berichte. Solche Leute nannten sich dann freilich auch nicht mehr Bauern, sondern "Ökonomen" und ließen ihre Söhne freiwillig dienen.
Traugott Büttner hielt am Alten fest, wie es sein Vater bis zu gewissem Grade auch gethan hatte. Leberecht Büttner aber hatte sich dem, was gut und nützlich im Neuen war, nie verschlossen, und das that Traugott. Er verstand seine Zeit nicht, wollte sie nicht verstehen. Er haßte jede Neuerung von Grund der Seele, und brachte es darum niemals zu einer Verbesserung. Er glaubte die neue Zeit mit Verachtung zu strafen, und merkte nicht, daß sie achtlos über ihn hinwegschritt, und ihm den Rücken wandte. Mürrisch hatte er sich auf sich selbst zurückgezogen, zehrte von seinem Trotze und lebte ein glückliches Leben nur in der Erinnerung an die "gute alte Zeit", die doch ihrerzeit auch mal neu gewesen war.
Manchmal freilich sah er sich doch gezwungen, in das Licht, von dem er sich grollend abgewandt hatte, zu blicken. Um so schmerzhafter blendete ihn dann die grelle Tageshelle der Wirklichkeit. Dann fuhr er auf aus seiner weltentfremde¬ ten Zurückgezogenheit und beging in heftiger Übereilung ver¬ hängnisvolle Irrtümer. Sah er dann durch den Erfolg seines Thuns, daß er verfehlt gehandelt hatte, so versteifte er sich gegen besseres Wissen auf sein gutes Recht. Aber, im Inneren war ihm nicht wohl dabei zu Mute, und leicht focht ihn dann Unsicherheit und Verzagen an. Denn wenn er auch nach außen hin nicht um eines Haares Breite nachgab und lieber einen Finger eingebüßt hätte, als ein Zugeständnis zu machen, so stand er doch vor dem Richter in der eigenen Brust häufig als ein Fehlender da. Reue und Zerknirschung war es nicht, was er da empfand. Zum Beugen war sein Bauernnacken zu steif. Weder vor Menschen noch vor Gott liebte er es, sich als Sünder hinzustellen.
Des Büttnerbauern Christentum war ein eigenartiges Gemächte, das vor den Augen orthodoxer Theologen wohl als eine Art von Heidentum erfunden worden wäre. Sein Ver¬ hältnis zu Gott bestand in einem nüchternen Vertrage, der
berichte. Solche Leute nannten ſich dann freilich auch nicht mehr Bauern, ſondern „Ökonomen“ und ließen ihre Söhne freiwillig dienen.
Traugott Büttner hielt am Alten feſt, wie es ſein Vater bis zu gewiſſem Grade auch gethan hatte. Leberecht Büttner aber hatte ſich dem, was gut und nützlich im Neuen war, nie verſchloſſen, und das that Traugott. Er verſtand ſeine Zeit nicht, wollte ſie nicht verſtehen. Er haßte jede Neuerung von Grund der Seele, und brachte es darum niemals zu einer Verbeſſerung. Er glaubte die neue Zeit mit Verachtung zu ſtrafen, und merkte nicht, daß ſie achtlos über ihn hinwegſchritt, und ihm den Rücken wandte. Mürriſch hatte er ſich auf ſich ſelbſt zurückgezogen, zehrte von ſeinem Trotze und lebte ein glückliches Leben nur in der Erinnerung an die „gute alte Zeit“, die doch ihrerzeit auch mal neu geweſen war.
Manchmal freilich ſah er ſich doch gezwungen, in das Licht, von dem er ſich grollend abgewandt hatte, zu blicken. Um ſo ſchmerzhafter blendete ihn dann die grelle Tageshelle der Wirklichkeit. Dann fuhr er auf aus ſeiner weltentfremde¬ ten Zurückgezogenheit und beging in heftiger Übereilung ver¬ hängnisvolle Irrtümer. Sah er dann durch den Erfolg ſeines Thuns, daß er verfehlt gehandelt hatte, ſo verſteifte er ſich gegen beſſeres Wiſſen auf ſein gutes Recht. Aber, im Inneren war ihm nicht wohl dabei zu Mute, und leicht focht ihn dann Unſicherheit und Verzagen an. Denn wenn er auch nach außen hin nicht um eines Haares Breite nachgab und lieber einen Finger eingebüßt hätte, als ein Zugeſtändnis zu machen, ſo ſtand er doch vor dem Richter in der eigenen Bruſt häufig als ein Fehlender da. Reue und Zerknirſchung war es nicht, was er da empfand. Zum Beugen war ſein Bauernnacken zu ſteif. Weder vor Menſchen noch vor Gott liebte er es, ſich als Sünder hinzuſtellen.
Des Büttnerbauern Chriſtentum war ein eigenartiges Gemächte, das vor den Augen orthodoxer Theologen wohl als eine Art von Heidentum erfunden worden wäre. Sein Ver¬ hältnis zu Gott beſtand in einem nüchternen Vertrage, der
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berichte. Solche Leute nannten ſich dann freilich auch nicht
mehr Bauern, ſondern „Ökonomen“ und ließen ihre Söhne
freiwillig dienen.
Traugott Büttner hielt am Alten feſt, wie es ſein Vater
bis zu gewiſſem Grade auch gethan hatte. Leberecht Büttner
aber hatte ſich dem, was gut und nützlich im Neuen war, nie
verſchloſſen, und das that Traugott. Er verſtand ſeine Zeit
nicht, wollte ſie nicht verſtehen. Er haßte jede Neuerung von
Grund der Seele, und brachte es darum niemals zu einer
Verbeſſerung. Er glaubte die neue Zeit mit Verachtung zu
ſtrafen, und merkte nicht, daß ſie achtlos über ihn hinwegſchritt,
und ihm den Rücken wandte. Mürriſch hatte er ſich auf ſich
ſelbſt zurückgezogen, zehrte von ſeinem Trotze und lebte ein
glückliches Leben nur in der Erinnerung an die „gute alte
Zeit“, die doch ihrerzeit auch mal neu geweſen war.
Manchmal freilich ſah er ſich doch gezwungen, in das
Licht, von dem er ſich grollend abgewandt hatte, zu blicken.
Um ſo ſchmerzhafter blendete ihn dann die grelle Tageshelle
der Wirklichkeit. Dann fuhr er auf aus ſeiner weltentfremde¬
ten Zurückgezogenheit und beging in heftiger Übereilung ver¬
hängnisvolle Irrtümer. Sah er dann durch den Erfolg ſeines
Thuns, daß er verfehlt gehandelt hatte, ſo verſteifte er ſich
gegen beſſeres Wiſſen auf ſein gutes Recht. Aber, im Inneren
war ihm nicht wohl dabei zu Mute, und leicht focht ihn
dann Unſicherheit und Verzagen an. Denn wenn er auch
nach außen hin nicht um eines Haares Breite nachgab und
lieber einen Finger eingebüßt hätte, als ein Zugeſtändnis zu
machen, ſo ſtand er doch vor dem Richter in der eigenen
Bruſt häufig als ein Fehlender da. Reue und Zerknirſchung
war es nicht, was er da empfand. Zum Beugen war ſein
Bauernnacken zu ſteif. Weder vor Menſchen noch vor Gott
liebte er es, ſich als Sünder hinzuſtellen.
Des Büttnerbauern Chriſtentum war ein eigenartiges
Gemächte, das vor den Augen orthodoxer Theologen wohl als
eine Art von Heidentum erfunden worden wäre. Sein Ver¬
hältnis zu Gott beſtand in einem nüchternen Vertrage, der
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/173>, abgerufen am 29.11.2024.
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