ment im Hause, zunächst über den eigenen Vater, der freiwillig vor ihm zurückgetreten war, später über die Söhne, auch nach¬ dem sie längst zu Jahren gekommen. Unter solchem Drucke hatte sich Traugotts Charakter nicht frei und nicht glücklich entwickelt. Er hatte von den Tugenden seines Vaters die Fehler. Was bei Leberecht Vorsicht war, erschien bei Traugott als Mißtrauen, während jener sparsam war und haushälterisch, war dieser zum Geize geneigt und kleinlich. Der konservative Sinn des Alten war bei dem Sohne in Engigkeit, die Energie in Trotz und Eigensinn ausgeartet.
Und eines war vom Vater auf den Sohn nicht überge¬ gangen: das Glück.
Leberecht Büttner war ein echtes Glückskind gewesen. Er trat als junger Mensch zur rechten Zeit auf den Schauplatz, um das väterliche Gut vor Annexion durch Fremde zu retten, er kam als reifer Mann in Zeiten, wo Thatkraft und Fleiß nicht umsonst vergeudet wurden. Sein Sohn war in anderer Zeit und in veränderter Lage geboren. Er übernahm zwar ein großes Anwesen im besten Stande, aber unter erschwerten Bedingungen. Die Vermögenslage, in welche Traugott Büttner durch die Erbauseinandersetzung mit seinen Geschwistern ge¬ kommen, trug den Keim einer großen Gefahr in sich. Alles kam jetzt auf den neuen Wirt an und auf sein Glück. Es kamen schwere Zeiten, denen er sich nicht gewachsen zeigte. Fallende Getreidepreise, sinkende Grundrente, dazu steigende Löhne und wachsende Ausgaben. Ein schnelleres Getriebe im Geschäftsleben und erschwerte Kreditbedingungen. Alles ver¬ wickelte und verschob sich. Mit dem schlichten Verstande allein kam man da nicht mehr durch. Die Ansprüche waren ge¬ steigert auf allen Gebieten. Die alte Wirtschaftsweise, wo man seine Erzeugnisse auf den Markt brachte, mit dem Erlös die Zinsen und Abgaben deckte, und was übrig blieb mit seiner Familie verzehrte; diese einfache Art, aus der Hand in den Mund zu leben, war gänzlich aus der Mode gekommen. Der neumodische Bauer hielt sich womöglich Zeitungen, las Bücher über Landwirtschaft, studierte die Börsenkurse und die Wetter¬
ment im Hauſe, zunächſt über den eigenen Vater, der freiwillig vor ihm zurückgetreten war, ſpäter über die Söhne, auch nach¬ dem ſie längſt zu Jahren gekommen. Unter ſolchem Drucke hatte ſich Traugotts Charakter nicht frei und nicht glücklich entwickelt. Er hatte von den Tugenden ſeines Vaters die Fehler. Was bei Leberecht Vorſicht war, erſchien bei Traugott als Mißtrauen, während jener ſparſam war und haushälteriſch, war dieſer zum Geize geneigt und kleinlich. Der konſervative Sinn des Alten war bei dem Sohne in Engigkeit, die Energie in Trotz und Eigenſinn ausgeartet.
Und eines war vom Vater auf den Sohn nicht überge¬ gangen: das Glück.
Leberecht Büttner war ein echtes Glückskind geweſen. Er trat als junger Menſch zur rechten Zeit auf den Schauplatz, um das väterliche Gut vor Annexion durch Fremde zu retten, er kam als reifer Mann in Zeiten, wo Thatkraft und Fleiß nicht umſonſt vergeudet wurden. Sein Sohn war in anderer Zeit und in veränderter Lage geboren. Er übernahm zwar ein großes Anweſen im beſten Stande, aber unter erſchwerten Bedingungen. Die Vermögenslage, in welche Traugott Büttner durch die Erbauseinanderſetzung mit ſeinen Geſchwiſtern ge¬ kommen, trug den Keim einer großen Gefahr in ſich. Alles kam jetzt auf den neuen Wirt an und auf ſein Glück. Es kamen ſchwere Zeiten, denen er ſich nicht gewachſen zeigte. Fallende Getreidepreiſe, ſinkende Grundrente, dazu ſteigende Löhne und wachſende Ausgaben. Ein ſchnelleres Getriebe im Geſchäftsleben und erſchwerte Kreditbedingungen. Alles ver¬ wickelte und verſchob ſich. Mit dem ſchlichten Verſtande allein kam man da nicht mehr durch. Die Anſprüche waren ge¬ ſteigert auf allen Gebieten. Die alte Wirtſchaftsweiſe, wo man ſeine Erzeugniſſe auf den Markt brachte, mit dem Erlös die Zinſen und Abgaben deckte, und was übrig blieb mit ſeiner Familie verzehrte; dieſe einfache Art, aus der Hand in den Mund zu leben, war gänzlich aus der Mode gekommen. Der neumodiſche Bauer hielt ſich womöglich Zeitungen, las Bücher über Landwirtſchaft, ſtudierte die Börſenkurſe und die Wetter¬
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ment im Hauſe, zunächſt über den eigenen Vater, der freiwillig
vor ihm zurückgetreten war, ſpäter über die Söhne, auch nach¬
dem ſie längſt zu Jahren gekommen. Unter ſolchem Drucke
hatte ſich Traugotts Charakter nicht frei und nicht glücklich
entwickelt. Er hatte von den Tugenden ſeines Vaters die Fehler.
Was bei Leberecht Vorſicht war, erſchien bei Traugott als
Mißtrauen, während jener ſparſam war und haushälteriſch,
war dieſer zum Geize geneigt und kleinlich. Der konſervative
Sinn des Alten war bei dem Sohne in Engigkeit, die Energie
in Trotz und Eigenſinn ausgeartet.
Und eines war vom Vater auf den Sohn nicht überge¬
gangen: das Glück.
Leberecht Büttner war ein echtes Glückskind geweſen. Er
trat als junger Menſch zur rechten Zeit auf den Schauplatz,
um das väterliche Gut vor Annexion durch Fremde zu retten,
er kam als reifer Mann in Zeiten, wo Thatkraft und Fleiß
nicht umſonſt vergeudet wurden. Sein Sohn war in anderer
Zeit und in veränderter Lage geboren. Er übernahm zwar
ein großes Anweſen im beſten Stande, aber unter erſchwerten
Bedingungen. Die Vermögenslage, in welche Traugott Büttner
durch die Erbauseinanderſetzung mit ſeinen Geſchwiſtern ge¬
kommen, trug den Keim einer großen Gefahr in ſich. Alles
kam jetzt auf den neuen Wirt an und auf ſein Glück. Es
kamen ſchwere Zeiten, denen er ſich nicht gewachſen zeigte.
Fallende Getreidepreiſe, ſinkende Grundrente, dazu ſteigende
Löhne und wachſende Ausgaben. Ein ſchnelleres Getriebe im
Geſchäftsleben und erſchwerte Kreditbedingungen. Alles ver¬
wickelte und verſchob ſich. Mit dem ſchlichten Verſtande allein
kam man da nicht mehr durch. Die Anſprüche waren ge¬
ſteigert auf allen Gebieten. Die alte Wirtſchaftsweiſe, wo man
ſeine Erzeugniſſe auf den Markt brachte, mit dem Erlös die
Zinſen und Abgaben deckte, und was übrig blieb mit ſeiner
Familie verzehrte; dieſe einfache Art, aus der Hand in den
Mund zu leben, war gänzlich aus der Mode gekommen. Der
neumodiſche Bauer hielt ſich womöglich Zeitungen, las Bücher
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/172>, abgerufen am 29.11.2024.
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