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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Ich ha' noch a Wörtel mit D'r. Wenn d'r und 'r denkt, Ihr
kennt mich lapp'g machen, da seit'r an Falschen geraten.
Dei Vater is immer a Uchse gewast, ar hat keenen größern
in seinen eegnen Stalle stiehn. Sicke dumme Karlen, die brauchen
gar kee Bauerngutt. Ob sei Gutt ungern Hammer kimmt, ob's
d' Ihr alle zusammde betteln gihn mißt, das is mir ganz
egal! Verreckt Ihr meintswegen! Mit Eich ha'ch kee Mitleed
-- ich ne!"

Gustav war schon außer Hörweite und vernahm die wei¬
teren Schimpfreden nicht, die ihm der Onkel noch auf die Gasse
nachrief.


Gustav wollte, da er bei dem Kretschamwirt nichts aus¬
gerichtet hatte, seinen Onkel Karl Leberecht Büttner aufsuchen,
und dessen Hülfe anrufen. Freilich war dazu eine Eisenbahn¬
fahrt von mehreren Stunden nötig. Aber er meinte diese
Ausgabe nicht scheuen zu dürfen, denn es blieb thatsächlich
die letzte Hoffnung. Der Onkel war wohlhabend; vielleicht
konnte man ihn dazu bringen, etwas für seinen leiblichen Bru¬
der zu thun.

Ehe Gustav die Garnison verlassen, hatte er sich noch
einen Anzug von dunkelblauem Stoff anfertigen lassen. Pau¬
line fand, daß ihm die neuen Kleider ausgezeichnet stünden.
Auch einen ziemlich neuen Hut besaß er, und ein Paar Stiefeln,
die noch nirgends geflickt waren. So konnte er denn die
Reise guten Mutes wagen. Er wollte bei den Verwandten
in der Stadt nicht den Eindruck eines Bettlers machen. Sie
sollten sehen, daß sie sich der in der Heimat zurückgebliebenen
Familienglieder nicht zu schämen brauchten.

So trat er die Fahrt an. Angemeldet hatte er sich nicht
bei den Verwandten, damit sie ihm nicht abschreiben konnten.
Denn Gustav war sich dessen wohl bewußt, daß man ihm und
den Seinen nicht allzu günstig gesinnt sei, von jener Seite.
Das hatte sich ja auch in der plötzlichen Kündigung der
Hypothek, im Frühjahre, ausgesprochen.

Ich ha' noch a Wörtel mit D'r. Wenn d'r und 'r denkt, Ihr
kennt mich lapp'g machen, da ſeit'r an Falſchen geraten.
Dei Vater is immer a Uchſe gewaſt, ar hat keenen größern
in ſeinen eegnen Stalle ſtiehn. Sicke dumme Karlen, die brauchen
gar kee Bauerngutt. Ob ſei Gutt ungern Hammer kimmt, ob's
d' Ihr alle zuſammde betteln gihn mißt, das is mir ganz
egal! Verreckt Ihr meintswegen! Mit Eich ha'ch kee Mitleed
— ich ne!“

Guſtav war ſchon außer Hörweite und vernahm die wei¬
teren Schimpfreden nicht, die ihm der Onkel noch auf die Gaſſe
nachrief.


Guſtav wollte, da er bei dem Kretſchamwirt nichts aus¬
gerichtet hatte, ſeinen Onkel Karl Leberecht Büttner aufſuchen,
und deſſen Hülfe anrufen. Freilich war dazu eine Eiſenbahn¬
fahrt von mehreren Stunden nötig. Aber er meinte dieſe
Ausgabe nicht ſcheuen zu dürfen, denn es blieb thatſächlich
die letzte Hoffnung. Der Onkel war wohlhabend; vielleicht
konnte man ihn dazu bringen, etwas für ſeinen leiblichen Bru¬
der zu thun.

Ehe Guſtav die Garniſon verlaſſen, hatte er ſich noch
einen Anzug von dunkelblauem Stoff anfertigen laſſen. Pau¬
line fand, daß ihm die neuen Kleider ausgezeichnet ſtünden.
Auch einen ziemlich neuen Hut beſaß er, und ein Paar Stiefeln,
die noch nirgends geflickt waren. So konnte er denn die
Reiſe guten Mutes wagen. Er wollte bei den Verwandten
in der Stadt nicht den Eindruck eines Bettlers machen. Sie
ſollten ſehen, daß ſie ſich der in der Heimat zurückgebliebenen
Familienglieder nicht zu ſchämen brauchten.

So trat er die Fahrt an. Angemeldet hatte er ſich nicht
bei den Verwandten, damit ſie ihm nicht abſchreiben konnten.
Denn Guſtav war ſich deſſen wohl bewußt, daß man ihm und
den Seinen nicht allzu günſtig geſinnt ſei, von jener Seite.
Das hatte ſich ja auch in der plötzlichen Kündigung der
Hypothek, im Frühjahre, ausgeſprochen.

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[172/0186] Ich ha' noch a Wörtel mit D'r. Wenn d'r und 'r denkt, Ihr kennt mich lapp'g machen, da ſeit'r an Falſchen geraten. Dei Vater is immer a Uchſe gewaſt, ar hat keenen größern in ſeinen eegnen Stalle ſtiehn. Sicke dumme Karlen, die brauchen gar kee Bauerngutt. Ob ſei Gutt ungern Hammer kimmt, ob's d' Ihr alle zuſammde betteln gihn mißt, das is mir ganz egal! Verreckt Ihr meintswegen! Mit Eich ha'ch kee Mitleed — ich ne!“ Guſtav war ſchon außer Hörweite und vernahm die wei¬ teren Schimpfreden nicht, die ihm der Onkel noch auf die Gaſſe nachrief. Guſtav wollte, da er bei dem Kretſchamwirt nichts aus¬ gerichtet hatte, ſeinen Onkel Karl Leberecht Büttner aufſuchen, und deſſen Hülfe anrufen. Freilich war dazu eine Eiſenbahn¬ fahrt von mehreren Stunden nötig. Aber er meinte dieſe Ausgabe nicht ſcheuen zu dürfen, denn es blieb thatſächlich die letzte Hoffnung. Der Onkel war wohlhabend; vielleicht konnte man ihn dazu bringen, etwas für ſeinen leiblichen Bru¬ der zu thun. Ehe Guſtav die Garniſon verlaſſen, hatte er ſich noch einen Anzug von dunkelblauem Stoff anfertigen laſſen. Pau¬ line fand, daß ihm die neuen Kleider ausgezeichnet ſtünden. Auch einen ziemlich neuen Hut beſaß er, und ein Paar Stiefeln, die noch nirgends geflickt waren. So konnte er denn die Reiſe guten Mutes wagen. Er wollte bei den Verwandten in der Stadt nicht den Eindruck eines Bettlers machen. Sie ſollten ſehen, daß ſie ſich der in der Heimat zurückgebliebenen Familienglieder nicht zu ſchämen brauchten. So trat er die Fahrt an. Angemeldet hatte er ſich nicht bei den Verwandten, damit ſie ihm nicht abſchreiben konnten. Denn Guſtav war ſich deſſen wohl bewußt, daß man ihm und den Seinen nicht allzu günſtig geſinnt ſei, von jener Seite. Das hatte ſich ja auch in der plötzlichen Kündigung der Hypothek, im Frühjahre, ausgeſprochen.

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/186>, abgerufen am 17.05.2024.