet war. Der himmliſche Vater hatte nach Anſicht des Bauern für gute Ordnung in der Welt, für regelmäßige Wiederkehr der Jahreszeiten, gut Wetter und Ge¬ deihen der Feldfrüchte zu ſorgen. Kirchgang, Abendmahl, Kollekte, Gebet und Geſang, das waren Opfer, die der Menſch Gott darbrachte, um ihn günſtig zu ſtimmen. War das Wetter andauernd ſchlecht, oder die Ernte war mißraten, dann grollte der Bauer ſeinem Schöpfer, bis wieder beſſere Zeit kam. Von der Buße hielt er nicht viel. Um das Fortleben nach dem Tode kümmerte er ſich wenig, ſein Denken und Sorgen war ganz auf das Diesſeits gerichtet. Was der Herr Paſtor ſonſt noch ſagte, von der Aneignung der göttlichen Gnade, dem ſtellvertretenden Opfertode Chriſti und der Wiedergeburt im Geiſte, das hörte er ſich wohl mit an, aber es lief an ſeinem Gewiſſen ab, ohne Eindruck zu hinterlaſſen. Dergleichen war ihm viel zu weit hergeholt und verwickelt. Das hatten ſich wahrſcheinlich die Gelehrten ausgedacht: die Studenten und die Profeſſoren, oder wie ſie ſonſt hießen. Er trug ein deut¬ liches, höchſt perſönliches Bild von ſeinem Gotte in der Seele. Er wußte ganz genau, wie er zu dem da oben ſtand; es be¬ durfte keines Vermittlers, um ihn zu Gott zu führen. Manch¬ mal in früher Morgenſtunde, wenn er auf dem Felde ſtand, allein, und die Welt erſtrahlte plötzlich in überirdiſchem Glanze, dann fühlte er Gottes Nähe, da nahm er die Mütze vom Haupte und ſammelte ſich zu kurzem Gebet. Oder ein Wetter brauſte daher über ſein Haus und Land mit Blitzſchlag und Donnergrollen, dann ſpürte er Gottes Allmacht. Oder nach langer Dürre ging ein befruchtender Regen nieder, dann kam der Allmächtige ſelbſt hernieder auf ſeine Erde. In ſolchen Augenblicken ließ der Alte etwas wie eine Weiheſtimmung in ſich aufkommen. Sonſt liebte er das Hingeben an Ge¬ fühle nicht. Er war kein Beter. Des Abends beim Abend¬ läuten nahm er aus alter Gewohnheit die Mütze ab, ſobald die Glocke anſchlug, und ſprach ſein Vaterunſer; das war aber auch alles. Im übrigen mußte der ſonntägliche Gottesdienſt für die Woche aushalten.
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auf Nützlichkeit gegründet war. Der himmliſche Vater hatte
nach Anſicht des Bauern für gute Ordnung in der Welt, für
regelmäßige Wiederkehr der Jahreszeiten, gut Wetter und Ge¬
deihen der Feldfrüchte zu ſorgen. Kirchgang, Abendmahl,
Kollekte, Gebet und Geſang, das waren Opfer, die der Menſch
Gott darbrachte, um ihn günſtig zu ſtimmen. War das Wetter
andauernd ſchlecht, oder die Ernte war mißraten, dann grollte
der Bauer ſeinem Schöpfer, bis wieder beſſere Zeit kam. Von
der Buße hielt er nicht viel. Um das Fortleben nach dem
Tode kümmerte er ſich wenig, ſein Denken und Sorgen war
ganz auf das Diesſeits gerichtet. Was der Herr Paſtor ſonſt
noch ſagte, von der Aneignung der göttlichen Gnade, dem
ſtellvertretenden Opfertode Chriſti und der Wiedergeburt im
Geiſte, das hörte er ſich wohl mit an, aber es lief an ſeinem
Gewiſſen ab, ohne Eindruck zu hinterlaſſen. Dergleichen war
ihm viel zu weit hergeholt und verwickelt. Das hatten ſich
wahrſcheinlich die Gelehrten ausgedacht: die Studenten und
die Profeſſoren, oder wie ſie ſonſt hießen. Er trug ein deut¬
liches, höchſt perſönliches Bild von ſeinem Gotte in der Seele.
Er wußte ganz genau, wie er zu dem da oben ſtand; es be¬
durfte keines Vermittlers, um ihn zu Gott zu führen. Manch¬
mal in früher Morgenſtunde, wenn er auf dem Felde ſtand,
allein, und die Welt erſtrahlte plötzlich in überirdiſchem Glanze,
dann fühlte er Gottes Nähe, da nahm er die Mütze vom
Haupte und ſammelte ſich zu kurzem Gebet. Oder ein Wetter
brauſte daher über ſein Haus und Land mit Blitzſchlag und
Donnergrollen, dann ſpürte er Gottes Allmacht. Oder nach
langer Dürre ging ein befruchtender Regen nieder, dann kam
der Allmächtige ſelbſt hernieder auf ſeine Erde. In ſolchen
Augenblicken ließ der Alte etwas wie eine Weiheſtimmung
in ſich aufkommen. Sonſt liebte er das Hingeben an Ge¬
fühle nicht. Er war kein Beter. Des Abends beim Abend¬
läuten nahm er aus alter Gewohnheit die Mütze ab, ſobald
die Glocke anſchlug, und ſprach ſein Vaterunſer; das war aber
auch alles. Im übrigen mußte der ſonntägliche Gottesdienſt
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/174>, abgerufen am 29.11.2024.
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